Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

664 Die Staatsbehörden. (8. 101.) 
bb) Zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehören: alle Übertretungen; diejenigen 
Vergehen, welche nur mit Gefängnis von höchstens drei Monaten oder Geldstrafe von 
höchstens sechshundert Mark, allein oder neben Haft, oder in Verbindung miteinander, 
oder in Verbindung mit Einziehung bedroht sind 1; die nur auf Antrag zu verfolgenden 
Beleidigungen und Körperverletzungen, wenn die Verfolgung im Wege der Privatklage 
geschieht; die Vergehen des Hausfriedensbruchs gemäß §. 123, Abs. 3, der Bedrohung 
im Falle des §. 241, des strafbaren Eigennutzes in den Fällen der §§. 290, 291, 29# 
des Reichsstrafgesetzbuches, sowie des §. 93, Abs. 3 der Seemannsordnung v. 2. Juli 
1902, des einfachen Diebstahls, der einfachen Unterschlagung, des einfachen Betrugs, 
der einfachen Sachbeschädigung, wenn in diesen Fällen der Wert des Gestohlenen, des 
Unterschlagenen, der Schaden 150 Mark nicht übersteigt?; das Vergehen der Be- 
günstigung und das Vergehen der Hehlerei in den Fällen des §. 258, Nr. 1 
(Hehlerei bei einfachem Diebstahl, einfacher Unterschlagung) und des §. 259 (Verheim- 
lichung, Ankauf usw. mittels einer strafbaren Handlung erlangter Sachen) des Reichs- 
strafgesetzbuches, wenn die Handlung, auf welche sich die Begünstigung oder die Hehlerei 
bezieht, zur Zuständigkeit der Schöffengerichte gehört; für die Zuwiderhandlungen gegen 
das Feld= und Forstpolizeigesetz v. 1. April 1880.4 Für die Zuwiderhandlungen gegen 
das Gesetz, betreffend den Forstdiebstahl, v. 15. April 18785 sind die Amtsgerichte zu- 
ständig; dieselben verhandeln und entscheiden außer in den Fällen des Forstdiebstahls 
unter erschwerenden Umständen oder im dritten und ferneren Rückfalle ohne die Zuziehung 
von Schöffen.“ Vor die Schöffengerichte gehören endlich auch diejenigen Strafsachen, 
deren Verhandlung und Entscheidung ihnen von den Strafkammern der Landgerichte bei 
Eröffnung des Hauptverfahrens auf Antrag der Staatsanwaltschaft überwiesen wird. 
Eine solche Uberweisung kann, soweit das Schöffengericht nicht schon an sich zuständig ist. 
wegen derjenigen Vergehen erfolgen, die im Gerichtsverfassungsgesetz, §. 75 in der Fassung 
des Gesetzes v. 5. Juni 1905 (R. G. Bl., S. 534) aufgezählt sind. Voraussetzung der 
Überweisung ist, daß nach den Umständen des Falles anzunehmen ist, daß wegen des 
Vergehens auf keine andere oder höhere Strafe als Gefängnis von höchstens sechs Monaten 
oder Geldstrafe von höchstens 1500 Mark, allein oder neben Haft, oder in Verbindung 
miteinander, oder in Verbindung mit Einziehung, und auf keine höhere Buße als 1500 Mark 
zu erkennen sein werde. 3 
c)Die Amtsgerichte sind ferner zuständig für das Konkursverfahren.? 
d„ In Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sind die Amtsgerichte 
zuständig!" aa) für die Gewährung von Mechtsbile §. 2 F. G. G., §. 87 des A. G. 
zum Gerichtsverfassungsgesetz (§. 158 ff. des D Gerichtsverfafsungsgesetzes); bb) für die 
  
1 Ausgenommen sind nur das spezielle Ver- 
gehen gegen §. 320 des R. St. G. B. und gewisse 
der ausschließlichen Zuständigkeit der Strafkammer 
vorbehaltene Zuwiderhandlungen gegen bestimmte 
Reichsgesetze (§. 74 des Gerichtsverf. Ges.). 
*2 Wenn die Zuständigkeit des Schöffengerichts 
durch den Wert einer Sache oder den Betrag 
eines Schadens bedingt ist, und sich in der Haupt- 
verhandlung herausstellt, daß der Wert oder 
Schaden mehr als 150 Mark beträgt, so hat das 
Gericht seine Unzuständigkeit nur dann auszu- 
sprechen, wenn aus anderen Gründen eine Aus- 
setung der Verhandlung geboten erscheint (s. 28 
des D. Gerichtsverf. Ges. in Fassung des G. v. 
5. Juni 1005 R. G. Bl. 533.. 
* S. 27 des D. Gerichtsverf. Ges. in Fas- 
sung des G. v. 5. Juni 10905 N. G. Bl., S. 533). 
" 8. 5.3 des Feld 
S. 13880, S. 230). 
5 (9. S. 1878, S. 222. 
" S. 19, Abs. 1 des Forstdiebstahls Ges. 
und Forstvolizei-Ges. (G. 
  
29 des D. Gerichtsverf. Ges. 
* §. 
*S. 75 des D. Gerichtsverf. Ges. in Fassung 
G. v. 5. Juni 1905 (R. G. Bl., S. 533-. 
° §. 71 der D. Konkurs-O. Diese Zuständig- 
keit erstreckt sich auch auf die Führung der nach 
8. 12, Abs. 3, 8. 13, Abs. 2 des Einführ. Gel. 
zur D. Konkurs-O., §. 21, Nr. 1 des Ausführ. 
Ges. v. 6. März 1879 (G. S. 187, S. 109 
zur D. Konkurs-O. anzulegenden Vorrechtsregister 
zur Erhaltung älterer landesgesetzlicher Vorzugs- 
rechte (§. 26 des Ausführ. Ges. v. 6. März 1877/71. 
1° Vgl. hierzu Struckmann und Koch, Z. 
512 f.: insbesondere Dorner, Verfahren der 
freiwilligen Gerichtsbvarkeit in v. Holtzendorff 
Kohlers Enzyklopädie, Bo. II, 1904, S. 213 f.: 
Jastrow, Die Gesetze des Reichs und Preußene 
über die freiwillige Gerichtsbarkeit, 4. Auftl. 1½6: 
Joseph, Das Reichsgesetz über die Ang. der 
freiw. Ger. und das pr. Ges., Kommentar, 2. Aufl. 
1906; Wellstein, Das Reichsgesenz über die 
freiw. Ger., 2. Aufl. 1906.
	        
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