Die Behörden für die Ansübung der ordentlichen Gerichtsbarkeit. (S. 101.) 671
der Schöffengerichte; außerdem erledigen sie die in der Deutschen Strafprozeßordnung den
Landgerichten zugewiesenen Geschäfte. 8) Die Strafkammern sind ferner zuständig als
erkennende Gerichte erster Instanz für die Vergehen, welche nicht zur Zuständigkeit der
Schöffengerichte gehören; für diejenigen Verbrechen, welche mit Zuchthausstrafe von
höchstens fünf Jahren, allein oder in Verbindung mit anderen Strafen, bedroht sind, mit
Ausnahme der Fälle der §§. 86, 100 und 106 des Reichsstrafgesetzbuchs; für die Ver-
brechen der Personen, welche zur Zeit der Tat das achtzehnte Lebensjahr noch nicht voll-
endet hatten; für das Verbrechen der Unzucht im Falle des §. 176, Nr. 3 des Reichs-
staafgesetzbuches; für die Verbrechen des Diebstahls in den Fällen der §§. 243 und
244 des Reichsstrafgesetzbuches"; für das Verbrechen der Hehlerei in den Fällen der
§§. 260 und 261 des Reichsstrafgesetzbuches?; für das Verbrechen des Betrugs im Falle
des §. 264 des Reichsstrafgesetzbuches.“ Die Strafkammern sind als erkennende Gerichte
ausschließlich zuständig für die nach 8. 145 a7 des Reichsstrafgesetzbuches strafbaren Hand-
lungen, für das Vergehen gegen §. 320 des Reichsstrafgesetzbuches“, ferner für eine Reihe
von Zuwiderhandlungen gegen einzelne spezielle Reichsgesetze", also auch insoweit, als
jene Zuwiderhandlungen an sich vor die Schöffengerichte gehören würden oder ihre Über-
weisung an diese zulässig wäre.10 J) Als erkennende Gerichte zweiter Instanz sind die
Strafkammern zuständig für die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel
der Berufung gegen die Urteile der Schöffengerichte 11, auch in Forst= und Feldpolizei-
sachen!?, sowie gegen die Urteile der Amtsgerichte in Forstdiebstahlssachen. 7
cc) Die Schwurgerichte sind zuständig für die Verbrechen, welche nicht zur Zuständigkeit
der Strafkammern oder des Reichsgerichts gehören.
I) In Angelegenheiten der nicht streitigen Gerichtsbarkeit sind die Zivilkammern der Land-
gerichte zuständig: a) in erster Instanz für alle Angelegenheiten, für welche früher die Kollegial-
gerichte erster Instanz zuständig waren, sofern nicht andere Bestimmungen getroffen sind;
1 §. 72 des D. Gerichtsverf. Ges. (Übertragung
der Untersuchung und Entscheidung im Falle der
Behinderung eines Amtsgerichts an ein anderes
Amtsgericht (§. 15 der Strafprozeß-O.]; Ent-
scheidung über die Ablehnung eines Untersuchungs-
richters oder Amtsrichters (§. 27, Abs. 2 der
Strafprozeß · D.s; Übertragung der Führung der
Voruntersuchung auf einen Amtsrichter (§. 183,
184, Abs. 2 der Strafprozeß-O.]; Eröffnung des
Haupwerfahrens ohne vorherige Voruntersuchung
[(Ss. 197, 207 der Strafprozeß-O.]; Umwandlung
einer wegen Zuwiderhandlung gegen die Vor-
schriften über die Erhebung öffentlicher Abgaben
festgesetzten Geldstrafe in eine Freiheitsstrafe
[#S. 463, Abs. 2 der Strafprozeß-O.).
* §S. 73 des D. Gerichtsverf. Ges.
2 Unzucht mit Personen unter vierzehn Jahren.
4 Schwerer Diebstahl und Diebstahl im zwei-
ten Rückfalle.
5* Gewerbs= und gewohnheitsmäßige Hehlerei
und Hehlerei im zweiten Rückfalle.
* Betrug im zweiten Rückfalle.
* Eingefügt durch Art. 34 des Einführ. Ges.
zum B. G. B.
* §S. 27, Ziff. 2 des D. Gerichtsverf. Ges.
* Es sind dies: Zuwiderhandlungen gegen die
Bestimmungen der §S§. 1, 2, 3, 6, Abs. 1 d. G.
v. 8. Juni 1871, betr. die Inhaberpapiere mit
Prämien; die nach §. 67 und §. 60 des G. v.
6. Febr. 1875, betr. die Beurkundung des Per-
sonenstandes, strafbaren Handlungen (s. jetzt Art.
46, Einführ. Ges. zum B. G. B.); die nach
§. 59, Abs. 1 und 2 des Bankges. v. 14. März
1875 strafbaren Handlungen.
1% S. 74 des D. Gerichtsverf. Ges.
11 S. 76 a. a. O.
15 §S. 58 des Feld- und Forstpolizei-Ges. v.
1. April 1880 (G. S. 1880, S. 230).
18 §. 19, Abs. 3 des Forstdiebstahls= Ges. v.
15. April 1878 (G. S. 1878, S. 222=
14 §. 80 des D. Gerichtsverf. Ges. Über die
Zuständigkeit für Preßvergehen in Bayern, Würt-
temberg, Baden, Oldenburg s. Laband III, S.
403
15 S§S. 41, 42 des Ausführ. Ges. v. 21. April
1878. — Hierher gehören vor allem eine Reihe
von Angelegenheiten, welche bisher im Bezirke
des Appellationsgerichts zu Cöln den Landgerich-
ten zugewiesen waren, sowie einzelne Angelegen-
heiten in den Üübrigen Landesteilen (z. B. zur
Zuständigkeit der früheren Kreisgerichte gehörende
Lehnssachen). Diese Angelegenheiten sind in der
Begründung des Entw. des Ausführ. Ges. zum
D. Gerichteverf. Ges. (Drucks. des Abg. H., XIII.
Legisl. Per., II. Session 1877—78, Nr. 60 zu
8. 33; vgl. die „Gesamten Materialien“ zu dem
zit. Gesetze, Berlin 1878, S. 60 ff.) zusammen-
gestellt. Vgl. auch Turnau, Die Justizver-
fassung in Preußen, Tl. I., S. 392 ff. — Hierzu
kommt noch für den Bezirk des vormaligen Ap-
pellationsgerichtshofes zu Cöln die Aufbewahrung
der Nebenregister der Standesregister (vgl. Be-
kanntmachung der Min. der Justiz und des Inn.
v. 1. Juli 1879, Buchstabe b, Just. Min. Bl.
1879, S. 154). S. jetzt Art. 133 des preuß.
Gesevzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit vom
21. Sept. 1899 (G. S., S. 249). Ferner ent-
scheiden in der ganzen Monarchie die Landgerichte,
wenn wegen Ablehnung der Vorndhme einer
Amtshandlung der Standesbeamten Beschwerde