Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Rechtsanwaltschaft. (§. 104.) 693 
2. der Betrieb der Rechtsanwaltschaft ist bedingt von der staatlichen 
Zulassung; 
3. die staatliche Zulassung erfolgt bei einem und grundsätzlich auch 
für ein bestimmtes Gericht. 
III. Für die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wird, wie in Preußen bereits 
nach §. 1 des Gesetzes v. 12. März 18692, dieselbe Befähigung wie für das Richter- 
amt gefordert. Es werden keine geringeren, aber auch keine weitergehenden Anforde- 
rungen gestellt, und insbesondere ist als Vorbedingung für die Zulassung als Rechts- 
anwalt weder eine Vorbeschäftigung bei Staatsstellen, als Richter oder Staatsanwalt, 
noch eine Vorbeschäftigung bei einem Rechtsanwalte gefordert. Die Zulassung zur 
Rechtsanwaltschaft darf dem gesetzlich befähigten Bewerber in demjenigen Bundesstaate, 
in welchem er die zum Richteramte befähigende Prüfung bestanden hat, nur aus be- 
stimmten gesetzlichen Gründen versagt werden (§. 4 der Rechtsanwaltsordnung).3 Wer 
diese Befähigung in einem nicht preußischen Bundesstaate erlangt hat, kann in Preußen 
zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden, hat jedoch keinen Anspruch auf Zulassung 
(§. 2 a. a. O.). Die Gründe der Versagung der Zulassung sind teils absolut zwingende 
(§. 5 a. a. O.)“, teils fakultative (§§. 6, 14, 15 a. a. O.). In keinem Falle darf 
die Zulassung bei einem Gerichte wegen mangelnden Bedürfnisses zur Vermehrung der 
Zahl der bei demselben zugelassenen Rechtsanwälte versagt werden (§. 13 a. a. O.). Die 
Zulassung kann vom Staate zurückgenommen werden, jedoch nur aus gesetzlich bestimmten, 
teils obligatorischen, teils fakultativen Gründen (§8. 21, 22 a. a. O.). — Die Zu- 
  
1 Die Rechtsanwälte werden nicht „angestellt“, 
sondern nur „zugelassen“ (vgl. die Motive zum 
#§. 3 der Rechtsanwalts-O., Stenogr. Ber. des 
Reichst. 1878, Bd. III, Aktenst. Nr. 5, S. 69); 
s. auch oben, Bd. I, S. 423. Uber die Zulassung: 
Laband, Bd. III, S. 429 ff. 
* G. S. 1869, S. 482. 
3 Uber das Verfahren bei der Zulassung vgl. 
Nr. II des Zirk. Reskr. des Justizmin. v. 28. Juni 
1879 (Just. Min. Bl. 1879, S. 151). In be- 
treff der Kondominatsgerichte und deren Bezirke 
vgl. §. 4, Abs. 2, Rechtsanwalts-O., die Zirk. Reskr. 
des Justizmin. v. 5. Nov. 1879, 2. u. 16. Febr., 
12. März und 14. April 1880 (Just. Min. Bl. 
1879, S. 451; 1880, S. 25, 34, 53, 83). 
4 Die Zulassung muß (nach §. 5 der Rechts- 
anwalts-O.) versagt werden: a) wenn der Antrag- 
steller infolge strafgerichtlichen Urteils die Fähig- 
keit zur Bekleidung öffentlicher Amter dauernd ver- 
loren hat oder zur Zeit nicht besitzt; b) wenn 
der Antragsteller infolge ehrengerichtlichen Urteils 
von der Rechtsanwaltschaft ausgeschlossen ist; 
c) wenn der Antragsteller infolge gerichtlicher An- 
ordnung in der Verfügung über sein Vermögen 
beschränkt ist; d) wenn der Antragsteller ein Amt 
bekleidet oder eine Beschäftigung betreibt, welche 
nach den Gesetzen oder nach dem Gutachten des 
Vorstandes der Anwaltskammer mit dem Beruf 
oder der Würde der Rechtsanwaltschaft nicht ver- 
einbar sind; e) wenn der Antragsteller nach dem 
Gutachten des Vorstands der Anwaltskammer 
sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, welches 
die Ausschließung von der Rechtsanwaltschaft be- 
dingen würde; f) wenn der Antragsteller nach 
dem Gutachten des Vorstands der Anwaltskam- 
mer infolge eines körperlichen Gebrechens oder 
wegen eingetretener Schwäche seiner körperlichen 
oder geistigen Kräfte zur Erfüllung der Pflichten 
eines Rechtsanwalts dauernd unfahig ist. 
  
5 Die Zulassung kann versagt werden: a) wenn 
der Antragsteller, nachdem er die Fähigkeit zur 
Rechtsanwaltschaft erlangt hatte, während eines 
Zeitraums von drei Jahren weder als Rechts- 
anwalt zugelassen ist, noch ein Reichs-, Staats- 
oder Gemeindeamt bekleidet hat, noch im Justiz- 
dienst oder als Lehrer des Rechts an einer deut- 
schen Universität tätig gewesen ist; b) wenn der 
Antragsteller infolge strafgerichtlichen Urteils die 
Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Amter auf 
Zeit verloren hatte: c) wenn gegen den Antrag- 
steller, welcher früher Rechtsanwalt gewesen ist, 
innerhalb der letzten zwei Jahre im ehrengericht- 
lichen Verfahren auf Verweis oder auf Geldstrafe 
von mehr als 150 Mark erkannt worden ist 
(§. 6 der Rechtsanwalts-O.). Die Zulassung bei 
dem im Antrage bezeichneten Gerichte kann versagt 
werden, wenn bei demselben ein Richter angestellt 
ist, mit welchem der Antragsteller in gerader Linie 
verwandt oder verschwägert oder in der Seiten- 
linie im zweiten Grade verwandt oder verschwägert 
ist, auch wenn die Ehe, durch welche die Schwäger- 
schaft begründet wird, nicht mehr besteht (S. 14 
a. a. O.). Die Zulassung eines Rechtsanwalts 
bei einem anderen Gerichte kann versagt werden: 
a) wenn gegen den Antragsteller innerhalb der 
letzten zwei Jahre im ehrengerichtlichen Verfahren 
auf Verweis oder auf Geldstrafe von mehr als 
150 Mark erkannt ist; b) wenn gegen den An- 
tragsteller die Klage im ehrengerichtlichen Ver- 
fahren erhoben ist (S. 15 a. a. O.). 
6# Die Zulassung muß zurückgenommen wer- 
den: a) wenn der Rechtsanwalt seinen Wohnsitz 
an dem Orte des Gerichts binnen drei Monaten 
seit Mitteilung des die Zulassung aussprechenden 
Bescheids nicht genommen hat; b) wenn er den 
Wohnsitz aufgibt; c) wenn nach der Zulassung 
sich ergibt, daß sie in Gemäßheit des §. 5, Nr. 1, 
2 hätte versagt werden müssen. Die Zurück-
	        
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