60 Das Staatsbürgerrecht. (§. 51.)
8. Sovweit zur Bestreitung des Aufwandes, welcher auf die einem Standesherrn
überlassene obrigkeitliche Verwaltung an Besoldungen, Pensionen und sonstigen Bedürf-
nissen und Ausgaben zu machen ist, die besonderen Einnahmen, welche einzelnen Zweigen
der Verwaltung gewidmet sind, nicht hinreichen, ist das Fehlende von den Standesherren
aus eigenen Mitteln zuzuschießen (§. 59 der Instr. v. 30. Mai 1820). Aus den direkten
Steuern wird dermalen den Standesherren nichts mehr überwiesen.
VIII. Veräußerung der Rechte der Standesherren.
1. Veräußern kann der Standesherr seine Eigentumsrechte und die davon her-
rührenden Einkünfte mit Beobachtung derjenigen Förmlichkeiten, welche seine Familien-
verfassung, das etwaige Lehnsverhältnis und die Landesgesetze vorschreiben. Die Be-
freiung der Domänen und Domänengefälle von ordentlichen Steuern, sowie diejenige
der standesherrlichen Schlösser und Wohnhäuser von der Einquartierung, geht auf den
neuen Erwerber nur über, wenn er ein Mitglied der Familie des Veräußerers ist (§. 62
der Instr. v. 30. Mai 1820).
2. Die Veräußerung der Standesherrlichkeit kann an ebenbürtige Mitglieder
der Familie des Veräußerers, unter Beobachtung der durch die Landesgesetze, etwaiges
Lehnsverhältnis und Familienverfassung gebotenen Förmlichkeiten, ebenfalls mit voller
Wirkung geschehen; dagegen bedarf eine solche Veräußerung an ebenbürtige Mitglieder
anderer standesherrlicher Familien, ehe sie rechtliche Wirkung erhält, der königlichen Ge-
nehmigung. Erfolgt die Veräußerung der Standesherrlichkeit an ein ebenbürtiges Mit-
glied der standesherrlichen Familie, so wird der Veräußerer, auch in Ansehung aller
persönlichen standesherrlichen Vorrechte, einem bloßen Mitgliede der Familie gleich; er-
folgt sie aber an ein ebenbürtiges Mitglied einer anderen standesherrlichen Familie, so
bleibt dem Könige die Bestimmung über die Wirkungen der Veräußerung auf die
durch die Verordnung v. 21. Juni 1815 begründeten persönlichen Vorzüge des Ver-
äußerers und seiner Familie vorbehalten ! (§. 63 der Instr. v. 30. Mai 1820). Ob
die letztere Vorschrift als rechtsgültig betrachtet werden kann, ist zweifelhaft. Insoweit
standesherrliche Rechte dinglichen Charakter tragen, sind sie rechtlich bedingt durch den
Besitz der Standesherrschaft seitens einer bestimmten Familie. Dies wird nach dem
historischen Entwicklungsprozeß dieser Rechte nicht geleugnet werden können. Daraus er-
gibt sich die rechtliche Folge der Beendigung dieser Rechte, sobald die Standesherrschaft
veräußert wird und es ist für den Eintritt dieser Rechtsfolge gleichgültig, ob die Ver-
äußerung an eine andere standesherrliche Familie erfolgt.!
IX. Die Rechtsverhältnisse der Mediatisierten in den im Jahre 1866 der preußischen
Monarchie einverleibten Landesteilen.
1. Die durch das Gesetz v. 20. Sept. 1866 3 und die beiden Gesetze v. 24. Dez.
1866“" im Jahre 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten Länder und Gebiete
sind, zufolge der Bestimmung des §. 2 dieser Gesetze, dem Preußischen Staate mit der
Maßgabe einverleibt worden, daß in diesen Landesteilen die preußische Verfassung mit
dem 1. Okt. 1867 in Kraft getreten und zugleich vorgeschrieben ist, daß die zu diesem
Behufe notwendigen Abänderungs-, Zusatz= und Ausführungsbestimmungen durch besondere
Gesetze festgestellt werden sollen. Die in dem Verfassungsgesetze v. 10. Juni 1854 er-
teilte Deklaration der Verfassungsurkunde in bezug auf die Rechte der mittelbar ge-
wordenen deutschen Reichsfürsten und Grafen bezieht sich, wie der klare Wortlaut un-
zweifelhaft ergibt, nur auf diejenigen Mediatisierten, deren Besitzungen in den Jahren
1815 und 1850 einverleibt oder wieder einverleibt worden sind, und findet also keine
1 Der Veräußerer wird nach dem Reichsaus-
drucke: „Personalist“ und seine Eigenschaft als
ehemaliger Standesherr ist besonderer Bestimmung
des Königs (nach §. 63) anheimgegeben.
* Ubereinst. Bornhak, Pr. St. R. I. S.
334 f. Nach G. Meyer (5), S. 757 gehen
durch Veräußerung die realen, nicht dagegen die
persönlichen Standesrechte verloren, nach Seydel,
B. St. R. 1. 325 gehen alle Rechte verloren,
s. über die umfangreiche Literatur G. Meyer,
S. 757, Nr. 20, 21.
G. S. 1866, S. 555.
4 Ebendas. S. 875 u. 876.
5 Ebendas. 1854, S. 363.