726 Die Staatsbehörden. (F. 106.)
Vorschriften §. 63). Die Standgerichte werden für den einzelnen Fall besetzt und es ist
nicht erforderlich, daß die Mitglieder bereits seit einem Jahre dem Heere oder der Marine
angehören (§. 44); bei den Kriegs= und Oberkriegsgerichten können die juristischen Mit-
glieder durch Offiziere ersetzt werden; ist ein General Kriegsherr, so erfolgt seine Be-
rufung durch den Kaiser und ebenso die Berufung des erkennenden Gerichts. Als oberste
Instanz des Feld= und Bordverfahrens kann das Reichsmilitärgericht oder einer seiner
Senate vom Kaiser an einen anderen Ort als den seines regelmäßigen Sitzes verlegt
werden (§. 72, Abs. 2).
Das Verfahren im Felde tritt ein für das mobilgemachte Heer, beziehungsweise den
mobilgemachten Teil des Heeres oder der Flotte, sowie für die Besatzung eines vom
Feinde bedrohten Platzes; das Bordverfahren tritt ein für jedes im Kriegszustande be-
findliche Schiff, sowie außerdem für die Schiffe, die zum Dienst in außerheimischen Ge-
wässern bestimmt sind, vom Beginn der Reise bis zu deren Beendigung (Einführ. Ges.,
88. 5, 6).
F. Der vom Kaiser ernannte Präsident des Reichsmilitärgerichts, ein
General oder Admiral mit dem Range eines kommandierenden Generals, ist die oberste
Behörde der Justizverwaltung für das Reichsmilitärgericht (§. 73 ff.) und als solche
ebenso wie das Reichsjustizamt dem Reichskanzler untergeordnet (§. 111)1; an der Recht-
sprechung nimmt der Präsident nicht teil (§. 73). Die übrige Militärjustizverwaltung
führen die einzelstaatlichen Kriegsministerien (§. 111).
G. Die Marinestrafgerichtsbarkeit? ist ganz nach den gleichen Gesichts-
punkten organisiert wie flir das Landheer, nur scheidet hier der Kontingentsherr völlig
aus und liegt die ganze Gerichtsgewalt in der Hand des Kaisers. Die niedere Ge-
richtsbarkeit haben die Kommandeure von Matrosen= oder Werftdivisionen, selbständigen
Bataillonen oder Abteilungen; die höhere Gerichtsbarkeit der kommandierende Admiral und
die Chefs der beiden Marincstationen. Ein Oberkriegsgericht wird bei dem Oberkom-
mando der Marine gebildet, dem Reichsmilitärgericht werden durch kaiserliche Ernennung
Stabsoffiziere der Marine beigegeben; dem Befehlshaber einer Flotte oder eines Geschwaders
können richterliche Beamte — in Friedenszeiten ohne ihre Zustimmung nicht für länger
als drei Jahre — durch das Reichsmarineamt beigegeben werden (§. 96, Abs. 2); die
Justizverwaltung für die Marine führt das Reichsmarineamt als Stellvertretungsamt
des Reichskanzlers (§. 111). Über das Bordverfahren, in dem für Schiffe auf der
Fahrt der Schwerpunkt der Gerichtsbarkeit liegt, s. oben E.
H. Beim Reichsmilitärgericht besteht eine aus einem Obermilitäranwalt und einem
oder mehreren Militäranwälten bestehende Militäranwaltschaft. Der Obermilitär-
anwalt ist dem Präsidenten, die Militäranwälte sind dem Obermilitäranwalt untergeordnet.
Die Anwälte müssen die Befähigung zum Richteramte haben, werden vom Kaiser auf
Vorschlag des Bundesrats ernannt und sind nichtrichterliche Militärbeamte, die durch
den Kaiser jederzeit in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden können (§§. 103— 107).
Ein Militäranwalt für den bayerischen Senat des Reichsmilitärgerichts wird vom König
von Bayern ernannt.3
I. Die Militär= und Marinestrafgerichte haben sowohl unter sich als im Ver-
hältnis zu den bürgerlichen Strafgerichten die gegenseitige Verpflichtung der Rechts-
hilfe (Einführ. Ges. z. Militärstrafgerichtsordnung, . 11 ff.).
K. Über Zulassung, beziehungsweise Bestellung von Rechtsanwälten als Ver-
teidiger Militärstrafgerichtsordnung, §. 341 und Einführ. Ges., S. 17.
1 Laband, Bod. I, S. 372. G. v. 9. März 1899 (R. G. Bl., S. 135/,
:„ Laband, RPd. IV, S. 123 f. 8. 1.