Die Militärgerichtsbarkeit. (8 106.) 719
dem Kriegsschauplatze sich einer der in den §§. 57, 58, 59 und 134 des Militärstraf-
gesetzbuches für das Deutsche Reich vorgesehenen Handlungen schuldig machen; e) alle
Ausländer oder Deutsche, welche in einem von deutschen Truppen besetzten ausländischen
Gebiete gegen deutsche Truppen oder Angehörige derselben oder gegen eine auf Anord-
nung des Kaisers eingesetzte Behörde eine nach den Gesetzen des Deutschen Reiches straf-
bare Handlung ausüben; t) auf Personen, welche dienstlich an Bord eines kaiserlichen
Kriegsschiffes eingeschifft sind.
In allen bürgerlichen Rechtsangelegenheiten, namentlich in Zivilprozessen, Vor-
mundschafts-, Nachlaß-, Grundbuchssachen usw. waren die Militärpersonen den Zivil-
gerichten unterworfen.
Wo der Militärgerichtsstand begründet war, durfte sich kein anderes Gericht mit der
Sache befassen, sondern der Militärgerichtsstand schloß jeden anderen Gerichtsstand aus.
B. Verwaltung der Militärgerichtsbarkeit.!
Die Militärgerichtsbarkeit war in die höhere und niedere eingeteilt. Vor die erstere
gehörten alle Strafsachen der Offiziere und der oberen Militärbeamten, außerdem die
Strafsachen der Unteroffiziere und Gemeinen und der unteren Militärbeamten, wenn das
Verbrechen oder Vergehen im Gesetze mit einer härteren Strafe als Arrest, Gefängnis
bis zu sechs Wochen, Geldstrafe bis zu 150 Mark, Degradation oder Versetzung in die
zweite Klasse des Soldatenstandes bedroht war. Alle übrigen Straffälle fielen der niederen
Gerichtsbarkeit anheim.
Die Militärgerichtsbarkeit wurde verwaltet: a) durch die Militärgerichte, b) durch
das Generalauditoriat, c) durch außerordentliche Kriegsgerichte.)
1. Die Militärgerichte waren entweder Korpsgerichte, oder Divisions-, oder Garnison-,
oder Regiments-(Bataillons-)Gerichte; sie bestanden aus den mit der Militärgerichtsbarkeit
versehenen höheren Befehlshabern (Gerichtsherren) und den zur Führung der Unter-
suchungen ihnen beigeordneten Auditeuren und Offizieren. Die Korpsgerichte bestanden
aus dem kommandierenden General des Armeekorps (als Gerichtsherrn) und dem Ober-
und Korpsauditeur; die Didvisionsgerichte aus dem Kommandeur der Division (als Ge-
richtsherrn) und den Divisionsauditeuren; die Garnisongerichte aus dem Gouverneur oder
dem Kommandierenden des Orts und dem Gouvernements= oder Garnisonauditeur, und
die Regiments-(Bataillons-Gerichte aus dem Kommandeur des Regiments (Bataillons)
und dem untersuchungführenden Offizier.“ Den Garnisongerichten stand sowohl die höhere,
als die niedere Gerichtsbarkeit zu. Zu ihrer Kompetenz gehörten hauptsächlich die Ex-
zesse gegen die öffentliche Ruhe und Sicherheit, die Übertretungen im Wacht- und
Garnisondienste und ähnliche Vergehen; auch traten sie dann stellvertretend ein, wenn die
sonst kompetenten Militärgerichte sich nicht am Orte befanden. Die Regiments-(Batail-
lons-,Gerichte waren dagegen auf die niedere Gerichtsbarkeit beschränkt; die Korps= und
Divisionsgerichte hatten die höhere Gerichtsbarkeit auszuntben." Den Divisionsgerichten
stand das Gericht der Landgendarmerie zu Berlin und des Militärreitinstituts zu Han-
nover gleich.
Außer diesen Militärgerichten bestand noch ein Gericht bei dem Invalidenhause in
Berlin, welches die höhere und niedere Gerichtsbarkeit über die in dem Invalidenhause
befindlichen Militärpersonen ausübte, und ein Gericht bei dem medizinisch-chirurgischen
Friedrich-Wilhelms-Institut in Berlin, welches die höhere und niedere Gerichtsbarkeit über
die Beamten und Eleven dieses Instituts und der medizinsch- cchirurgischen Akademie für
das Militär verwaltete.7
Der Gerichtsherr hatte als Vorstand des Militärgerichts bei allen Verfügungen des-
selben die beitung und Entscheidung; auf die richterlichen Funktionen stand ihm dagegen
1 Militärstrafgesetzb. v. 3. April 1845, Ti. II, s A. a. O., 88. 31 u. 32.
§§. 19—43 (G. S. 1845, S. 333 ff.). * A. a. O., 8§§. 26 ff.
1 A. a. O., §§. 19—21. 7 A. a. O., §. 22 und Allerhöchster Erlaß v.
2 A. a. O., §. 22. 17. Dez. 1868 (Militärwochenbl. 1864, S. 2,
4 Militärstrafgesetzb., Tl. II, §. 23. Fleck, a. a. O., S. 305, Nr. 76).