626 Die Staatsbehörden. (§. 96.)
Austrage. Durch die neuen Kreisordnungen wurden für die gesamte damalige Monarchie
Kreisstände geschaffen, bestimmt, die Kreisverwaltung des Landrats zu begleiten und zu
unterstützen. Zu den Rittergutsbesitzern, welche früher allein die Kreisstandschaft geübt
hatten, traten jetzt allerdings auch Abgeordnete der Städte und Landgemeinden hinzu; die
in Gemäßheit der ständischen Kreisordnungen gebildeten Kreisstände sollten gemeinschaft-
lich über die Angelegenheiten des Kreises beraten und beschließen und der Landrat ihre
Beschlüsse ausführen, aber als solcher keine Stimme auf dem Kreistage haben. Was
aber die Bestellung der Landräte betrifft, so verblieb es bei den historisch überlieferten
Zuständen, nur mit der Maßgabe, daß gemäß der Kabinettsorder v. 11. Juni 1816
die unten zu ll bezeichneten Vorschriften maßgebend waren.
Die Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 hatte sodann im Art. 105 bestimmt,
daß über die Vertretung und Verwaltung der Kreise besondere Gesetze erlassen werden
sollten, und daß dabei von dem Grundsatze auszugehen sei, a) daß aus gewählten Ver-
tretern bestehende Versammlungen über die inneren und besonderen Angelegenheiten der
Kreise beschließen, diese Beschlüsse aber durch die Vorsteher der Kreise ausgeführt werden
sollten, b) daß die Vorsteher der Kreise vom Könige zu ernennen seien. Infolgedessen
erging bereits unterm 11. März 1850 die auf diesen Grundsätzen aufgebaute Kreis-,
Bezirks= und Provinzialordnung, welche im Art. 66 alle bisherigen Gesetze über die
Kreisstände für aufgehoben erklärte, eine anderweitige Kreisvertretung, auf das Repräsen-
tativsystem gegründet, anordnete und im Art. 1 ausdrücklich vorschrieb, daß die Landräte
vom Könige ernannt werden sollten. Nachdem indes durch die beiden Gesetze v. 24. Mai
1853 der Art. 105 der Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850, sowie die Kreis-, Be-
zirks= und Provinzialordnung v. 11. März 1850 wieder aufgehoben und die früheren
Gesetze und Verordnungen über die Kreis= und Provinzialverfassungen wieder in Kraft
gesetzt worden waren, erklärte eine königliche Order v. 21. Okt. 18531 auch die bis zum
Jahre 1848 ergangenen Verordnungen über die Präsentation der Kandidaten zu den
Landratsämtern und über die Bestellung der Kreisdeputierten für wiederhergestellt.
II. Die Verordnung v. 30. April 1815 wegen verbesserter Einrichtung der Pro-
vinzialbehörden bestimmt im §. 34, daß jeder Kreis einen Landrat haben soll. Diese
Vorschrift ist im §. 36 L. V. G. wiederholt mit den Worten: „An der Spitze der
Verwaltung des Kreises steht der Landrat.“ Der Landrat wird vom Könige
aus der Zahl der nach den gesetzlichen Bestimmungen geeigneten Personen ernannt.
Die älteren Vorschriften über die Eignung zum Landratsamt waren gemäß der Kabinettsorder
v. 11. Juni 1816 folgende: „In der Regel ist künftig der Landrat aus den Guts-
besitzern des Kreises zu wählen. Die vorhandenen Kreisstände haben dazu den Regie-
rungen drei gqualifizierte Kandidaten in Vorschlag zu bringen und Ich selbst werde dem-
nächst auf den Bericht der Ministerien des Innern und der Finanzen bestimmen, ob und
wer von ihnen zum Landrat bestellt werden soll. Bei der Wahl, als auch bei den Vor-
schlägen mus besonders darauf gesehen werden, daß solche Subjekte, welche durch irgend
einige praktische Dienstleistungen, sei es als Gehilfen der Landräte oder bei einer Landes-
behörde, ihre Qualifikation einigermaßen bekundet haben, vorzugsweise berücksichtigt werden.
Wenn sich bei der Wahl nicht wenigstens zwei tadellos qualifizierte Subjekte vorfinden
sollten, so wird den Regierungen gestattet, bei ihren Vorschlägen noch außer den drei ge-
wählten Kandidaten ein Individuum, welches nicht Gutsbesitzer, aber mit den zu einer
Landratsstelle nötigen Erfordernissen ausgerüstet ist, den Ministerien zu nennen. Da
jedoch bei der jetzigen ersten Organisation der Kreisbehörden in den alten und neuen Pro-
vinzen nicht überall ein zum Landrat völlig qualifizierter, mit der Verfassung genau de-
kannter Gutsbesitzer anzutreffen sein dürfte, so will Ich gestatten, daß daselbst für jeet
die Landratsstellen auch durch andere sonst gehörig qualifizierte Personen und insbesondere
durch verdiente invalide Offiziere, deren Qualifikation auch außer Zweifel sein muß, nach
vorher von Mir erteilter Genehmigung besetzt werden können. Ob in der Folge die
1 M. Bl. d. i. Verw. 1853, S. 262. Die 2„ G. S. 1815, S. 85 ff.
Publikation dieser Order durch die Gesetsammm Kr. O. östl., §. 74, ebenso die Üübrigen Kreiék-
lung ist nicht für erforderlich erachtet worden. ordnungen.