Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Disziplinarbehörden. (8. 107.) 731 
III. Die Disziplinarbehörden für nichtrichterliche Beamte. 
A. Disziplinargerichte für die nichtrichterlichen Beamten des unmittelbaren Staats- 
dienstes sind in erster Instanz: der Disziplinarhof und die Provinzialbehörden, in zweiter 
Instanz das Staatsministerium. 
1. Der Disziplinarhof, welcher seinen Sitz in Berlin hat, ist die entscheidende 
Disziplinarbehörde erster Instanz in Ansehung derjenigen nichtrichterlichen Beamten, zu 
deren Anstellung nach den Bestimmungen, welche zur Zeit der verfügten Einleitung der 
Untersuchung galten, eine von dem Könige oder von den Ministern ausgehende Er- 
nennung, Bestätigung oder Genehmigung erforderlich ist. Der Disziplinarhof ist dem 
Staatsministerium untergeordnet? und besteht aus einem Präsidenten und zehn anderen 
Mitgliedern, von denen wenigstens vier zu den Mitgliedern des Kammergerichts gehören 
müssen. Der Präsident und die Mitglieder des Disziplinarhofes werden von dem Könige 
auf drei Jahre ernannt; ein Mitglied, welches im Laufe dieser Periode ernannt wird, 
bleibt nur bis zum Ende derselben in Tätigkeit; die ausscheidenden Mitglieder können 
wieder ernannt werden. Zur Erledigung der Disziplinarsachen ist bei dem Disziplinar- 
hofe die Teilnahme von wenigstens sieben Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden er- 
forderlich, von denen wenigstens zwei zu den Mitgliedern des Kammergerichts gehören müssen." 
2. Die Provinzialbehörden, nämlich die Regierungen, die Provinzialschulkollegien, 
die Provinzialsteuerdirektionen, die Oberbergämter, die Generalkommissionen, das Polizei- 
präsidium zu Berlin, die königlichen Eisenbahndirektionen? bilden die entscheidenden Dis- 
ziplinarbehörden erster Instanz in Ansehung aller Beamten“, die bei ihnen angestellt oder 
ihnen untergeordnet und nicht unter den vorstehend zu 1 gedachten Beamten begriffen 
sind.“ Den Provinzialbehörden sind in dieser Beziehung gleichgestellt die unter den 
Ministern stehenden Zentralverwaltungsbehörden in Dienstzweigen, für welche keine Pro- 
vinzialbehörden bestehen, sowie die Generallandschafts= und Hauptritterschaftsdirektionen, 
ferner die Direktion für die Verwaltung der direkten Steuern in Berlin.? — Die Zu- 
ständigkeit der Provinzialbehörden kann von dem Staatsministerium auf einzelne Kategorien 
solcher Beamten ausgedehnt werden, welche von den Ministern ernannt oder bestätigt 
werden, aber nicht zu den etatsmäßigen Mitgliedern einer Provinzialbehörde gehören.0 
Bei den Provinzialbehörden werden die Disziplinarsachen in Plenarsitzungen erledigt, an 
  
1 G. v. 21. Juli 1852, §. 24, Ziffer 1. — 
Zu diesen Beamten gehören auch die Beamten 
der Staatsanwaltschaft, jedoch mit Ausschluß der 
Amtsanwälte. Der Disziplinarhof hat auch in 
Disziplinaruntersuchungen gegen den preuß. Zoll- 
direktor im Großherzogtum Luxemburg in erster 
Instanz und das preuß. Staatsministerium in der 
Berufungeinstanz nach den Bestimmungen der 
preuß. Gesetze zu entscheiden. Die übrigen in den 
großherzogl. luxemburgischen Zolldienst übernom- 
menen preuß. Beamten stehen in Disziplinarsachen 
unter dem luxemburgischen Disziplinargerichte, 
gegen dessen Entscheidungen sie indes die Berufung an 
das preuß. Staateministerium haben, welches dann 
nach preuß. Gesetzen zu entscheiden hat (Allerhöchster 
Erlaß v. 19. März 1856, G. S. 1856, S. 173). 
* Vgl. oben, S. 367. 
* §. 29 des Ges. v. 21. Juli 1852 und §. 13 
des Ges. v. 9. April 1879. 
* F. 30 des Ges. v. 21. Juli 1852 und §S. 13 
des Ges. v. 9. April 1879. » 
s Gemäß G. v. 17. Juni 1880, betr. die lber- 
tragung von Befugnissen, welche den Provinzial- 
behörden und deren Vorstehern geseblich vor- 
behalten sind, auf die königl. Eisenbahndirektionen 
und deren Vorsteher (G. S. 1880, S. 271)0. gl. 
den Entwurf dieses Gesetzes nebst Motiven in 
den Stenogr. Ber. des Abg. H. 1879—80, Anl. 
  
Bd. III. Aktenst. Nr. 209, S. 2262 ff., dazu 
Verwaltungcordn. für die Staatseisenb. v. 17. März 
1902 (G. S., S. 1310, §. 6. Ferner Allerh. Erl. 
v. 15. Dez. 1894 (G. S. 1895, S. 11) und 
v. 16. Dez. 1896 (G. S., S. 253). Für die An- 
siedlungskommission s. Verordnung v. 21. Juni 
1886 (G. S., S. 159), §§. 2, 7, für die Beamten 
der Zentralgenossenschaftskasse s. Verordnung v. 
2. Aug. 1899 (G. S., S. 397), S§. 3, 4. 
* Art. IV der Verordnung v. 23. Sept. 1867 
(G. S., S. 1613) enthielt einen Vorbehalt für 
die neuen Provinzen, der jetzt gegenstandelos ist. 
7 §. 24, Ziffer 2 des Ges. v. 21. Juli 1852. 
s 8. 24, Abs. 2 des Ges. v. 21. Juli 1852 u. 
Art. IV der Verordnung v. 23. Sept. 1867. — 
Für diejenigen Kategorien von Beamten, welche 
nicht unter den im §. 24 des Ges. v. 20. Juli 
1852 bezeichneten begriffen sind, ist die Regierung, 
in deren Bezirk sie fungieren, und für die in 
Berlin oder im Auslande fungierenden die Re- 
gierung in Potsdam die entscheidende Disziplinar- 
behörde (s. 25 des Ges. v. 21. Juli 1852, dazu 
L. V. G., §. 47). 
* L. V. G., §. 45, Abs. 2. 
10 §. 26 des Ges. v. 21. Juli 1852. — Das 
Staateministerium hat, von dieser Befugnis Ge- 
brauch machend, die betr. Beamtenkategorien durch 
die Beschlüsse v. 23. Aug. 1853, 16. März 1851,
	        
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