Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

672 Die Staatsbehörden. (§. 101.) 
b.# als Beschwerdegericht für die Beschwerde gegen Verfügungen der Amtsgerichte in An- 
gelegenheiten der freiwilligen Gerichteobarkeit.! 
C. Die Oberlandesgerichte.? 
1. Dieselben sind gleichfalls Kollegialgerichte und werden mit einem Präsidenten 
und der erforderlichen Anzahl von Senatspräsidenten und Räten besetzt 3, und es werden 
bei denselben Zivil= und Strafsenate gebildet. Die Verteilung der Geschäfte, die 
Bestimmung der Mitglieder der Senate, der Stellvertreter usw. erfolgen nach den für 
die Landgerichte gegebenen Vorschriften. Das Präsidium besteht bei den Oberlandes- 
gerichten aus dem Präsidenten, den Senatspräsidenten und den beiden ältesten Mitgliedern 
des Gerichts. Zu Hilfsrichtern dürfen nur ständig angestellte Richter berufen werden.“ 
Die Amtsrichter und Landrichter sind verpflichtet, bei den Oberlandesgerichten, in deren 
Bezirken sie angestellt sind, die Vertretung eines Richters für einzelne Sitzungen oder 
Geschäfte zu übernehmen; die Einberufung der Vertreter erfolgt durch den Präsidenten 
des Oberlandesgerichts nach einer jährlich vor Beginn des Geschäftsjahres durch das 
Präsidium des Oberlandesgerichts festzusetzenden Reihenfolge; die Einberufung ist nur 
dann statthaft, wenn die Vertretung des behinderten Mitglieds durch ein Mitglied des 
Oberlandesgerichts nicht möglich ist.“ Die Senate der Oberlandesgerichte entscheiden in 
der Besetzung von fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden. 
2. Die Oberlandesgerichte sind zuständig: 
à) in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für die Verhandlung und Entscheidung über 
die Rechtemittel aa) der Berufung gegen die Endurteile der Landgerichte?; bb, der Be- 
schwerde gegen Entscheidungen der Landgerichte.10 Vor sie gehört auch die weitere Be- 
schwerde gegen Entscheidungen, welche das Landgericht als Beschwerdeinstanz in Kon- 
kurssachen getroffen hat. 11 Endlich liegt dem Oberlandesgerichte, wenn es das im 
Instanzen zuge nächst höhere Gericht ist, die Bestimmung des zuständigen Gerichts ob bei 
Behinderung des an sich zuständigen Gerichts, bei Ungewißheit der örtlichen Zuständig- 
keit, ferner im Falle der Bestellung eines gemeinschaftlichen Gerichtsstandes und bei einem 
positiven oder negativen Kompetenzkonflikte. 12 
b. In Strafsachen sind die Oberlandesgerichte zuständig für die Verhandlung und 
Entscheidung über die Rechtsmittel aa) der Revision! gegen Urteile der Strafkammern in 
der Berufungsinstanz 15, einschließlich derjenigen in Forstdiebstahls-, sowie in Feld= und 
  
* S. 48 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1978. 
* §S. 124 des D. Gerichtsverf. Ges. 
?*' 6. 123, Nr. 1 a. a. O. Die Berufung 
findet nur gegen die in erster Instanz erlassencn. 
geführt wird, oder wenn die Berichtigung einer 
Eintragung in das Standesregister erfolgen soll 
(8. 11, Abs. 3, §§. 65, 66 des Reichsgesetzes v. 
6. Febr. 1875, R. G. Bl. 1875, S. 23; Be- 
kanntmachung der Min. der Justiz und des Inn. 
v. 1. Juli 1879, Buchstabe b, Just. Min. Bl. 
1879, S. 1540. S. jent Art. 142 des preuß. 
Gesetzes über die freiwillige Gerichtebarkeit. 
1 §. 42 des Ausführ. Ges. v. 24. April 1878. 
Eine genauere Ubersicht über die sachliche Zu- 
ständigkeit der Landgerichte in Angelegenheiten der 
freiwilligen Gerichtsbarkeit gibt Dorner a. a. O., 
S. 215. 
*„ Struckmann und Koch II, S. 554 ff. 
3à S. 11y des D. Gerichtsverf. Ges., Laband 
III. S. 412 f. 
* §. 120 a. a. O. — Die Bestimmung der 
Zahl der Senate erfolgt durch den Oberlandes- 
gerichtepräsidenten #vgl. §. 2 des Zirk. Reskr. des 
Just. Min. v. 16. Nov. 1879, Just. Min. Bl. 
1879, S. 454, und Zirk. Reskr. des Just. Min. 
v. 25. Sept. 1880, Inst. Min. Bl. 1880, S. 
221). Einem Senat können auch Zivil= und 
Strafsachen überwiesen werden, s. Laband III, 
S. 113, N. 3. 
5 S. 121 des D. Gerichteverf. Ges. 
— 
6 S. 122 a. a. — 4 
  
Endurteile statt (§. 511 der Zivilprozeß. O.). 
Gegen Endurteile der Landgerichte in der Be- 
rufungsinstanz ist ein weiteres Rechtsmittel nicht 
zulässig. 
10 §S. 123, Nr. 4 des D. Gerichtsverf. Ges. — 
Dies gilt sowohl dann, wenn die Entscheidung 
des Landgerichts in erster Instanz, als wenn sie 
auf Beschwerde gegen eine amtsgerichtliche Ent- 
scheidung ergangen ist. Indes findet gegen die 
Entscheidung des Beschwerdegerichts eine wenere 
Beschwerde nur statt, soweit in derselben ein neuer 
selbständiger Beschwerdegrund enthalten ist (§. 568, 
Abs. 2 der Zivilprozeß-O.). 
11 66. 72, 73, Abs. 3 der D. Konkure-O. 
15 §. 36 der Zivilprozeß-O., §. 3 des G. v. 
4. März 1879 (G. S. 1879, S. 102js. 
15 Diese kann nur darauf gestützt werden, daß 
das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes be- 
ruht (§. 376, Abs. 1 der Strafprozeß-O.). 
4 Ausnahmsweise ist das Reichsgericht Ke- 
visionsgericht, nämlich in Strafsachen wegen Zu- 
widerhandlungen gegen die Vorschriften über die 
Erhebung öffentlicher, in die Reichskasse fließen-
	        
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