Gemischte Verwaltungsbehörden. (§. 95.) 621
standteil der Selbstverwaltung der Provinz, außerdem besteht noch die besondere
Landschaft der Provinz in Münster; die Landeskreditkasse in Kassel ist der Be-
zirkskommunalverwaltung des Regierungsbezirks Kassel eingefügt, ebenso
die Nassauische Landesbank in Wiesbaden derjenigen des Regierungs-
be zirks Wiesbaden, die Landesbank der Rheinprovinz in Düsseldorf end-
lich ebenso der provinziellen Selbstverwaltung.
Das System der Landschaften in den alten preußischen Provinzen rührt aus der
Zeit Friedrichs des Großen (Kab. O. v. 29. Aug. 1769); es stand immer in fest-
gefügter Verbindung mit der Staatsverwaltung und dies ist auch heute der Fall: allent-
halben fungieren die Oberpräsidenten als Staatskommissare unter der obersten Aufsicht
des Landwirtschaftsministers; im Rahmen dieser weitreichenden Staatsaufsicht aber sind
die Landschaften mit vollkommener Selbständigkeit in Organisation und Verwaltung sowie
mit bedeutenden Privilegien für Geltendmachung ihrer Rechte ausgestattet. Anders da-
gegen sind die Verhältnisse in den Provinzen des 19. Jahrhunderts gestaltet: Geldinstitute
der öffentlichen Verwaltung mit Bankcharakter bestehen überall; diese sind aber in der Rhein-
provinz, in Westfalen, sowie für die Bezirke Kassel und Wiesbaden vollkommen der kom-
munalen Selbstverwaltung der Provinzen beziehungsweise Bezirke eingefügt und ebenso ist
dies, wenn auch auf anderer Grundlage, der Fall in Hannover; die Landschaft für
Schleswig-Holstein ist derjenigen der alten Provinzen nachgebildet; ein Unikum ist das
von der Breslauer Regierung verwaltete, also ganz unmittelbar in Staatsverwaltung ge-
nommene Königliche Kreditinstitut in Breslau.
Die Landschaften und die ihnen analogen Institute sind Kreditbanken und betreiben
in den ihnen durch ihre Statuten gezogenen Grenzen das Bankgeschäft, wie private Ge-
werbetreibende. Aber sic haben überdies die öffentlichrechtliche Aufgabe, der
Landwirtschaft zu dienen durch Gewährung von Kredit und Beihilfen nach
Maßgabe ihres statutarischen Rechtes. Diese öffentlichrechtliche Seite ihrer,
Tätigkeit macht sie zu Bestandteilen des staatlichen Verwaltungsrechtes
ursprünglich in der Einschränkung auf Adel und Ritterschaft, späterhin in Erweiterung
auf den Grundbesitz überhaupt.
Die Entwicklung hat demgemäß in den neuen Provinzen überall einfach dahin ge-
führt, diese mit öffentlichrechtlichen Aufgaben ausgestatteten Geldinstitute
mit der Selbstverwaltung der Provinzen in Zusammenhang zu setzen und
vollständig als deren organischen Bestandteil auszugestalten. Diese Ent-
wicklung ist in hohem Grade interessant und lehrreich, sie bietet den schlagenden Beweis
dafür, daß es durchaus unrichtig wäre, die Landschaften und die ihnen gleichartigen Ein-
richtungen in erster Linie als privatrechtliche Gewerbebetriebe anzusehen. Das waren sie
nicht nach ihrer Entstehung und das sind sie nie geworden. Die letzte Stufe dieser Ent-
wicklung stellt das Breslauer Königliche Kreditinstitut dar. Es steht jedoch nicht zu er-
warten, daß die Gestaltung in Zukunft den Typus dieser reinen Staatsverwaltung an-
nehmen wird, wohl aber dürfte auch in den alten Provinzen der Ubergang der Landschaften
in die Selbstverwaltung der Provinzen ebenso innerlich gerechtfertigt wie im Interesse der
dringend wünschenswerten Vereinfachung der preußischen Verwaltung geboten sein.
Uber die „Zentrallandschaft für die preußischen Staaten“ s. oben Landwirtschafts-
ministerium, S. 417. Die Entwicklung dieses Zentralinstituts ist noch im Flusse; zur-
zeit gehören ihm an: die Landschaften von Westpreußen, Schleswig-Holstein, Pommern,
Sachsen, das Ritterschaftliche Kreditinstitut der Kur= und Neumark, das Neue Branden-
burgische Kreditinstitut, das Kreditinstitut für die Ober= und Niederlausitz.
Alle landschaftlichen, sowie alle sonstigen, dem Grundkredit dienenden Anstalten stehen
unter der Oberaufsicht des Landwirtschaftsministers, dagegen steht die dem Personal-
kredit dienende Zentralgenossenschaftskasse unter dem Finanzminister.7
Die Provinzialhilfskassen, welche als Bestandteil der provinziellen Selbstverwaltung
1 Staatshandb. 1905, S. 187 f. * Ges. v. 31. Juli 1895 mit Novellen v.
: Allerhöchster Erlaß v. 13. Aug. 1876 (G. 8. Juni 1896 u. 20. April 1898 (G. S. 1895,
S., S. 397). S. 310; 1896, S. 123; 1898, S. 67).