Die Provinzialverwaltung. (8. 83.) 461
Das Verwaltungsverfahren ist durch das Organisationsgesetz nicht einheitlich geregelt
worden; §. 6 bestimmt vielmehr, daß „n bezug auf die amtliche Stellung, die Befugnisse,
die Zuständigkeit und das Verfahren der Verwaltungsbehörden die bestehenden Vorschriften
in Kraft bleiben“, soweit sie nicht durch das gedachte Gesetz abgeändert werden. Da-
gegen ist das Beschlußverfahren durch das Organisationsgesetz für dessen Geltungsbereich
allgemein geordnet.! Die kollegialische Verhandlung wird von dem Vorsitzenden, welcher
zugleich die Behörde nach außen vertritt, geleitet. Derselbe ist berechtigt, in Fällen,
welche keinen Aufschub zulassen, oder in welchen das Sach= und Rechtsverhältnis klar
liegt und die Zustimmung des Kollegiums nicht im Gesetze auedrücklich als erforderlich
bezeichnet ist, namens der Behörde Verfligungen zu erlassen und ebenso auch Bescheide
zu erteilen, soweit nicht ein kollegialischer Beschluß vom Gesetze gefordert oder von den
Parteien beantragt wird, oder in zweiter Instanz über Beschwerden gegen Beschlüsse zu
entscheiden ist. Ebenso ist er berechtigt, endgültige Beschlüsse seines Kollegiums mit auf-
schiebender Wirkung bei dem nächsthöheren Verwaltungsgerichte anzufechten.: Die erst-
instanzlichen Beschlüsse des Provinzialrates sind in der Regel endgültig; gegen sonstige
Beschlüsse steht den Beteiligten wie dem Vorsitzenden die Beschwerde an die nächsthöhere
Beschlußbehörde zu, welche endgültig entscheidet. ) Die Frist beträgt zwei Wochen." Die
Fristen für die Anbringung der Beschwerde, sowie der Klage sind prätlusivisch und be-
ginnen, sofern nicht die Gesetze ein anderes vorschreiben, mit der Zustellung der Ver-
fügung, des Bescheides oder des Beschlusses; der Tag der Zustellung wird nicht mit-
gerechnet, und im übrigen sind für die Berechnung der Fristen die bürgerlichen Prozeß-
gesetze maßgebend; auch ist gegen unverschuldete Fristversäumnis Wiedereinsetzung in den
vorigen Stand zulässig.5 Die Anbringung der Beschwerde, sowie der Klage bezw. des
Antrages auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren hat, sofern nicht die
Gesetze anderes vorschreiben, aufschiebende Wirkung; jedoch können Verfügungen, Bescheide
und Beschlüsse, auch wenn dieselben mit der Beschwerde oder mit der Klage bezw. dem
Antrage auf mündliche Verhandlung im Verwaltungsstreitverfahren angefochten sind, zur
Ausführung gebracht werden, sofern letztere nach dem Ermessen der Behörde ohne Nachteil
für das Gemeinwesen nicht ausgesetzt bleiben kann.“
III. Die gegenwärtig bestehenden Provinzialbehörden' sind: 1 die Oberpräsidenten,
2 die Bezirksregierungen, 3) die Provinzialsteuerdirektionen, 4 die Provinzialschul-
kollegien, 5) die Medizinalkollegien, 6 die Oberbergämter, 7 die Generalkommissionen,
1 Soweit der Geschäftsgang und das Verfahren gelten jetzt in der ganzen Monarchie, abgedruckt
des Provinzialrates, des Bezirks= und des Kreis= auch bei Brauchitsch, Bd. 1, 531 ff. »
(Stadt-)AusschussesimBeschlußverfahrennicht ’«.«.V.G.,§§55,64,117,126.—11ber
durch die Borschriften der 88. 57 ff. L. V. G. oder die örtliche Zuständigkeit der Beschlußbehörden
durch besondere gesetzliche Bestimmungen geregelt vgl. S§s. 57, 58.
sind, werden dieselben durch Regulative geordnet, 3 §5. 121—123.
welche der Min. des Innern erläßt (§. 56). Auf KS. 51.
Grund der Bestimmungen des §. 69, Abs. 5 und * S. 112.
des §. 130 der Provinzialordn. v. 29. Juni 1875 * §5. 53 a. a. O., welcher jedoch auf die im
(22. März 1881) ist von dem Min. d. Innern S. 133, Abs. 3 a. a. O. vorbehaltene Bestimmung
das Regulativ v. 23. Sept. 1876 für den Ge= hinweist, daß Haftstrafen, welche an Stelle einer
schäftsgang und das Verfahren bei den Pro- Geldstrafe nach §. 132, Nr. 2 u. a. —. festgesetzt
vinzialräten und den Bezirksräten (M. Bl. d. i. sind, vor ergangener endgültiger Beschlußfassung
Verw. 1876, S. 217 ff.), und auf Grund des oder rechtskräftiger Entscheidung auf das eingelegte
§. 166 der Kreis-O. v. 13. Dez. 1872 und des Rechtsmittel bezw. vor Ablauf der zur Einlegung
§. 17, Abs. 2 des Ges. v. 26. Juli 1876, betr. desselben bestimmten Frist nicht vollstreckt werden
die Zuständigkeit der Verwaltungobehörden usw., dürfen. S. dazu Entsch. d. O. V. G., Md. XXXVII,
das Regulativ v. 2. April 1878 zur Ordnung S. 238, 107: Stier Somlo, Komm., S. 62 f.
des Geschäftsganges und des Verfahrend bei den * Die Oberpostdirektionen sind jetzt Reicheobe-
Kreis-(S tadi-,Anoschüssen (M. Bl. d. i. Verw. hörden, welche zum Ressort der Reichepostamtes
1878, S. 73 ff.) erlassen worden. Für die Be# gehören und als preußst. Provinzialbehörden nicht
zirfeausschüsse jent Regulativ v. 28. Febr. 1884 in Betracht kommen: die Konsistorten sind, wie
(M. Bl. d. i. Verw. 1881, S. 37j, für die Pro= der Öberkirchenrat, selbständige Kirchenbehörden,
vinzialräte vom gleichen Datum M. Bl. d. i. gehören demgemäß überhaupt nicht oder doch nur
Verw., S. 35/), ebenso für die Kreis und Stadt= aue äußeren Gründen anhangeweise in die Dar-
Auoschüsse (M. Bl., S. I11: diese Regulanuve sullung der Staatsverwallung.