Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

396 Die Staatsbehörden. 
(§. 74.) 
Die Kurie der drei Stände des ersten vereinigten Landtages beschloß indes im 
Jahre 1847 eine Petition, in welcher der König um Errichtung eines selbständigen 
Ministeriums für den Ackerbau, Handel und Industrie gebeten wurde.! Dieser Antrag 
blieb zunächst unberücksichtigt. Die Ereignisse des Jahres 1848 hatten dann aber zur 
Folge, daß zwei neue selbständige Ministerien gebildet wurden, nämlich ein Ministerium 
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten, und bald darauf auch ein Ministerium 
für landwirtschaftliche Angelegenheiten. Durch die Kabinettsorder v. 27. März 18482= 
war das Staatsministerium angewiesen worden, die erforderlichen Vorschläge wegen 
Bildung eines eigenen Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten zu 
machen, und der Allerhöchste Erlaß v. 17. April 18482 ordnete dann die Bildung 
dieses Ministeriums an. Dieser Erlaß bestimmt, daß das gedachte Ministerium vor- 
zugsweise auch den arbeitenden und gewerbetreibenden Klassen der städtischen, wie der 
ländlichen Bevölkerung seine Fürsorge zu widmen habe, und trifft die Festsetzungen über 
dessen Ressort. Es sind demselben übertragen worden: 
1. von dem Ressort des Finanzministeriums: sämtliche Geschäfte der Abteilung 
für Handel, 
Salinenwesen; 
Gewerbe und Bauwesen und der Abteilung für Berg-, Hütten= und 
2. von dem Ressort des Ministeriums des Innern: die Gewerbe= und Baupolizei, 
soweit dieselbe diesem Ministerium bisher zustand, und die gesamte landwirtschaftliche 
Polizei und alle landwirtschaftlichen Angelegenheiten und Anstalten: 
3. das Postdepartement: 
4. die Geschäfte des bisherigen Handelsamtes, während die dem Handelsrate zu- 
gewiesene Wirksamkeit auf das Staatsministerium überging. 
Die landwirtschaftlichen Angelegenheiten und die landwirtschaftliche Polizei wurden 
indes schon durch den Allerhöchsten Erlaß v. 25. Juni 1848“ von dem Ministerium 
für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten auf das Ministerium für landwirtschaft- 
liche Angelegenheiten übertragen. 
In diesen Ressortverhältnissen des Ministeriums für Handel, Gewerbe und öffent- 
liche Arbeiten sind demnächst folgende Modifikationen eingetreten: 
a) Durch den Allerhöchsten Erlaß v. 26. Nov. 1849 5 wurde die Bearbeitung der 
Eindeichungs= und Deichsozietätsangelegenheiten dem gedachten Ministerium abgenommen 
  
insbesondere die Handelskammern und die Vor- 
stände der kaufmännischen Korporationen, in- 
gleichen die im Auslande befindlichen Konsulate, 
verpflichtet sein, dem Handelsamte auf Erfordern 
Auskunft zu geben, und dazu sollten auch die 
Ministerien verbunden sein (§. 8 a. a. O.). 
1 Vgl. die Allgemeine Preußische Zeitung, 
Jahrgang 1847, Nr. 139, und die Verhand- 
lungen des I. vereinigten Landtages von 1847 
(Berlin, bei Reimarus), Bd. III, S. 1010—30, 
1355—57, 1564—69. In dieser Petition wird 
sehr treffend hervorgehoben, „daß in der Organi- 
sation des Handelsamtes kein selbständiges Zentral- 
organ der Vertretung der Interessen des Handels 
und der Gewerbe gegeben worden sei, sondern daß 
darin die Anerkennung, nicht aber die Befriedigung 
des Bedürfnisses liege. Das Handelsamt habe 
nur eine theoretische Stellung und könne durch 
die Einsicht seines Chefs und die unter seinem 
Vorsitze stattgefundenen Beratungen das Dasein 
eines Konflikts zwischen dem finanziellen und in- 
dustriellen Standpunkte wohl konstatieren, aber 
diesen Konflikt nicht heben. Denn dem Präsidenten 
des Handelsamtes stehe keine Teilnahme an der 
Verwaltung des Handels= und Gewerbewesens 
zu, er habe im Staatsministerium nur eine be- 
Daran sei die Wirksamkeit des 
ratende Stimme. 
Handelsamtes gescheitert. Seine Vorschläge hätten 
  
keine Ausführung erlangen können, weil sie auf 
eine in den meisten Fällen unübersteigliche Schranke, 
auf die entgegengesetzte Meinung des Finanz- 
ministers, gestoßen seien". Dies war in der 
Tat die wahre Lage der Sache und bei der Er- 
richtung des Handelsamtes von Anfang an 
vorauszusehen, daß sie sich so gestalten würde. 
Das englische Handelsamt (Board of Trade), 
dessen Einrichtung bei der Errichtung des preußi- 
schen Handelsamtes in Betracht gezogen worden 
ist, hat seit langer Zeit den doppelten Charakter 
à) als Handelsabteilung des Staatsrats, und 
b) als Handelsministerium, mit den umfang- 
reichsten Verwaltungsbefugnissen einer Zentwal- 
behörde, die in mehrere selbständige Spezialdeparte- 
ments zerfällt, und hatte diese letztgedachte Stel- 
lung zum größten Teile bereits zu der Zeit, als 
das preußische Handelsamt errichtet wurde, welches 
als nur beratendes Organ niemals zu einer 
praktischen Geltung zu gelangen vermochte (ogl. 
über das Board of Trade, Gneist, Geschichte 
der heutigen Gestalt der Amter in England, 
S. 443—457)0. 
: M. Bl. d. i. Verw. 1848, S. 89, Nr. 94. 
G. S. 1818, S. 109. 
4 G. S. 1848, S. 159. 
5 G. S. 1850, S. 3.
	        
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