Der Organismus der Verwaltungsbehörden. (8. 68.) 349
erwiesen sich als nicht geeignet, das schwerfällige Gebäude aufrecht zu erhalten, welches
nicht vermochte, die Stürme des unglücklichen Jahres 1806 zu ertragen, und der be-
trächtliche Länderverlust, welchen Preußen infolge des Friedens von Tilsit erlitt, gab die
Veranlassung zu einer durchgreifenden Umbildung des Organismus, insbesondere der
obersten Verwaltungsbehörden. Diese Reform begann mit dem Momente, da der Staat
in der Katastrophe von 1806 zusammengebrochen und die Zentralverwaltung zunächst
einer Art Diktaturbehörde, der Immediatkommission, übertragen worden war; auf und
aus den Trümmern des preußischen Staatsgebäudes hat dann Stein eine nach Organi-
sation und Inhalt neue preußische Verwaltung geschaffen, die ihre Ausgestaltung im
einzelnen dann noch mehrfach in der Zeit der Hardenbergschen Verwaltung fand.
S. 63.
II. Ubersicht des Organismus der Verwaltungsbehörden im Jahre 1806.2
Im Jahre 1806, als der unglückliche Ausgang des Krieges mit Frankreich das
ganze Staatsgebäude zertrümmerte, bestand folgender Organismus der öffentlichen Ver-
waltungsbehörden.
I. Das Kabinett des Königs.
Dasselbe bestand aus einem oder mehreren Geheimen Kabinettsräten, welche die
nichtmilitärischen Angelegenheiten, und einem oder mehreren Generaladjutanten, welche
die militärischen Angelegenheiten dem Könige vortrugen. Die beschlossenen Verfügungen
vollzog der König selbst.“
II. Die obersten Behörden der Staatsverwaltung.
A. Der Geheime Staatsrat.
Die verschiedenen Staatsminister bildeten den Geheimen Staatsrat, welcher auch
das Geheime Staatsministerium genannt wurde. Ihm waren sämtliche übrigen Staats-
behörden, mit Ausschluß der Ministerien und des Oberkriegskollegiums, untergeordnet und
er verfügte an solche und an Privatpersonen im Namen des Königs.“ — Die eigentliche
gänzungen und Erläuterungen der preußischen
Rechtsb., 2. Ausg., Bd. V, S. 40.
1 Uber diese ganze große Entwicklung s. jetzt
die ausgezeichnete Darstellung von E. Meier,
Reform, S. 177 ff., in einzelnen Punkten er-
gänzt und modifiziert durch Max Lehmann,
Freiherr vom Stein, 3 Bde., 1902— 1905.
* Vxgl. Die Kurmark Brandenburg, ihr Zu-
stand und ihre Verwaltung vor dem Ausbruche
des Französischen Krieges im Oktober 1806. Von
einem ehemaligen höheren Staatsbeamten (Leipzig,
1847), Abschn. III, S. 30 ff. — Die von v. Rönne
in diesem Paragraphen gegebene „liersicht“ ist
im ganzen unverändert gelassen, da sie das da-
malige Behördenchaos richtig charakterisiert. Im
einzelnen wäre allerdings festzustellen, daß der
Zustand im Jahre 1806 doch bereits mehrfache
Vereinfachungen erfahren hatte, so waren ins-
besondere die im Text unter II, C. G. J. K. be-
zeichneten Behörden zuletzt dem Justizministerium
unterstellt, vgl. LVehmann, Stein, Bd. II, S. 378f.
2 Mit Recht ist bemerkt worden, daß die Kennt-
nis dieser älteren Organisation bei Anwendung
der preußischen Gesetze und Verordnungen auch
jetzt unentbehrlich ist, weil viele noch gegenwärtig
bestehende Einrichtungen nur dadurch verständ-
lich werden (vgl. RNabe, Samml., Bd. IV, Ein-
leitung S. 1).
4 Dergleichen Verfügungen wurden bezeichnet
als Kabinettsorders, Kabinettsbefehle, auch Im-
mediatverfügungen. Die alte Bezeichnung wird
auch heute noch — gelegentlich und willkürlich —
gebraucht; selbstverständlich stehen königliche Ka-
binettsorders, insoweit sie nicht militärische Be-
fehle enthalten, heute unter dem konstitutionellen
Prinzip des Art. 44 der Verf. Urk. Uber die
Bedeutung, die das Kabinett unter Friedrich
Wilhelm II. zum Unheil des Staates angenom-
men hatte, s. jetzt vor allem die ausgezeichnete
Darstellung von Hüffer, Die Kabinettsregierung
in Preussen und Johann Wilhelm Lombard,
(1891), vgl. dazu allerdings auch Max Lehmann
in der Histor. Zeitschr., Bd. 63, S. 266.
5 Diejenigen Minister, welche nicht in den
Staatsrat eingeführt waren, gehörten nicht dazu.
* Die Instruktion des Geh. Staaterats ist nicht
veröffentlicht worden. Es scheint aber, daß zum
Ressort desselben solche allgemeine Angelegenheiten
gehörten, welche nicht ein besonderes Ministerial-
departement, sondern mehrere derselben oder
sämtliche Departements betrafen. Die Restkripte
des Geh. Staatsministeriums erkennt man nur