Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Disziplinarbehörden. 
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G. 107.) 
Vierter Titel. 
Die Disziplinarbehörden.' 
§. 107. 
I. Die Disziplin? über die Beamten wird teils durch die Verhängung gewisser 
Strafmaßregeln seitens der vorgesetzten Beamten und Behörden, teils durch die in den 
Formen des Strafprozesses ergehenden Entscheidungen seitens besonderer, nach Art der 
Gerichte gebildeter Behörden gehandhabt. 
Die rechtliche Stellung der Beamten in be- 
treff der Disziplin ist eine grundsätzlich verschiedene hinsichtlich der richter- 
lichen und der nichtrichterlichen Beamten. 
Die gegenwärtig geltenden Vor- 
schriften über die Dienstvergehen der Beamten und die unfreiwillige Versetzung derselben 
auf eine andere Stelle oder in den Ruhestand sind hinsichtlich der richterlichen Beamten 
in dem Gesetze v. 7. Mai 1851“" und in dem Zusatzgesetze v. 26. März 1856, hin- 
sichtlich der nichtrichterlichen Beamten in dem Gesetze v. 21. Juli 1852 enthalten. 6 
  
1 Vgl. W. Turnau, Die Justizverfassung in 
Preußen, Tl. II, S. 1 ff. 
: l ber den Begriff der „Disziplin“ s. Laban d, 
Bd. L, S. 439 ff., dagegen Zorn, Bd. I, S . 328 
und die dort angeführte Literatur. 
3 Für die Reichsbeamten sind die entscheiden- 
den Disziplinarbehörden in erster Instanz die 
Disziplinarkammern, in zweiter Instanz der Dis- 
ziplinarhof. Der Disziplinarhof tritt am Sitze 
des Reichsgerichts zusammen. Die näheren Be- 
stimmungen enthalten die §S. 86 ff. des Gesetzes 
v. 31. März 1873, betr. die Rechtsverhältnisse 
der Reichsbeamten (R. G. Bl. 1873, S. 61) und 
8. 1 des Gesetzes v. 16., Juni 1879 (R. G. Bl. 
1879, S. 157), sowie die Geschäftsordn. für die 
Disziplinarbehörden v. 18. April 1880 (Zentralbl. 
1880, S. 204), endlich die Verordnung v. 11. Juli 
1873 (R. G. Bl., S. 293) über die Abgrenzung 
der Disziplinarkammerbezirke. — Vgl. Laband, 
Bd. I. S. 388 ff.; Zorn, Bd. I, S. 382. Für 
Militärbeamte (nämlich die im Heere und in der 
Marine dauernd oder auf Zeit angestellten, nicht 
zum Soldatenstande gehörenden und unter dem 
Kriegeminister oder dem Staatssekretär des Reichs- 
marincamtes stehenden Beamten, welche einen 
Militärrang haben) ist die entscheidende Disziplinar= 
behörde erster Instanz die Militärdisziplinarkom= 
mission; in zweiter Instanz entscheidet auch hier 
der Disziplinarhof. (Vgl. §§. 120 ff. des Reichs- 
beamtenges. v. 31. März 1873, dazu Laband, 
Bd. 1. S. 391.) — Über die richterlichen Militär- 
beamsen“ 1 unten, S. 730. 
4 G. S. 1851, S. 218, und über de Ent- 
sehungegeschichne dicses Gesetzes Bd. 1l. S. 470. 
* G. S. 1856, S. 2010. 
" G. S. 1852, S. 465. Uber dieses Gesetz 
s. oben, Bd. I, S. 471 ff. Was die evangelischen 
Geistlichen und Kirchendiener betrifft, so hatte die 
durch das G. v. 21. Juli 1852 auigebobene Ver- 
ordnung v. 11. Juli 1849 (G. S. 1849, S. 271) 
im §. 1 ausdrücklich bestimmt, daß die Vorschriften 
des Ges. v. 21. Juli 1852, und inebesondere 
dessen Zuständigkeitebestimmungen, auf dieselben 
  
keine Anwendung finden; bei der Beratung des 
Gesetzes in den Kammern wurde indes beschlossen, 
diesen Satz in das Gesetz nicht aufzunehmen, 
weil derselbe aus dem (durch das G. v. 18. Junie 
1875 aufgehobenen) Art. 15 der Verf. Urk. von 
selbst folge, wonach Geistliche als solche keine 
Staatsbeamte sind. (Vgl. den Ber. der Komm. 
der II. K. v. 7. April 1851 'zum §. 1] in den 
Stenogr. Ber. der II. K. 1850—51, Bd. 1IV, 
S. 1006, und die Verhandl. darüber a. a. O., 
Bd. II, S. 1041, desgl. Stenogr. Ber. der II. K. 
1850—51, Bd. II, S. 991—993, und der I. K. 
1850—51, Bd. I. S. 63—64.) Die Disziplin 
über die evangelischen Geistlichen war seit den 
Zeiten der Resormation den landesherrlich ein- 
gesetzten Kirchenbehörden (den Konsistorien) an- 
vertraut. Nur in denjenigen Landesteilen, in 
welchen die evangel. Kirche unter kathol. Landes- 
herren stand (in Jülich, Cleve, Berg und Mark 
und in Posen), übten bis in die neuere Zeit die 
dort bestehenden Synoden eine kirchliche Dis- 
ziplinargewalt. Im J.1748 wurde durch eine Ver- 
ordnung Friedrichs II. die Disziplinargewalt der 
Konsistorien bis auf ein sehr geringes Maß ein- 
geschränkt, alle schwereren Disziplinarstrafen aber, 
namentlich die Amtsentsetzung, wurden an die 
Justizbehörden verwiesen. Indes wurde schon 
durch das Ed. v. 16. Mai 1760 den Konsistorien 
die Strafgewalt bis auf Festsetzung einer Geld- 
strafe von 30 Taler und bis auf Verhängung 
einer Suspension auf veei Monate wieder zurück- 
gegeben. Das A. legt in den 88. 532 
—534, Tit. 11, Tl. 8 Fn onsistorien die volle 
Dis#plinargewalt, bis zur Amteentsetzung ein- 
schließlich, wieder bei, ließ aber in den Justizkollegien 
eine zweite Instanz für die Fälle der Amtsentsetzung 
fortbestehen. Die Kab. O. v. 17. Dez. 1805 
(Mylius. J. C. C. Tom. Xll. pag. 859, Rabe, 
Samml., Bd. VIII, S. 426) errichtete über dieser 
zweiten gerichnichen, Instanz wiederum eine 
dritte geistliche Instanz, das Departement der 
geistl. Ang., mit dem Rechte der Strafverschärfung. 
(Vgl. das Zirk. Reskr. der Sektion im Min. des
	        
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