54 Das Staatsbürgerrecht. (8. 51.)
Exemtion besteht heute in denjenigen Provinzen der Monarchie, welche 1850 den Staat
bildeten, überhaupt nicht mehr.
Gemeindeabgaben, soweit sie in der Lokal-, Provinzial= oder allgemeinen Landes-
verfassung gegründet sind, fließen in die Kasse der betreffenden Gemeinde und werden
unter standesherrlicher Aufsicht zum Besten der Gemeinde verwendet (8. 33 a. a. O.).
Nach dem geltenden Rechte ist diese standesherrliche Aufsicht als beseitigt zu betrachten.
Die Freiheit der Standesherren von Gemeindeeinkommensteuer sowie sonstigen Ge-
meindelasten dagegen ist, soweit „bestehende gesetzliche Bestimmungen“ vorhanden find,
aufrecht erhalten geblieben, kann jedoch abgelöst werden durch die Gemeinde, ohne daß
ein Widerspruch zulässig wäre.
9. Die Standesherren behalten das Recht auf die nicht aufgehobenen, aus dem
gutsherrlichen Verhältnisse hergeleiteten Dienste der standesherrlichen Untersassen ihrer
Standesherrschaft, wogegen letztere Gemeindedienste den Gemeinden, zu welchen sie ge-
hören, Staatsdienste aber nur an den Staat auf Anordnung der Staatsbehörden zu
leisten haben (§J. 34 der Instr.).
10. In Absicht auf Erhebung und Beitreibung der von den Standesherren zu be-
ziehenden Nutzungen und Abgaben, wie auch ihrer liquiden Domänengefälle, bei letzteren
jedoch nur auf einen zweijährigen Rückstand, desgleichen zu ordnungsmäßiger Benutzung
der ihnen zu leistenden Rustikaldienste, genießen die standesherrlichen Behörden, bei gleichen
Pflichten, dieselben Rechte, welche den für die Erhebung solcher Abgaben und Dienste
angeordneten Staatsbehörden zukommen? (§F. 35 der Instr.).
11. In Rechtsstreitigkeiten eines Standesherrn mit seinen Domanialpächtern, Ab-
gabe= oder Dienstpflichtigen, Schuldnern und Gläubigern können diejenigen seiner
Domanial-, Rent= oder Verwaltungsbehörden, in deren amtlichen Wirkungskreis die Sache
einschlägt, für ihn als Haupt= oder Nebenpartei gerichtlich auftreten.
Diese bedürfen
hierzu keiner besonderen Legitimation, wenn die Behörde ein standesherrliches Kollegium
bildet, oder der Einzelne für sein Amt gerichtlich verpflichtet ist" (§. 36 der Instr.).
Regier. zu Koblenz v. 16. Mai 1861), mit dem
Fürsten zu Solms-Braunfels v. 22. Nov. 1861,
§. 15 (ebendas. v. 3. Juli 1862) und mit dem
Fürsten zu Solms-Hohensolms-Lich v. 22. Juli
1862, §. 8 (ebendas., 1863) ist (unter Bezug-
nahme auf den §. 32 der Instr. v. 30. Mai
1820) dem Ausscheiden der fürstlichen Familien
und Besitzungen aus dem Kommunalverbande
eine neue vertragsmäßige Bestätigung gegeben
worden. Dies hat der Beschluß des Abg. H. v.
9. Mai 1865 (Stenogr. Ber. 1865, Bd. II, S.
1409) als dem G. v. 10. Juni 1854 nicht ent-
sprechend erklärt.
1 Anders dagegen für
Nassau, s. S. 66 ff.
22 Kom. Abgab. G. v. 14. Juli 1893 (G. S.,
S. 152) §. 40, Abs. 3, über Ablösung §§. 21, 22,
vgl. auch §. 24 (Realsteuer), §. 68 (Naturaldienste).
Der gegenwärtige Rechtszustand ist dargelegt in
der Ausf. Anw. v. 10. Mai 1894, Art. 25,
Nr. 2c, Abs. 2, sowie bei Schön, Recht d.
Komm. V., S. 237, Nr. 5. Uber Forensal-
einkommen der Standesherren und dessen Be-
steuerung Entsch. d. O. V. G. XVIII, S. 79,
XXIV., S. 111 u. Schön, a. a. O.; darnach
ist die Befreiung der Standesherren von perfön-
lichen Gemeindesteunern den Forensalgemeinden
gegenüber bereits durch das Kom. Abgab. G. v.
27. Juli 1885 als aufgehoben zu betrachten;
daran hat — Entsch. d. O. V. G. XXXV,
S. 142 ff. — das Kom. Abgab. G. vom 14. Juli
1893 nichts geändert; die anderweitige An-
die Provinz Hessen-
nahme der Ausf. Anw., der auch bei der Be-
ratung im H. H. Ausdruck gegeben wurde,
„dast es die Absicht des Gesetzes gewesen sei, die
Befreiung der Standesherren in dem vollen Um-
fange anerkannt zu sehen“, weist das O. V. G.
mit zutreffenden Gründen in Ubereinstimmung
mit Schön, a. a. O., zurück.
3 Der §. 35 der Instr. v. 30. Mai 1820 gibt
den Standesherren nur die Befugnis, die im
§. 42, Nr. 1 der Verordn. v. 26. Dez. 1808
erwähnten Revenüen, Abgaben und Dienste ohne
prozessualisches Verfahren beitreiben, nicht aber
auch Rückstände, welche aus Kauf-, Pacht= oder
sonstigen Verträgen herrühren, durch sofortige
Exekution einziehen zu lassen (Reskr. der Min. des
Inn. u. der J. v. 6. Aug. 1830, v. Kampt,
Ann., Bd. XIV, S. 491). Das standesherrl.
Exekutionsrecht beschränkt sich auf das standes-
herrl. Territorium (Reskr. des Min. d. Inn.
v. 5. Juli 1830, ebendas. S. 439). Der Beschl.
des Abg. H. v. 9. Mai 1865 hat angenommen,
daß die Wiederherstellung des Rechts der Media-
tisierten zur exekutivischen Beitreibung ihrer Do-
mänengefälle im Verwaltungswege mit dem G.
v. 10. Juni 1854 nicht vereinbar sei.
* Dies Privilegium, welches auf Grund der
Art. 4 u. 42 der Verf.-Urk. für erloschen zu er-
achten war, ist durch den Allerh. Erlaß v. 9. Okt.
1854 (G. S. 1854. S. 540) für noch fortbe-
stehend erklärt worden. Der §. 37 der Instr. v.
30. Mai 1820 schreibt noch vor, daß die standes-
herrl. Untersassen als Landesuntertanen dem König