644 Die Staatsbehörden. (8. 98.)
der Stadt und sind als solche insbesondere auch dazu bestellt, die Gesetze und Verord-
nungen, sowie die Verfügungen der ihnen vorgesetzten Behörden auszuführen.: In Neu-
vorpommern und Rügen sind die Stadtmagistrate gleichfalls nach Maßgabe der wieder-
hergestellten bisherigen Stadtverfassungen? die Organe der Lokalverwaltung.
Außerdem sind in diesen Landesteilen dem Bürgermeister als solchem nach näherer
Bestimmung der Gesetze folgende Geschäfte übertragen: 1. wenn die Handhabung der
Ortspolizei nicht königlichen Behörden übertragen ist (s. unten II.) a) die Handhabung
der Ortspolizei ?2, b) die Verrichtung eines Hilfsbeamten der gerichtlichen Polizei“,
) die Verrichtung eines Amtsanwalts 5, vorbehaltlich der Befugnis der Behörde, in den
Fällen zu a und b andere Beamten mit diesen Geschäften zu beauftragen "; 2. alle ört-
lichen Geschäfte der Kreis-, Bezirks-, Provinzial= und allgemeinen Staatsverwaltung, so-
fern nicht andere Behörden dazu bestimmt sind.?
In den Städten der östlichen Provinzen und der Provinz Westfalen können einzelne
dieser Geschäfte mit Genehmigung der Regierung einem anderen Magistratsmitgliede über-
tragen werden; in den Städten der Rheinprovinz können in gleicher Weise die dem Bürger-
meister zur Seite stehenden Beigeordneten amtlich verwendet werden.
In den Städten der Provinz Schleswig-Holstein ist der Magistrat die Obrigkeit
der Stadt und hat als solche innerhalb des Stadtbezirks auf Befolgung der bestehenden
Gesetze und Verordnungen zu achten, die Aufträge der vorgesetzten Behörde auszuführen,
sowie auch das gesamte Stadtwesen zu beaufsichtigen und die deshalb erforderlichen
obrigkeitlichen Maßnahmen zu treffen. In allen diesen Beziehungen ist der Magistrat
unabhängig von der Stadtgemeinde, an die Mitwirkung der Stadtverordnetenversammlung
nicht gebunden und nur den vorgesetzten Staatsbehörden untergeordnet und verantwort-
lich.? Die örtliche Polizeiverwaltung wird von dem Bürgermeister, beziehentlich bei dessen
Verhinderung von dem Beigeordneten geführt, kann aber auch einem anderen Mitgliede
des Magistrats von der Regierung übertragen werden. 10 Die Regierung ist befugt, dem
Bürgermeister auch folgende Geschäfte zu übertragen: a) wenn die Handhabung der Orts-
polizei nicht einer besonderen staatlichen Behörde beigelegt ist, die Verrichtungen eines
Hilfsbeamten der gerichtlichen Polizei und die eines Amtsanwalts; dem Bürgermeister
am Sitze eines Amtsgerichts kann die Vertretung der Amtsanwaltschaft bei dem Gerichte
auch für andere, beziehentlich für sämtliche Gemeinden des Bezirks gegen Entschädigung
übertragen werden; b) alle örtlichen Geschäfte der Kreis-, Provinzial= und allgemeinen
Staatsverwaltung, sofern nicht andere Behörden dazu bestimmt sind. In allen diesen
Geschäften (zu a und b) ist der Beigeordnete verpflichtet, den Bürgermeister zu vertreten;
1 Städte-O. für die sechs östlichen Provinzen
v. 30. März 1853, §. 10 und §. 56, Nr. 1,
Städte-O. für die Provinz Westfalen v. 19. März
1856, §. 10 und 56, Nr. 1, Städte-O. für die
Rheinprovinz v. 15. Mai 1856, §. 9 und 53, Nr. 1.
Vgl. Schön, Recht der Komm. Verb., S. 118 ff.
Jebens, Der Magistrat als Ortsobrigkeit,
Preuß. Verw. Bl. XXIII, S. 373.
* G. v. 31. Mai 1853, betr. die Verfassung
der Städte in Neuvorpommern und Rügen (G.
S. 1853, S. 2919.
* Vgl. Schön, S. 207 und die dort zitierte
Literatur (N. 4).
* G. V. G., §. 153, dazu preuß. A. G. v.
24. April 1878, §§. 80, 81, dazu Min.-Erlaß
v. 15. Sept. 1879 (M. Bl. d. i. Verw., S. 265),
20. Dez. 1879 (ebenda 1880, S. 28) und die
Disziplinargewalt der Staatsanwälte betr. v.
7. Okt. 1879 (M. Bl. 1880, S. 2). Der starke
Einfluß, den durch diese Vorschriften die Staats-
anwaltschaft auf die Verwaltung zu üben in der
Lage ist, hat schwere Bedenken und widerspricht
sicher dem Prinzip der Trennung von Justiz und
Verwaltung.
5 Agl. G. V. G., §. 143, preuß. A. G. z. G.
V. G. v. 24. April 1878 (G. S., S. 230), S. 64.
* Auch kann hier dem Bürgermeister am Sitze
eines Gerichts die Vertretung der Amtsanwalt-
schaft bei dem Gerichte auch für die übrigen Ge-
meinden des Gerichtsbezirks gegen angemessene
Entschädigung übertragen werden (vgl. die in der
folgenden Note angezogenen gesetzlichen Be-
stimmungen).
7 Städte-O. v. 30. März 1853, §. 62, Städtr-
O. v. 19. März 1856, §. 62, Städte-O. v.
15. Mai 1856, §. 57. — Die Führung der
Personenstandsregister erfolgt jetzt nach Maßgabe
des Reichsges. v. 6. Febr. 1875 über die Be-
urkundung des Personenstandes und die Ehe-
schließung (R. G. Bl. 1875, S. 23 ff.) durch
besondere Standesbeamte, die aber der Kommn-
nalverwaltung eingefügt sind.
s Städte O. für die Rheinprov., S. 28.
8. 58—59 des G. v. 14. April 1869, betr.
die Verf. und Verw. der Städte und Flecken in
der Provinz Schleswig-Holstein (G. S. 1869.
S. 605).
°% S. 89, Abs. 1 a. a. O.