Gesetzlich bevorzugte Staatsbürger. (§. 51.) 67
der kurhessischen Verfassungsurkunde v. 5. Jan. 1831 hatte bezüglich der Rechtsverhält-
nisse der Standesherrschaften bestimmt, daß dieselben in Gemäßheit der bundesgesetzlichen
Bestimmungen, und nach vorgängiger näherer Verständigung der Staatsregierung mit
den Standesherren, durch ein Edikt geordnet werden sollten. Infolgedessen ist das Edikt
v. 29. Mai 1833 über die besonderen Rechtsverhältnisse der kurhessischen Standesherren!
ergangen, welches indes durch das Gesetz v. 13. Nov. 18492 die wesentliche Abänderung
erlitten hat, daß die danach den Standesherren zustehenden Rechte der Gerichtsbarkeit,
der Polizei= und sonstigen Verwaltung, der Aufsicht in Kirchen= und Schulsachen mit
allen Nutzungen, Zubehörungen und Lasten auf den Staat übertragen worden sind,
welcher dieselben durch seine Gerichts= und Verwaltungsbehörden ausübt. Abgesehen
von den hiernach aufgehobenen Bestimmungen des Edikts v. 29. Mai 1833 enthält das-
selbe folgende Festsetzungen der standesherrlichen Rechtsverhältnisse:
a) Den Standesherren und ihren Familien, welche zum hohen Adel in Deutschland
gehören, und welchen das Recht der Ebenbürtigkeit verbleibt, sollen bei allen feierlichen
Gelegenheiten diejenigen Vorzlge zuteil werden, welche ihren besonderen Standesverhältnissen
angemessen sind (§. 3). Die Häupter der Familien haben bei jeder Regierungsveränderung
und bei vorkommender Erbfolge in die Standesherrschaft dem Landesfürsten und dessen
Nachfolgern in der Regierung die Huldigung zu leisten (§. 4). Sie und ihre Familien
führen die vor Auflösung der deutschen Reichsverbindung gebrauchten Titel und Wappen
fort, jedoch mit Weglassung solcher Worte und Symbole, durch welche ihr früheres Verhältnis
zum Deutschen Reiche oder ihre vormalige Eigenschaft reichsständischer oder reichsunmittel-
barer Landesherren bezeichnet wurde (§. 5). Der §. 6 bestimmt über das Kanzleizeremoniell;
der §. 7 über das Kirchengebet für den Standesherrn und dessen Familie; der §. 8
über öffentliche Trauer bei Sterbefällen des Standesherrn oder der Mitglieder der Familie
desselben. Den Standesherren steht das Recht zu, Ehrenwachen zu halten, welche aus
Inländern, die ihrer Militärpflicht bereits entledigt sind, bestehen (§. 9). Sie haben
das Recht des freien Aufenthaltes in jedem zum Deutschen Bunde gehörenden oder mit
demselben in Frieden lebenden Staate, auch dürfen sie daselbst in Zivil-- oder Militär-
dienste treten (. 10). Sie und die Mitglieder ihrer Familien sind von aller Militär-
pflichtigkeit frei, desgleichen von der Teilnahme an irgend einer Bürger= oder ähnlichen
Landesbewaffnung (§. 11). Der §. 12 bestimmt die fortbestehende Geltung ihrer Familien-=
verträge nach der früheren deutschen Verfassung und gewährleistet die Fortdauer ihres
und der ob. zu c) aufgeführte Graf zu Isenburg= ! S. 908, Note b). Der ob. zu d) aufgeführte Graf
Meerholz, ihre Anteile an dem Orte Rückingen
im J. 1853 dem ob. zu a) aufgeführten Fürsten
zu Isenburg-Birstein abgetreten haben, so daß
dieser letztere jetzt alleiniger Besitzer von Rückingen
ist (vgl. Oelzen in Behrendts Zeitschr. für &
setzgebung und Rechtspflege in Preußen, Bd. III,
S. 760. Daher ist es auch unrichtig, wenn der
Fürst Isenburg-Wächtersbach und der Graf zu
Isenburg-Meerholz in dem Berichte der Matrikel-
komm. des H. H. v. 20. Jan. 1868 (Drucks.
des H. H. 1367—68, Nr. 54, S. 3, Stenogr.
Ber. desselb. 1867—68, Bd. II, Aktenst. Nr. 54,
S. 139) als Mitbesitzer von Rückingen bezeichnet
werden, und ebenso ist es unrichtig, wenn in dem
Berichte der Matrikelkomm. des H. H. v. 16.
Dez. 1868 (Stenogr. Ber. des H. H. 1868—69,
Bd. II, Aktenst. Nr. 42, S. 225) der Fürst zu
Isenburg-Birstein nur als Besitzer eines Anteils
von Rückingen bezeichnet wird. — Der Ort
Rückingen war übrigens früher nicht reichsstän-
disch, sondern gehörte zu der mittelrheinischen
Reichsritterschaft (vgl. Klüber, Off. R. des d.
B., S. 907—908). Die Fürsten und Grafen
zu Isenburg sind gleichzeitig großherzoglich hessische
Standesherren (vgl. hierüber Klüber, a. a. O.,
zu Solms-Rödelheim ist wegen des Markt-
fleckens Praunheim sowohl kurfürstlich-, als groß-
herzoglich -hessischer Standesherr (vgl. hierüber
Klüber, a. a. O., S. 908, Note b). Wegen
des Amtes Rödelheim war derselbe standesherrlich
dem Großherzogtume Hessen unterworfen (pvgl.
Klüber, a. a. O., S. 910). Durch den Art.
XIV des Friedensvertrages v. 3. Sept. 1866 (val.
in Glasers Archiv des Nordd. Bundes, H. I,
S. 61 ff.) ist jedoch der großherzoglich hessische
Ortsbezirk Rödelheim an Preußen abgetreten und
daher der Graf zu Solms-Rödelheim in bezug
hierauf jetzt als Standesherr der Krone Preußen
unterworfen. Seine standesherrlichen Verhältnisse
bleiben indes bezüglich des großherzogl. hessischen
Anteils an Praunheim und wegen Rödelheim
nach dem großherzogl. hessischen Ed., betr. die
standesherrl. Verhältn. v. 17. Febr. 1820, zu be-
urteilen.
1 G. S. für Kurhessen, 1833, S. 113.
* Ebendas. 1849, S. 125. — Uber die Aus-
führung des G. v. 13. Nov. 1849 ist die Ver-
ordnung des M. d. Inn. v. 20. Dez. 1849 (eben-
das., S. 144) ergangen.
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