Der Laudrat. (8. 96.) 631
tierenden Kandidaten die Mehrheit der Stimmen erlangt haben, ist dem Könige anzuzeigen,
jedoch ist die unter den Präsentierten zu treffende Wahl hiervon ganz unabhängig.!
Insofern nach dem älteren Rechte die Wählbarkeit zum Landratsamte von dem Be-
sitze eines bestimmten Grundeigentums abhängig war, mußte dieser Besitz auch während
der Dauer des Amtes beibehalten werden; mit dem Aufhören eines zur Wählbarkeit als
Landrat befähigenden Grundbesitzes war die Verpflichtung zur Niederlegung des landrät-
lichen Amtes unmittelbar verbunden; indes war in geeigneten Fällen die königliche Dis-
pensation hiervon auf Antrag des Ministers des Innern vorbehalten." Diese Bestimmung
kann indes auf dicjenigen Provinzen, für welche die Kreisordnung v. 13. Dez. 1872
Geltung hat, zufolge der Vorschriften des §. 74 derselben keine Anwendung mehr finden,
und für die Provinz Posen aus dem Grunde nicht, weil für diese das Präsentationsrecht
der Kreisstände suspendiert ist und die Landrete lediglich vom Rönige ernannt werden.
Ebenso ist sie jetzt auch für die übrigen Provinzen gegenstandslos und die Befähigung
zur Bekleidung des Landratsamtes nirgends mehr von Grundbesitz abhängig.
Kein Präsentationsrecht des Kreistags besteht zurzeit in Posen 3, ebenso für die
Oberamtmänner in Hohenzollern. Das Landratsamt des Landkreises Frankfurt a. M.
ist mit dem Polizeipräsidium der Stadt verbunden.
III. Die Landräte sind Staatsbeamte und als solche Organe der
Regierungen und diesen zum Gehorsam verpflichtet.? Sie sind aber
andererseits auch nach der geschichtlich hergebrachten Bedeutung ihres Amtes Vermittler
zwischen dem Staate und den Staatsbürgern und in dieser Beziehung Vertreter ihrer
Kreiseingesessenen. Ihrer Aufsicht ist der ganze Kreis unterworfen, jedoch mit Ausnahme
derjenigen Städte, welche eigene Kreise bilden." Sie stehen in ihren allgemeinen Dienst-
verhältnissen unter der Regierung nach Verschiedenheit der den Abteilungen derselben über-
tragenen und durch die Regierungsinstruktion abgegrenzten Verwaltungszweige!7, in Hinsicht
ihrer persönlichen Amtsstellung sind sie den Regierungspräsidenten untergeordnet.
Sie
Kommissarien haben solches den Kandidaten im
Wahltermine oder unmittelbar nachher abzufor-
dern und den Wahlverhandlungen beizufügen
(Reskr. desselb. Min. v. 14. Mai 1839, a. a. O.,
Bd. XXIII, S. 278). Dasselbe muß die voll-
ständigen Vornamen. Datum und Ort der Ge-
burt, sowie die Konfession enthalten, sich auch über
die Militärverhältnisse des Kandidaten aussprechen
Zirk. Reskr. des Ministers des Inn. v. 31. Mai
1858; Rauer, Neuere ständ. Gesetzgeb., S. 505,
Anm. 116). Das ritae curriculum soll dem
Berichte an den Min. des Inn. beigefügt wer-
den und der Bericht sich auch über die politische
Haltung und Zuverlässigkeit der Kandidaten mit
Bestimmtheit äußern (Zirk. Restr. desselb. Min.
v. 5. Nov. 1853, M. Bl. d. i. Verw. 1853,
S. 261—262).
1 Kab. O. v. 23. März 1803 (v. Kampp,
Ann., Bd. XIV, S. 16, Bergius, Gesetzsamm-
lung, S. 343). Die Kab. O. v. 21. Okt. 1853
(M. Bl. d. i. Verw. 1853, S. 262) spricht gleich-
falls aus, daß unter den präsentierten Kandidaten
durch die Reihenfolge oder grösßere Stimmenzahl
kein Vorrang bei der Ernennung begründet wird.
Das Zirk. Neskr. des Min. des Inn. v. 29. Mai
1538 v. Kampt, Ann., Bd. XXII, S. 265)
fordert die Regierungen auf, in allen Fällen, wo
sich ungehörige Einflüsse geltend gemacht haben
sollten, um auf die Stimmenmehrheit einzuwirken,
in ihren Berichten über die Wahlen davon An-
zeige zu machen, damit darauf bei der Bestätigung
Rücksicht genommen werden könne.
: Kab. O. v. 23. März 1339 (G. S. 1839,
S. 1504).
2 Kab. O. v. 2. Febr. 1833 bei v. Kampt.
Ann., Bd. XVII, S. 33, Regul. v. 13. Mai 1838
(G. S., S. 423), Ges. v. GC. Juni 1887 (G. S.,
S. 1970, §. 5.
Hess.-nass. Kreis-O., 88. 30, 33.
* Verordnung v. 30. April 1815, §§. 33
u. 44. — Uber den Wohnsitz der mit Gütern
im Kreise angesessenen Landräte und darüber, wo
die landrätlichen Bureaus sich befinden sollen,
ogl. die Kab. O. v. 30. Mai 1840 (M. Bl. d.
i. Verw. 1840, S. 136) und die Restkr. des Min.
des Inn. v. 17. Sept. 1843 (a. a. O. 1843,
S. 255), 3. Aug. 1844 (a. a. O. 1844, S. 218),
4. Aug. 1845 (a. a. O. 1845, S. 197), 16. Juli
1848 (a. a. O. 1848, S. 218), desgl. v. 16. Dez.
1861 mit der Kab. O. v. 4. Dez. 1861 (M. Bl.
d. i. Verw. 1862, S. 1—2). Vgl. auch §. 8
der Instr. für die Landräte v. 31. Dez. 1816.
— Uber den Geschäftskreis und die Dienstpflich-
ten der Landräte erteilt diese Instruktion spezielle
Vorschriften in den 5S. 10 —56. Vgl. darüber
auch: v. Richthofen, Handbuch für Landräte
und Lokalpolizei, 2. Aufl., Breslau 1838)0. —
Handbuch für preuß. Landräte in ihrem amtlichen
Wirkungzskreise, ingleichen für Kreisdeputierte usw.
(Berlin, 1835).
* Verordnung v. 30. April 1815, §8. 36—38.
Jetzt über die Stadtkreise L. V. G., §. 37 ff., Kreis-O.
östl., S§. 4 ff., 169 ff.; s. dazu oben, S. 332.
* Instr. für die Landräte v. 31. Dez. 1816,
8. 6, wonach der Landrat allein von der Regie-
rung Verfügungen zu erhalten und dahin seine
Berichte zu erstatten hat, im Falle ihm aber von
höheren Behörden unmittelbar Aufträge erteilt