Die Behörden für die Ausübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. (8. 101.) 661
höher als fünfzehn, so kann die Dienstaufsicht zwischen mehreren von ihnen geteilt werden.
Hilfsrichter können bei den Amtsgerichten frei bestellt werden; das Reichsrecht schließt
nicht aus, daß hierfür selbst Personen berufen werden, die die Fähigkeit zum Richteramt
nicht haben. In besonderer Weise sind durch Gesetz v. 10. April 1892 (G. S.,
S. 77) diese Verhältnisse beim Amtsgericht I und dem Landgericht I in Berlin ge-
ordnet; dem ersteren steht ein Amtsgerichtspräsident3 vor, der vom König ernannt wird
und die Dienstaufsicht über die nichtrichterlichen Beamten führt, sowie über die richter-
lichen Beamten die Befugnisse des Landgerichtspräsidenten gemäß den Gesetzen v. 7. Mai
1851 und 9. April 1879 hat; der Landgerichtspräsident kann die ihm zustehende Aufsicht
durch die ihm unterstellten Direktoren ausüben; durch Gesetz v. 16. Sept. 1899 (G. S.,
S. 391), §. 3 wurden auch die Präsidenten der Landgerichte II und III in Berlin mit
den gleichen Rechten ausgestattet. Das Gesetz v. 16. Sept. 1899 ist am 1. Juni 1906
in Kraft getreten (königl. Verordn. v. 7. Nov. 1904, G. S., S. 281).
2. Durch den Justizminister kann die Abhaltung von Gerichtstagen außerhalb
des Gerichtssitzes angeordnet werden.“
3. Für die Verhandlung und Entscheidung von Strafsachen werden bei den Amts-
gerichten Schöffengerichte gebildet, welche aus dem Amtsrichter als Vorsitzenden und
zwei Schöffen bestehen.¾ Sie sind keine selbständige Organisation, sondern nur „eine
prozessuale Form der Amtsgerichte"“ (Laband). Die Schöffen üben während
der Hauptverhandlung das Richteramt in vollem Umfange und mit gleichem Stimmrechte
wie der Amtsrichter aus und nehmen auch an denjenigen, im Laufe einer Hauptverhand-
lung zu erlassenden Entscheidungen teil, welche in keiner Beziehung zu der Urteilsfällung
stehen, und welche auch ohne vorgängige mündliche Verhandlung erlassen werden können.“
Die außerhalb der Hauptverhandlung erforderlichen Entscheidungen werden von dem Amts-
richter erlassen.“' Das Amt eines Schöffen ist ein Ehrenamts; dasselbe kann nur von
einem Deutschen versehen werden, die Einzelstaatsangehörigkeit ist aber dafür gleichgültig."
Gewisse Personen sind zu diesem Amte unfähig, nämlich solche, welche die Befähigung
infolge strafgerichtlicher Verurteilung verloren haben, oder gegen welche das Hauptverfahren
wegen eines Verbrechens oder Vergehens eröffnet ist, das die Aberkennung der bürger-
lichen Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Amter zur Folge haben
kann, und solche, welche infolge gerichtlicher Anordnung in der Verfügung über ihr Vermögen
beschränkt sind 10; Mitwirkung von solchen Personen ist eine die Revision begründende
Gesetzesverletzung. Andere Personen sollen zu dem Amte eines Schöffen nicht berufen
werden, nämlich Personen, welche zur Zeit der Aufstellung der Urliste das dreißigste Lebens-
jahr noch nicht vollendet haben; welche zur Zeit der Aufstellung der Urliste den Wohnsitz
in der Gemeinde noch nicht zwei volle Jahre haben; welche für sich oder ihre Familie
des an sich zuständigen Gerichts nach §. 36 der
D. Zidvilprozeß-O. und §. 15 der D. Strafpro-
zeß O. die Verhandlung und Entscheidung von
dem Landgerichte dem gleichstehenden Gerichte
eines anderen Bezirks übertragen wird. — An-
gelegenheiten, auf welche die gedachten Bestim-
mungen der Prozeßordnungen keine Anwendung
finden, können, wenn die Vertretung nicht durch
Richter desselben Amtsgerichts geschehen kann,
von dem Oberlandesgerichte einem anderen Amts-
gerichte zugewiesen werden (. 24, Abs. 3 des
Ausführ. Ges. v. 24. April 1878). Die näheren
Anordnungen über die Vertretung durch Richter
benachbarter Amtsgerichte hat der Just. Min.
durch das Zirk. Reskr. v. 10. Sept. 1879 Just.
Min. Bl. 1879, S. 340) erteilt.
1 g. 22, Abs. 2 des D. Gerichtsverf. Ges. und
§. 79 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878.—
Die Angelegenheiten der Justizverwaltung werden
Reskr. des Just. Min. v. 21. Juli 1879 zu 1,
Just. Min. Bl. 1879, S. 198.)
1 Gerichtsverf. Ges., §. 10, dazu Laband III,
S. 406.
5 Allerhöchster Erlaß v. 9. Mai 1892 (G. S.,
S. 105) 3. Rangklasse.
* §. 22 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878.
5 §§. 25 und 26 des D. Gerichtsverf. Ges.;
Struckmann und Koch II, S. 513 ff.; La-
band III, S. 439 ff.: „Der gesetzliche Gerichts-
dienst"; H. Seuffert: Erört. über d. Besetzung
der Schöffen= und Schwurgerichte (1879).
* F. 30, Abs. 1 a. a. O.
7 §S. 30, Abs. 2 a. a. O.
* Die Schöffen erhalten jedoch Vergütung der
Reisekosten (§. 55 a. a. O., §. 36 des Ausführ.
Ges. v. 24. April 1878).
ↄ 8. 31 des D. Gerichtsverf. Ges., s. dazu über
Ausländer und Einzelstaatsangehörigkeit La-
von demjenigen Amtsrichter bearbeitet, welchem band III, S. 440.
die allgemeine Dienstaufsicht übertragen ist. (Zirk.
1% S. 32 au. a. O.