Der Organismus der Verwaltungsbehörden. (F. 68.) 355
kanzler und Chef der Justiz und aller Justizkollegien. Ihm stand die allgemeine Leitung
des Justizwesens und der Gesetzgebung, der Vorschlag und die Bestellung der Justiz-
bedienten, die Visitation der Justizkollegien und die Mitaufsicht, neben dem General-
direktorium und den sonstigen Departements, über die Justizuerwaltung bei den Kameral-
und übrigen Gerichten für besondere Gegenstände und Personen zu.
Unter dem Großkanzler standen: 1. die Gesetzkommission, welche durch die Kabinetts-
order v. 14. April 1780 angeordnet und durch das Patent v. 29. Mai 17811 ein-
gerichtet worden war 2; 2. die Immediatjustizeraminationskommission, welcher die Prüfung
derjenigen Personen oblag, die zu Rats= oder Justizkommissarienstellen bei einem Landes-
justizkollegium, bei Mediatregierungen, bei Stadt= und größeren Gerichten in Haupt= und
Handlungsstädten gelangen wollten. Die Gerichtebarkeit selbst ward durch die Gerichte
ausgeübt, und zwar seit Aufhebung der Kabinettsjustiz in voller Unabhängigkeit wie heute.
G. Das geistliche Departement.
Dasselbe hatte die Direktion aller geistlichen, Kirchen= und Schulsachen in sämt-
lichen Landesteilen, mit Ausschluß dieser Angelegenheiten bei den Französischen und Pfälzer
Kolonien, und wurde von königlichen Staats= und Justizministern verwaltet. Es bestand
aus zwei Abteilungen, nämlich dem lutherischen und dem reformierten Departement."“
1. Von dem lutherisch-geistlichen Departement hingen ab: a) das Ober= und damit ver-
bundene Kurmärkische Konsistorium zu Berlin 5, b) die Schlesischen Oberkonsistorien zu
Breslau, Glogau und Briegé, c) das Kurmärkische Amtskirchen-Revenübendirektorium?,
4) das Kuratorium der Dreifaltigkeitskirche zu Berlin 3, e) die katholische Geistlich-
1 Vgl. Mylius, N. C. C., Tom. VI, p. 1935, Kirchen= und Schulsachen in sämtlichen Provinzen,
und Tom. VII, p. 337, Rabe, Sammlung, vgl. v. Rönne, Unterrichtswesen des Preußischen
Bd. I, Abt. 6, S. 439 und S. 56. Staates, Bd. 1, S. 242 ff.: Jacobson Evangeli-
Diese Gesetzkommission war bestimmt zur sches Kirchenrecht, S. 151: Jacobson, in Doves
Entscheidung der streitigen Auslegungofragen, Zeitschrift, Bd. III. S. 324. 388: v. Mühler,
welche in rechtsanhängigen Sachen bei den Ge Geschichte der evangelischen Kirchenverfassung in
richtshöfen vorkamen, sowie zur Prüfung aller der Mark Brandenburg, S. 216, 220, 232.
neuen Gesetze und zur Vorlegung von Vor- 5 Unter dem Oberkonsistorium standen alle
schlägen neuer Gesetze oder Verbesserung der schon Konsistorien in den Provinzen (Instr. für das-
vorhandenen. Sie bestand aus zwei Deputationen, selbe v. 4. Okt. 1750, Mylius, C. C. M.,
der Justiz= und der Finanzdeputation, jede unter ('ont. IV, p. 291), außer denen in Schlesien,
einem Direktor, und harte den Großkanzler zum weolche allein von dem Chef des lutherisch geist-
Chefpräsidenten (ogl. Klein, Annal., Bd. II. lichen Departement' ressortierten. Die Provinzial-
S. 300, A. V. R., Einl., 55. (—9, A. G. . konsistorien bestanden aus Mitgliedern der Landes-
Teil 1. Tit. 13, §8. 32—31/: Durch die Kab. jrustizkollegien und aus geistlichen Konsistorial-
D. v. 5. März und dar Restr. v. 21. März räten. Unter denselben standen die geistlichen
1798 (Mylius, X. (0. (.. lom. XN. p. 1000. Inspektoren später Superintendenten,, in Pom-
No. 23, Rabe, Sammiung, Bdl. V. S. 36 mern auch Präpositi genannt. In den Cleve-
wurden indes die Anfragen bei der Geset# Märkischen Ländern (Cleve, Mark, Jülich und
kommission in rechteanhängigen Sachen aufge Berg bestand dagegen die von der Verfassung
hoben (ogl. Anh., §. 2 zum A. L. R.. aller übrigen Provinzen ganz abweichende Pres-
à Diese Kommission wurde durch das Reglee boterialsynodalversassung. Vgl. das Nähere in
ment v. 12. u. 19. Nov. 1755 (Axlins. X. C. Rabe, Samming, Bd. IV. Einl. §§. 24 und
C., Tom. D p. 891 und 895 eingerichtet und 25, S. XX fl, und in v. Rönne, Unterrichte-
besteht noch gegenwärtig als Prüfungebehörde wesen, Bd. I. S. 242 ff.
für den höheren Justizdieun#. * Die schlesischen Provinzialkonsistorien führten
Da erstere hatte die Direktion aller eban. den Titel: „Oberkonsistorien“, weil unter ihnen
gelisch lutherischen und katholischen Kirchen, geist: die Mediatkonsistorien der Fürstentümer, und sie
lichen, Stifts= und Klostersachen in sämtlichen nicht selbst unter dem O berkonsistorium zu Berlin,
Landeeteilen, mit Aueschluß der katholischen An= sondern unmuttelbar unter dem geistlichen Departe-
gelegenheiten in Schlesien, Süd und Neuost ment standen (Ugl. Rabe, Sammlung, Bd. 1IV,
preußen und Ansbach und Batreuth: ferner die Einl., §. 26, S. XNAII *ê*•
Leitung der Kapitels und Stiftssachen, der refor- * Daoselbe verwaltete die Einkünfte der Kirchen
mierten Rirchensachen im Clevischen, der Graf# in den königlichen Amtedörfern der Kurmark
schaft Mark, den Fürstentümern Essen, Elten, und stand unmittelbar unter dem geistlichen
Werden und O stfriesland, leutere jedoch gemein: Departement (vgl. dar Nahere darüber in Rabe,
schaftlich mit dem reformierten geinlichen De. Sammlung, BMd. IV. Einl., §. 27, S. XXXII.
partement. — Das leutere hatte die Direktion * Daaoselbe stand gleichfallds unmittelbar unter
aller deutschen evangelisch reformirten geistlichen, dem geistlichen Departemem und bearbeitete die
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