Gemischte Verwaltungsbehörden. (8. 95.) 619
d) der Betrieb des „Geschäfts“ steht zwar unter dem oben, Ziff. 1 angegebenen
privatrechtlichen Grundprinzip, erfährt aber gegenüber den gleichartigen Privatbetrieben
eine weitgehende Einschränkung dahin, daß der Abschluß gewisser Geschäfte vor-
geschrieben oder verboten ist, beziehungsweise, daß für den Abschluß bestimmte
rechtliche Formen gefordert sind.
Die angegebenen öffentlichrechtlichen Momente erscheinen bei einem Blick auf die
tatsächliche Gestaltung dieser Institute als so stark, daß trotz der kaum zu bestreitenden
privatrechtlichen Natur des Einzelgeschäfts in der Rechtsform des Vertrages und der
dadurch gebotenen Anerkennung des Mischcharakters dieser Einrichtungen doch der Grund-
satz aufgestellt werden muß: jene für bestimmte Arten von Kredit= und Versicherungs-
geschäfte geschaffenen Anstalten in den preußischen Provinzen gehören als solche und
grundsätzlich dem staatlichen Verwaltungsrechte an; ihre Organisation und die
Staatsaufsicht über ihren Geschäftsbetrieb sind Bestandteil des öffentlichen Rechtes und
können, da nicht privat= und gewerberechtlicher Geldgewinn, sondern das öffentliche Wohl
der ihre Tätigkeit beherrschende Gedanke ist, nicht nach den für das Privatgeschäft gleicher
Art aufgestellten oder aufzustellenden Normen behandelt werden, zumal wenn die finanzielle
Grundlage — darin liegt der bedeutsame Unterschied dieser Anstalten von der Reichsbank —
nicht auf dem privat= beziehungsweise handelsrechtlichen Wege gelegt ist.' /Wenn aber
trotz dieser privatrechtlichen Grundlage von der überwiegenden Mehrheit der Schrifsteller?
schon der Reichsbank der Rechtscharakter des Staatsinstitutes zugesprochen wird, so muß
dies noch in viel höherem Grade von jenen Einrichtungen der preußischen Verwaltung
gelten, bei welchen der öffentlichrechtliche Grundgedanke: „Pflege der Volkswohlfahrt“
viel stärker hervortritt als bei der Reichsbank.
Zutreffend werden demgemäß die in Frage stehenden Anstalten auch von jeher als
Bestandteile der Behördenorganisation im Staatshandbuch aufgeführt. Demgemäß sind
in dem Reichsgesetze v. 12. Mai 1901 (R. G. B., S. 139), das die verwaltungs-
rechtliche Aufsicht über die privaten Versicherungsunternehmungen regelt und in einer
obersten Reichsbehörde, dem Aufsichtsamt für Privatversicherung, zusammenfaßt, die landes-
rechtlich bestehenden öffentlichen Versicherungsanstalten ausdrücklich von der Staatsaufsicht
jener Reichsbehörde ausgenommen (§. 119), da für diese öffentlichen Anstalten die all-
gemeinen oder besonderen Vorschriften des Landesverwaltungsrechtes vollkommen ausreichen.
Weiter bestimmt §. 120 desselben Gesetzes, daß „unberübhrt bleiben“ die landesrechtlichen
Vorschriften, „nach denen der Betrieb bestimmter Versicherungsgeschäfte öffentlichen An-
stalten vorbehalten ist". In dieser Gesetzesvorschrift ist der besondere Charakter des von
öffentlichen Anstalten betriebenen Versicherungs-„Geschäfts““ anerkannt. Und wenn man
auch nicht so weit wird gehen können, dem einzelnen „Geschäft“ dieser Art den privat-
rechtlichen Vertragscharakter abzusprechen, so wird doch anerkannt werden müssen, daß
dieser Vertrag im Rahmen der öffentlichen Anstalten sich dem staatlichen Verwaltungsakt
so stark annähert, daß allgemeine privatrechtliche Vorschriften über den Versicherungs-
vertrag, wie sie in Aussicht genommen sind, hinsichtlich des Geschäftsbetriebes der öffent-
lichen Versicherungsanstalten nicht nur kein Bedürfnis sind, sondern den öffentlichrechtlichen
Grundlagen dieser Anstalten widersprechen.
IV. Die Anstalten dieser Art, die einen Bestandteil der Provinzialverwaltung im
weiteren Sinne bilden, sind, wie oben bereits bemerkt, entweder Kreditanstalten mit
Aufgaben des Bankgeschäfts oder Versicherungsanstalten mit Aufgaben des
Versicherungsgeschäfts.
1 Vgl. hierher Löning, Verw. R., S. 678 f.agl. J. B. die Angaben im Staatshandb.,
über die öffentlichrechtlichen Rechte und Pflichten, S. 367 über die finanzielle Fundierung der Land-
der Feuerversicherungsanstalten. Der Allerhöchste schaftlichen Bank in Stettin durch die Landschaft.
Erlaß v. 18. Sept. 1861 (G. S., S. 790, und 2: S. darüber Laband, St. R. d. d. Reichs I,
das Ges. v. 31. März 1877 (G. S., S. 121) 373 ff. Auch das Reichsgericht und Koch, der
haben den Beitrittszwang zwar grundsätzlich auf- 1 dermalige Präsident der Reichsbank, stehen auf
gehoben, s. jedoch unten, S. 623, N. 1. diesem Standpunkt.