Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

708 Das Staatsbürgerrecht. (8. 105.) 
s) über die Ansprüche, welche auf Grund der Übernahme einer gemeinsamen Arbeit 
von Arbeitern desselben Arbeitgebers gegeneinander erhoben werden. 
Streitigkeiten über eine Konventionalstrafe, welche für den Fall bedungen ist, daß 
der Arbeiter nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein solches bei anderen Arbeit- 
gebern eingeht oder ein eigenes Geschäft errichtet, gehören nicht zur Zuständigkeit der 
Gewerbegerichte. 
B. Diese Zuständigkeit bezieht sich in erster Linie auf Arbeiter im Sinne des §F. 3. 
Dazu kommen aber noch die sogenannten Heimarbeiter und Hausgewerbetreiben- 
den, d. i. „Personen, welche für bestimmte Gewerbetreibende außerhalb der Arbeitsstätte 
der letzteren mit Anfertigung gewerblicher Erzeugnisse beschäftigt sind, sofern die Be- 
schäftigung auf die Bearbeitung oder Verarbeitung der den ersteren von den Arbeitgebern 
gelieferten Rohstoffe oder Halbfabrikate beschränkt ist“, statutarisch auch dann, wenn sie 
die Rohstoffe oder Halbfabrikate selbst beschaffen (§. 5). 
C. Die Zuständigkeit der Gewerbegerichte ist den ordentlichen Ge- 
richten gegenüber eine ausschließende und kann selbst durch Schiedsverträge nur 
ausgeschlossen werden, wenn im Schiedsvertrag für Erledigung von Streitfällen der ge- 
werbegerichtlichen Zuständigkeit die gesetzliche Organisation des Gewerbegerichts für den 
Vorsitzenden und die gleiche Verteilung der Beisitzer auf Arbeitgeber und Arbeiter als 
Grundlage angenommen ist (§. 6). 
D. Über örtliche oder sachliche Eingrenzung der Zuständigkeit s. oben, Ziff. 1. 
6. In betreff des Verfahrens enthalten die §§. 26 ff. eingehende Vorschriften. 
Danach gelten für das Verfahren vor den Gewerbegerichten die Vorschriften der Zivil- 
prozeßordnung für das Verfahren vor den Amtzgerichten, allerdings mit einer Reihe von 
Sonderbestimmungen (§. 26). Entscheidungen der ordentlichen Gerichte über Zuständig- 
keit eines Gewerbegerichts, beziehungsweise der ihm in gewerbegerichtlichen Sachen gleich- 
stehenden Innungen und Innungsschiedsgerichte (§§. 84, 86), sind für dieses bindend 
(§. 28). Rechtsanwälte und Personen, die geschäftsmäßig vor Gericht auftreten, werden 
als Sachwalter vor den Gewerbegerichten nicht zugelassen (§. 31). Eine Reihe von Be- 
stimmungen über Zustellung, Beweisverfahren, Verhandlung bezwecken möglichste Ver- 
einfachung und Beschleunigung des Verfahrens. Verhandlung und Urteils- 
verkündigung sind öffentlich, doch kann durch Gerichtsbeschluß die Offentlichkeit der Ver- 
handlung gemäß Gerichtsverfassungsgesetz §§. 173—175 ausgeschlossen werden; über Ge- 
richtssprache und Aufrechthaltung der Ordnung gelten die Vorschriften des Gerichtsverfassungs- 
gesetzes §§. 176—193 (8§. 38). Bei der Verhandlung ist zunächst tunlichst auf gütliche 
Erledigung des Streites durch Vergleich hinzuwirken (§. 41); dieser Aufgabe 
sollen die besonderen Gewerbegerichte mit ihrer Sachkenntnis und ihrem Sachpverständnis 
in erster Linie dienen. Erst in zweiter Linie sollen die Urteile stehen. Beeidigung 
von Zeugen und Sachverständigen erfolgt nur auf Antrag der Parteien oder wenn das 
Gericht die Beeidigung für notwendig erachtet zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen 
Aussage (§. 44). Aus dem Urteile müssen die Mitglieder des Gerichts, die Parteien. 
das Sach= und Streitverhältnis, der Spruch des Gerichts über die Sache und die Kosten er- 
sichtlich sein (§. 49). In dem ersten auf die Klage anzusetzenden Termin kann die Zuziehung 
der Beisitzer unterbleiben und die Sache vom Vorsitzenden allein in den vom Gesetze (§. 54) 
gezogenen Grenzen der Erledigung zugeführt werden. Das Rechtsmittelverfahren ist das 
amtsgerichtliche; doch ist Berufung nur über den Streitgegenstand selbst, nicht über die 
Kosten, und nur wenn der Wert des Streitgegenstandes 100 Mark übersteigt, zulässig, 
die Beschwerde dagegen unbeschränkt. Berufungs= und Beschwerdegericht ist das 
örtlich zuständige Landgericht (§. 55). Rechtskräftige oder vorläufig vollstreckbar 
erklärte Endurteile sowie die nach Einreichung der Klage vor dem Gerichte abgeschlossenen 
Vergleiche, welche protokolliert werden müssen (§. 41, Abs. 2), unterliegen der Zwangs- 
vollstreckung nach Maßgabe der Zivilprozeßordnung (§. 57). Über die Gerichtsgebühren 
  
1 Dazu §. 28 über die bindende Entscheidung der Zuständigkeitsfrage durch die ordentlichen Gerichre.
	        
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