Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Konsiftorien. (8. 94.) 613 
dem Oberpräsidenten vorher anzuzeigen ist. Nach der dermaligen Gestaltung des Ver- 
hältnisses zwischen Staat und Kirche haben somit die Konsistorien grundsätzlich die Ver- 
waltung aller evangelisch-kirchlichen Angelegenheiten in der Provinzialinstanz, insoweit 
diese nicht durch ausdrückliche Gesetzesvorschrift anderen Behörden, insbesondere den Re- 
gierungen, vorbehalten sind.1 
Das kirchliche Steuerwesen hat nunmehr — mit Gültigkeit v. 1. April 1906 — 
eine umfassende und grundsätzliche Neuregelung übereinstimmend für die ganze Monarchie 
und für die evangelische wie katholische Kirche gefunden durch die Staats= und Kirchen- 
gesetzgebung der Jahre 1905 und 1906, besonders die Gesetze vom 14. Juli 1905 
(G. S., S. 277 ff.) und die Verordn. vom 23. März 1906 (G. S., S. 53) über die 
Wahrnehmung der Staatshoheitsrechte. 
II. Bezüglich der im Jahre 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Ge- 
bieter hatte: 
1. hinsichtlich derjenigen, welche die jetzige Provinz Hessen-Nassau bilden, zunächst 
der §. 11 der Verordnung v. 22. Febr. 1867? die Einsetzung eines Konfistoriums 
für die beiden Regierungsbezirke Kassel und Wiesbaden vorbehalten; zur Erledigung dieses 
Vorbehaltes ist a) durch die Verordnung v. 22. Sept. 1867“ für den Regierungsbezirk 
Wiesbaden die Einrichtung eines evangelischen Konsistoriums unter Leitung eines welt- 
lichen Vorsitzenden, welchem der Generalsuperintendent, ein Justitiarius und geistliche Räte 
in der durch das Bedürfnis bestimmten Zahl beizuordnen sind, angeordnet, jedoch zugleich 
bestimmt worden, daß das Gebiet der ehemals freien Stadt Frankfurt nicht zum Ge- 
schäftsbezirke dieses Konsistoriums gezogen werden, sondern die in diesem Gebiete bestehen- 
den Konsistorien bis auf weiteres in Wirksamkeit bleiben sollen. Der Wirkungskreis des 
neuerrichteten Konsistoriums zu Wiesbaden begreift (nach §. 2 a. a. O.) diejenigen Ge- 
schäfte, welche durch die Instruktion für die Konsistorien v. 23. Okt. 1817, die Kabi- 
nettsorder v. 31. Dez. 1825, die Verordnung v. 27. Juni 1845 und die dieselben er- 
läuternden, ergänzenden und abändernden Bestimmungen den Konsistorien überwiesen sind. 
Die vorgesetzte Behörde dieses Konsistoriums ist nicht der Oberkirchenrat, sondern der 
Minister der geistlichen usw. Angelegenheiten. Uber die auf Grund des Gesetzes v. 6. April 
1878 eingetretene prinzipielle Veränderung s. unten, Ziff. 3. Die Kirchengemeinde= und 
Synodalordnung für den Konsistorialbezirk Wiesbaden ist v. 1. Juli 1877 (G. S., 
S. 71).5 b) Was den Regierungsbezirk Kassel betrifft, so hat der Allerhöchste Erlaß 
v. 13. Juni 1868“ angeordnet, daß die in demselben bestehenden drei evangelischen Kon- 
sistorien in Kassel, Marburg und Hanau zu einem gemeinschaftlichen Konsistorium, welches 
seinen Sitz in Marburg haben und seine amtliche Tätigkeit auf alle zum Regierungs- 
bezirke Kassel gehörigen Landesteile erstrecken soll, vereinigt werden. Durch Allerhöchsten 
Erlaß v. 24. April 18737 wurde demnächst, unter Abänderung des Erlasses v. 13. Juni 
1868, bestimmt, daß das gemeinschaftliche Konsistorium seinen Sitz in Kassel haben solle. 
Auch dieses Konsistorium untersteht nicht dem Oberkirchenrat, sondern dem Minister der 
geistlichen usw. Angelegenheiten, und für seine Geschäftsführung sind gleichfalls grund- 
sätzlich die für die Konsistorien in den alten Provinzen geltenden Vorschriften für maß- 
gebend erklärt worden. Die Presbyterial-- und Synodalordnung für den Konsistorialbe zirk 
Kassel ist v. 16. Dez. 1885, mit Staatsgesetz v. 19. März 1886.7 
2. Für die Herzogtümer Schleswig und Holstein ist durch die Verordnung v. 
  
1 S. die genaue Zusammenstellung bei Schön, *7 G. S. 1873, S. 184. 
Evangel. Kirchenrecht I, S. 247 ff. * Durch den Allerhöchsten Erlaß v. 22. Juli 
:* Vgl. Schön, Epvangel. Kirchenrecht I. 93 ff. 1874 (G. S. 1874, S. 2715 ist für den Amte- 
(Schleswig-Holstein), 103 ff. (Hessen = Nassan), bereich des Konsistoriums zu Kassel bestimmt 
  
126 ff. (Hannover). worden, daß das Recht der Bestellung und Be- 
2 G. S. 1867, S. 277. stätigung der evangelischen Geistlichen unter Auf- 
4 Cbendas. S. 1569. sicht des Min. der geistl. usw. Ang. dem Kon- 
5 S. dazu Schön, Evangel. Kirchenrecht I, sistorium in Kassel zusteht. 5 
S. 110 j. s G. S. 1886, S. 1, 79: s. dazu Schön, 
4 (C. S. 1868, S. 583. I Evangel. Kirchenrecht I. S. 120 f.
	        
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