Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Sondervorschriften der Verwaltungsorganisation. (§. 93.) 605 
Der §. 39 des Organisationsgesetzes v. 26. Juli 1880 — ebenso L. V. G., 
§. 47 — hatte außerdem noch bestimmt, daß die Mitglieder der nach §. 24 des Ge- 
setzes v. 1. Mai 1851 gebildeten Bezirkskommission für die klassifizierte Einkommensteuer 
in Berlin von dem Magistrate und der Stadtverordnetenversammlung in gemeinschaft- 
licher Sitzung unter dem Vorsitze des Bürgermeisters gewählt werden; an Stelle dieser 
Vorschrift ist inzwischen §. 41, Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes v. 24. Juni 1891 
(G. S., S. 175) getreten, auf Grund dessen eine Einkommensteuerberufungs- 
kommission, sowie zwölf Berufungsunterkommissionen gebildet sind, deren Mit- 
glieder teils vom Finanzminister ernannt, teils von Magistrat und Stadtverordneten in 
gemeinsamer Sitzung gewählt sind. 
D. Für die Provinz Posen. 
I. Nachdem die Neugestaltung der Verwaltungsorganisation auf Grund der großen 
Gesetze v. 30. Juli und 1. Aug. 1883 für die übrige Monarchie im Jahre 1888 zum 
Abschluß gelangt war, erfolgte die Einführung dieser Gesetzgebung auch in der Provinz 
Posen durch Gesetz v. 19. Mai 1889 1, zu welchem weiterhin noch die Verordnung v. 
5. Nov. 18892 erging; dazu kommt jetzt noch das Ges. v. 4. Aug. 1904 (G. S., S. 241). 
Danach ist die Organisation der Staatsverwaltung in Posen im wesentlichen die 
gleiche, wie in den übrigen Provinzen, dagegen wurde eine besondere Provinzial= be- 
ziehungsweise Kreisordnung für Posen nicht erlassen, sondern das System der Selbstver- 
waltung nach Maßgabe der für die östlichen Provinzen seit 1872 beziehungsweise 1875 
in Kraft stehenden allgemeinen Gesetzgebung mit einer Reihe einschneidender Modifikationen 
durchgeführt. 
Insoweit diese Modifikationen sich auf die Provinzial-- und Bezirksverwaltung be- 
ziehen, bestehen sie in folgenden Vorschriften: 
1. Wählbar zu Provinzialrat und Bezirksausschuß in der Provinz Posen ist jeder 
selbständige Deutsche, der das 30. Lebensjahr vollendet hat, sich im Besitz der bürgerlichen 
Ehrenrechte befindet und seit mindestens einem Jahre der Provinz durch Wohnsitz oder 
Grundbesitz angehört; selbständig ist, wer in der Verfügung oder Verwaltung bezüglich 
seines Vermögens nicht durch gerichtliche Anordnung beschränkt ist." 
2. Die gewählten Mitglieder von Provinzialrat und Bezirksausschuß 
bedürfen staatlicher Bestätigung, und zwar des Ministers des Innern für den 
Provinzialrat, des Oberpräsidenten für den Bezirksausschuß; die Bestätigung kann 
vollkommen frei versagt werden, die Nichtbestätigung hat Neuwahl zur Folge. 
3. Bei Verweigerung der Wahl oder wiederholter Nichtbestätigung 
erfolgt Ernennung durch die zur Bestätigung berufene Behörde aus den 
wählbaren Personen.“ 
Die angegebenen Vorschriften haben den Zweck, solche Elemente aus Provinzialrat 
und Bezirksausschuß fernzuhalten, welche das Interesse des preußisch-deutschen National= 
staates zu gefährden geeignet sind. 
4. Über die Sondervorschriften bezüglich der Kreisverwaltung s. unten, §. 96. 
5. Über die Sondervorschriften bezüglich der Selbstverwaltung der Provinz s. Schön, 
Recht der Kommunalverbände, S. 442 ff. 
II. Eine verwaltungsrechtliche Sondergesetzgebung für die beiden Provinzen Posen und 
Westpreußen mit dem Zwecke, das Deutschtum durch systematische Ausbreitung deutschen 
Grundbesitzes zu stärken, besteht sodann noch seit 1886.7 Den behördlichen Mittelpunkt 
dieser Gesetzgebung bildet die Ansiedelungskommission mit dem Sitz in Posen.“ 
  
1 G. S., S. 108. Ebendas., Abs. 3—5. 
* G. S., S. 177. * G. v. 26. April 1886 (G. S., S. 131). 
* Vgl. Schön, Recht d. Komm. Verb., S. 366 ff., * Verordnung v. 21. Juni und Allerhöchster 
437 ff. Erlaß v. 26. Juli 1886 (G. S., S. 159, 204). 
4 G. v. 19. Mai 1889, Art. II. lber ihre Wirksamkeit s. die dem Landtag vor- 
* G. v . 19. Mai 1889, Art. III. gelegte umfassende Denkschrift des Landwirtschafts-
	        
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