Der Landrat. 635
G. 96.)
den Kreissekretär, ist unstatthaft, ebenso im Vorsitz des Kreisausschusses; eventuell hat hier
ein vom Kollegium aus seiner Mitte zu wählendes Mitglied den Vorsitz zu übernehmen.
. Abgesehen von den Rreisdeputierten kann aber bei Erledigung des Landratsamtes
oder lange andauernder Behinderung des Inhabers eine Stellvertretung des Landrats
durch einen Beamten angeordnet werden; in dieser Hinsicht besteht eine ganz allgemeine
Befugnis der Regierung, gleichgültig tob die Kreisdeputierten zur Übernahme der Ver-
tretung bereit sind oder nicht.1
In jedem landrätlichen Kreise sollen in der Regel zwei Kreisdeputierte sein, doch
genügt in dem Falle, wenn an wählbaren Personen Mangel ist, ausnahmsweise auch ein
einziger. Für das Wahlverfahren kommen die Vorschriften des Reglements v. 22. Juni
1842 über das Verfahren bei den ständischen Wahlen s, soweit dieselben die eigentliche
Wahlform betreffen, zur Anwendung. Wird die Annahme des Amtes abgelehnt, so
haben die Kreisstände eine andere Wahl vorzunehmen; sollte sich aber kein qualifizierter
und zur Annahme des Anmtes bereiter Gutsbesitzer finden, so muß die Anstellung des
Kreisdeputierten so lange, bis sich ein solcher findet, ausgesetzt bleiben." Die Be-
stätigung der erwählten Kreisdeputierten gebührt dem Oberpräsidenten, welcher sie aus
bewegenden Gründen, worüber nur dem Ministerium Rechenschaft zu geben ist, ver-
sagen kann.? In diesem Falle muß zu einer neuen Wahl geschritten werden." —
Da die Stellung der Kreisdeputierten auf einem aus dem Vertrauen der Kreisstände her-
vorgehenden Auftrage beruht, so erlischt ihr Amt von selbst, sobald die körperliche oder
geistige Unfähigkeit, den Auftrag zu erfüllen, festgestellt is.“ Wo übrigens auf Grund
des Gesetzes oder eines Beschlusses der betreffenden ständischen Versammlung die Ent-
ziehung oder Suspension der ständischen Rechte gegen einen Rittergutsbesitzer eintritt, hat
dies auch den Verlust der Funktion als Kreisdeputierter zur Folge. Diese Vorschriften
sind seit Erlaß der Kreisordnungen gegenstandslos.
Wenngleich die Vertretung des Landrats in Behinderungsfällen in der Regel durch
einen der beiden Rreisdeputierten zu erfolgen hat, so ist hierdurch doch nicht ausgeschlossen,
diese Vertretung durch einen geübten Regierungsreferendarius bewirken zu lassen.
1 Nach dem Wortlaut des Gesetzes könnte dies
zweiftihaft erscheinen, s. aber Entsch. d. O. V. G.,
Bd. X, S. 31.
* Vgl. e. v. 17. März 1828, §. 2, Regl.
v. 20. April 1829, §. 2.
„ Vgl. §. 13 des Regl. v. 22. Juni 1842
(G. S. 1842, S. 215) u. Zirk. Reskr. des Min.
des Inn. v. 22. Sept. 1845 (Rauer, Stän-
dische Gesetzgeb., neue Folge, S. 274, Zus. 1704).
* Vgl. preuß. Landtags-Absch. v. 3. Mai 1832
(v. Kamptz, Ann., Bd. XVI, S. 543), welcher
zugleich ausspricht, daß die Stelle eines Kreis-
deputierten als ein Ehrenamt zu betrachten ist,
zu dessen Annahme niemand gezwungen werden
kann. Vgl. aber jetzt östl. Kr. O., S. 8, und
ebenso die übrigen Kreisordnungen.
Es ist ein genügender Grund, die Bestäti-
gung zu versagen, wenn der Regierung die Uber-
zeugung beiwohnt, daß dem Gewählten die er-
forderliche Qualifikation abgeht. Förmliche Prü-
fungen der Kreisdeputierten finden nicht statt
(Reskr. des Min. des Inn. v. 16. März 1827,
v. Kampt, Ann., Bd. Xl, S. 1870. Der Ober-
präsident ist verpflichtet, sich über die Qualifikation
der Erwählten, ohne indes eine förmliche Prüfung
zu veranlassen, zu unterrichten: unter allen Um-
stünden aber ist die Bestätigung nur in dem
Falle zu erteilen, wenn der Vorgeschlagene, bei
einer ehrenhaften und politisch zuverlässigen Per-
sönlichkeit, mit den Lokal= und andern Verhaält-
nissen des betr. Kreises genau vertraut ist und
sich wenigstens im Besitze einer allgemeinen
wissenschaftlichen Bildung befindet (Restkr. desselb.
Min. v. 8. Sept. 1854, M. Bl. d. i. Verw. 1854,
S. 166).
* Vgl. Regl. v. 17. März 1828, §S. 5, Regl.
29. April 1829, §. 5, Restr. des Min. des
24. Okt. 1853 (M. Bl. d. i. Verw. 1853,
. -* *
nn. v.
. 20 62.
Dies spricht das Reskr. des Min. des Inn.
v. 17. Sept. 1846 (Rauer, a. a. O., neue Folge,
S. 277, Zus. 1718) mit dem Bemerken aus,
daß, wenn in diesem Falle der Kreisdeputierte
binnen einer ihm zu setzenden Frist sich nicht
selbst bereit erklärt auszuscheiden, derselbe von
seiner Funktion ohne weiteres zu entbinden und
auf dem nächsten Kreistage ein anderer Kreis-
deputierter zu wählen sei.
* Die Kab. O. v. 27. Juni 1845 (Rauer,
u. u. O., Zus. 1075) hatte vorgeschrieben, daß über
die Ausschließung unwürdiger oder untüchtiger
Kreisdeputierter von der Vertretung der Landräte
bei einstweiligen Behinderungen der letzteren die
königl. Entscheidung eingeholt werden solle, aus-
genommen, wenn die Entfernung solcher Kreis-
deputierten durch stattgefundene Ausschließung
vom Stimmrechte wegen Bescholtenheit seitens der
Kreisversammlung selbst herbeigeführt wird. Seit
Erlaß des Gesetzes v. 23. Juli 1847 über die
Entziehung oder Suspension ständischer Rechte
wegen bescholtenen oder angefochtenen Rufes (G.
S. 1X47, S. 279) kommen indes dessen Bestim-
mungen auch auf Lreisdepunterte zur Anwendung.
° Das durch die RKab. v. 27. Febr. 1816