Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Die Disziplinarbehörden. (8. 107.) 735 
Auf das ehrengerichtliche Verfahren finden die Vorschriften der Deutschen Straf- 
prozeßordnung insoweit Anwendung, als sich nicht aus der Rechtsanwaltsordnung Ab- 
weichungen ergeben. Die ehrengerichtlichen Strafen sind Warnung, Verweis, Geld- 
strafe bis 3000 Mark, welche zur Kasse der Kammer fließt?, und Ausschließung von 
der Rechtsanwaltschaft. 
VI. Die akademische Disziplin. 
1. Den in früheren Zeiten gegründeten Universitäten wurde in der Regel durch 
die Stiftungsurkunden die eigene Gerichtsbarkeit über die Lehrer und Studierenden, so- 
wie über die übrigen zur Universität gehörenden Personen eingeräumt. Auch die Uni- 
versitäten im Preußischen Staate hatten von jeher eine solche, mehr oder minder aus- 
gedehnte Gerichtsbarkeit ", welche indes durch das Reglement v. 28. Dez. 1810 wegen 
Einrichtung der akademischen Gerichtsbarkeit bei den Universitäten? aufgehoben wurde. 
Dies Reglement bestimmte, daß die Rektoren, Professoren, Privatdozenten, Syndizi und 
Sekretäre der Universitäten künftig den Gerichtsstand königlicher Staatsbeamten haben, 
alle anderen Universitätsverwandten aber unter denjenigen Gerichten stehen sollten, denen 
andere Bürger ihres Ranges oder Standes nach allgemein gesetzlichen Bestimmungen zu- 
gewiesen sind." Nur den Studierenden selbst wurde, ohne Unterschied ihrer Herkunft, ein 
besonderer Gerichtsstand, und zwar in der Regel der der Eximierten an dem Orte der 
Universität, beigelegt. Zugleich wurde indes bestimmt, daß den akademischen Obrig- 
keiten die ausgedehnte Disziplin und Polizeigewalt in allen rein akademischen und einigen 
besonders vorbehaltenen Fällen, außerdem aber die Instruktion und das Erkenntnis wegen 
gewisser Zivilansprüche an die Studierenden vorbehalten bleibe. Zur Ausübung dieser 
Befugnisse war die Zuordnung eines rechtskundigen Syndikus angeordnet, welcher in 
Zivilsachen allein erkennen, in betreff der Disziplin und Strafgewalt aber mit dem 
Rektor und Senat gemeinschaftlich handeln sollte.“ Das Reglement v. 18. Nov. 1819 
über die Verwaltung der akademischen Disziplin und Polizeigewalt bei den Universitäten!o 
traf demnächst anderweitige Anordnungen hierüber und bestimmte insbesondere, daß bei 
jeder Universität statt des Syndikus ein eigener Universitätsrichter anzustellen sei, welchem 
hauptsächlich die Verwaltung der akademischen Disziplin und Polizeigewalt übertragen 
wurde. Das Reglement v. 28. Dez. 1810, mit den durch das Reglement v. 18. Nov. 
1819 angeordneten Abänderungen, kam auch für die Universitäten Bonn und Greifs- 
wald, mit den durch die Verschiedenheit der in der Rheinprovinz, beziehungsweise in 
Neuvorpommern, geltenden Gesetzgebung bedingten Modifikationen, zur Anwendung. 11 Die 
Verordnung v. 2. Jan. 1849 über die anderweitige Organisation der Gerichte 12 sprach 
dann im §. 10 aus, daß der Gerichtsstand der Studierenden durch ein besonderes Ge- 
setz anderweit bestimmt werden solle, setzte aber zugleich fest, daß es bis dahin bei den 
bisherigen Vorschriften verbleibe. 
Was die Universitäten in den im Jahre 1866 mit der Monarchie vereinigten 
Landesteilen betrifft, so hatte bezüglich des Universitätsgerichts zu Göttingen der §. 11 
des hannöverschen Gerichtsverfassungsgesetzes v. 8. Nov. 1850 18 bestimmt, daß dieses 
Gericht fortbestehen, jedoch dessen Gerichtsbarkeit neugeordnet werden solle. Dies ist 
  
1 6S. 66, 69—88, 91 a. a. O. 
2 g. 97 a. a. O. 
2 §. 63 a. a. O. 
4 Das A. L. R., Teil II, Tit. 12, §§. 69—72 
setzt diese Gerichtsbarkeit als bestehend voraus. 
Vgl. auch A. G. O., Teil 1, Tit. 2, 88. 75, 76. 
Uber die verschiedene Ausdehnung derselben val. 
Starke, Beiträge zur Kenntnis der bestehenden 
Gerichtsverfassung, Tl. 1, §. 124, 125, S. 339 ff. 
5* G. S. 1810, S. 142 ff. 
* S§. 1—3 des Regl. v. 28. Dez. 1810. Der 
eximierte Gerichtsstand der Universitätslehrer usw. 
ist demnächst durch den §. 9 der Verordnung v. 
2. Jan. 1849 (G. S. 18349, S. 1) aufgehoben 
worden. 
  
7 Regl. v. 28. Dez. 1810, 88. 4—6. Auch 
diese Exemtion ist durch den §. 9 der Verordnung 
v. 2. Jan. 1849 beseitigt. 
* Regl. v. 28. Dez. 1810, S§S. 7—13. 
* A. a. O., §§. 14—17. 
10 G. S. 1819, S. 238 ff. 
11 Vgl. das Nähere hierüber in v. Rönne, 
Unterrichtswesen des Preuß. Staates, Bd. II, S. 
473—475, und bei Starke, a. a. O., S. 341. 
In betreff der Universität Greifswald insbesondere 
*G*o Kab. O. v. 15. März 1835 (G. S. 1835, 
S. 41). 
1# G. S. 1849, S. 1 ff. 
18 G. S. für Hannover 1850, Abt. I, S. 207.
	        
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