Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Der Landrat. (8. 96.) 633 
des Landrats nicht durch die Kreisordnung abgeändert sind, bei den darüber bestehenden 
Vorschriften auch ferner sein Bewenden behält, und daß demgemäß der Landrat auch 
ferner die gesamte Polizeiverwaltung im Kreise und in dessen einzelnen Amtsbezirken, 
Gemeinden und Gutsbezirken zu überwachen hat.! Diese Vorschriften gelten jetzt in 
allen Provinzen der Monarchie in vollkommen übereinstimmender Weise. 
IV. Zur Mitwirkung bei den Geschäften der Verwaltung nach näherer Vorschrift 
der Gesetze besteht für den Kreis am Amtssitze des Landrats der Kreisausschuß, 
welcher a) zur Verwaltung der kommunalen — Selbstverwaltungs- Angelegenheiten 
des Kreises und b) der Wahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung 
berufen ist. ¾ Der Kreisausschuß besteht aus dem Landrate und sechs Mitgliedern, welche 
vom Kreistag aus der Zahl der Kreisangehörigen nach absoluter Stimmenmehrheit ge- 
wählt werden und für deren Wählbarkeit die für die Wahlberechtigung im F. 96 der Kreis- 
ordnung gegebenen Bestimmungen gelten.“ Es können jedoch Geistliche, Kirchendiener und 
Elementarlehrer nicht Mitglieder des Kreisausschusses sein, und richterliche Beamte, zu 
denen die technischen Mitglieder der Handels-, Gewerbe= und ähnlicher Gerichte nicht zu 
zählen sind, nur mit Genehmigung des vorgesetzten Ministers. Der Landrat leitet und 
beaufsichtigt den Geschäftsgang des Kreisausschusses und sorgt für die prompte Erledigung 
der Geschäfte"; er beruft den Kreisausschuß und führt in demselben den Vorsitz mit 
vollem Stimmrechte.' Diese Vorschriften gelten jetzt nach Maßgabe der besonderen Kreis- 
ordnungen auch in allen übrigen Provinzen der Monarchie. 
Nur für Posen gelten gemäß Art. IV des Gesetzes v. 19. Mai 1889 (G. S., 
S. 108) wesentlich abweichende Vorschriften, nach denen der Selbstverwaltung sehr viel 
engere Grenzen gezogen sind. Die Mitglieder des Kreisausschusses außer dem Landrat 
werden nämlich hier vom Oberpräsidenten aus der Zahl der Kreisangehörigen ernannt; 
der Kreistag hat allerdings eine Liste der für den Kreisausschuß geeigneten Personen 
aufzustellen; der Oberpräsident kann aber mit Zustimmung des Provinzialrates, welche 
eventuell auf Antrag des Oberpräsidenten durch den Minister des Innern ergänzt werden 
kann, auch Personen in den Kreisausschuß berufen, die nicht auf der Kreistagsliste stehen. 
Hinsichtlich der Geistlichen, Kirchendiener, Elementarlehrer und Richter gelten die gleichen 
Vorschriften wie für die übrigen östlichen Provinzen (§. 10. Zu Mitgliedern des Rreis- 
ausschusses können nur Personen ernannt werden, welche 1. die deutsche Staatsangehörig- 
keit besitzen, 2. selbständig sind, 3. das 21. Lebensjahr vollendet haben und 4. sich im 
Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte befinden (§. 2). Die Mitglieder des Kreisausschusses 
werden mit der Maßgabe ernannt, daß alle zwei Jahre ein Drittel ausscheidet, jedoch 
wieder ernannt werden kann; die Mitglieder werden vom Vorsitzenden vereidigt; sie können 
auf dem Disziplinarwege ihres Amtes enthoben werden in dem durch V. V. G., §. 39 
vorgeschriebenen Verfahren. Die Ernennung verliert ihre Kraft, wenn eine der gesetz- 
lichen Bedingungen (§. 2) weggefallen ist; hierüber beschließt der Kreisausschuß, gegen 
dessen Beschluß sowohl der Betroffene wie der Landrat Klage beim Bezirksausschuß er- 
heben kann (8. 3). 
Der Kreisausschuß ist in Posen nur dann Organ der Kreiskommunalverwaltung, wenn 
er vom Kreistage durch ausdrücklichen Beschluß mit diesen Funktionen betraut ist?; die 
Polizeidistriktskommissarien wie die Gemeinde= und Gutsvorsteher haben seinen Weisungen 
Folge zu leisten (Art. IV, §S. 6). 
  
  
1 S. 77 der Kr. O. v. 13. Dez. 1872 5 F. 131, Abs. 2 a. a. O. 
(19. März 1881). * Kr. O., S. 133. 
2 L. V. G., S. 4. 7 L. V. G., §. 34. 
* 9. 130 der Kr. O. v. 13. Dez. 1872 
(19. März 1831). Nach §. 134, Ziffer 5 a. a. O. 
hat der Kreisausschuß von den Geschäften der 
allgemeinen Landesverwaltung diejenigen zu führen, 
welche ihm durch Gesetz übertragen werden. Uber- 
einst. die übrigen Kreisordnungen; s. Schön, Recht 
d. Komm. Verb., S. 400 f. die genauen Angaben. 
* 5. 131, Abs. 1 a. a. O. 
  
* §. 136 der Kr. O. v. 13. Dez. 1872 
(19. März 1881), rhein. u. westf. S. 80, hannöv. 
8. 92, hefs.-nass., §. 93, schlesw. holst. S. 123, 
Posen, Ges. v. 19. Mai 1889, Art. IV, é. 4. 
* Ges. v. 19. Mai 1339, Art. V, Bd. II; s. 
dazu Schön, Recht d. Komm. Verb., S. 406. 
Über die Bildung des Kreistags s. auch Ges. v. 
4. Aug. 1904 (G. S., S. 241).
	        
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