74 Das Staatsbürgerrecht. (8. 52.)
21. Jan. 1837, betreffend die autonomische Sukzessionsbefugnis der rheinischen Ritter-
schaft und das darüber stattfindende schiedsrichterliche Verfahren.I Diese Verordnung
gewährt den Mitgliedern der Familien der ritterbürtigen rheinischen Ritterschaft, welche
ein Autonomierecht bereits unter den früheren Regierungen ausgeübt haben, die Dis-
positionsbefugnis, insofern Verträge, Fideikommisse oder andere beschränkende Familien-
verbindungen nicht entgegenstehen, mit Abweichung vom gemeinen oder Provinzialrechte
und insonderheit ohne durch einen Pflichtteil beschränkt zu sein, nach freiem Gutbefinden
die Erbfolge in ihren Nachlaß unter ihren Kindern, oder wenn diese vor ihnen ver-
storben sind, deren Kindern, die Bevorzugung eines derselben vor den anderen, und die
Abfindung und Aussteuer der letzteren, sowie das Wittum, die Absfindung und die
übrigen Vermögensverhältnisse des überlebenden Ehegatten, und überhaupt alles, was
auf die Erbfolge in ihren Nachlaß Bezug hat, festzusetzen und anzuordnen. Diese Be-
fugnis steht aber nur denjenigen Mitgliedern der gedachten Familien zu, welche ein
landtagsfähiges Rittergut in der Rheinprovinz allein oder gemeinschaftlich mit einem
anderen besitzen, und es ist die Ausübung dieses Sonderrechtes außerdem an die
Bedingung geknüpft, daß für die standesmäßige Erziehung, Abfindung und Aus-
steuer der übrigen Kinder und für die Versorgung des überlebenden Ehegatten gesorgt
werde, zu welchem Zwecke eine Stiftung zu begründen ist, so daß von der Teilnahme
an dieser letzteren die autonomische Dispositionsbefugnis abhängig sein soll. Streitig=
keiten über die Verpflichtung zur standesmäßigen Erziehung, Abfindung und Aussteuer
sollen von einem ebenbürtigen Schiedsgerichte, über dessen Bildung und Verfahren spezielle
Vorschriften erteilt sind, unter Ausschließung der Kompetenz der ordentlichen Gerichte,
entschieden werden, so daß die Kompetenz der letzteren sich auf die formelle Rechts-
beständigkeit der Dispositionsakte beschränkt. Die antonomische Dispositionsbefugnis findet
auch bei Fideikommissen Anwendung, hinsichtlich deren Bestätigung es indes bei den be-
stehenden Vorschriften bewendet.) Das Einf. G. z. B. G. B. hat in Art. 216 ausdrück-
mittelbaren Nitterschaft überhaupt: Klüber, Öff.
R. des d. B., §§. 320—327; Zöpfl, Grunds.
des allgem. d. St. R., 5. Aufl., Bd. I, S. 155 ff.,
u. Zachariä, d. St. u. B. R., 3. Aufl., Bd. I,
S. 537 ff., und die dort angezogene Literatur,
besonders: Frhr. Roth v. Schreckenstein, Ge-
schichte der ehemaligen Reichsritterschaft, 2 Bde.
(Tübingen, 1871). Abgesehen von dem oben im
Texte gedachten Autonomierechte stehen die der
Souveränität der Krone Preußen unterworfenen
Familien der vormaligen Reichsritterschaft dem
übrigen landsässigen Adel im Preuß. Staate völlig
gleich, da hinsichtlich ihrer eine Ausnahme von
den Grundsätzen des Art. 4 der Verf.-Urk., wie
sie betreffs der Standesherren im Sinne der Bun-
desakte durch die Dekl. v. 10. Juni 1854 fest-
gesetzt worden ist, nicht gemacht wurde.
1 G. S. 1837, S. 7 ff. — Das neugeschaffene
Institut fand den heftigsten Widerspruch nicht
bloß von seiten der anderen Stände, sondern auch
aus dem Stande der Rittergutsbesitzer selbst, und
der fünfte rheinische Prov.-Landtag vom Jahre
1837 beschloß in bezug darauf einen Antrag an
den König zu richten, welcher im wesentlichen
dahin lautete: „daß die in der Verord. v. 21.
Jan. 1837 und in dem Statut der sog. rheini-
schen Autonomen wieder hergestellte autonomische
Befugnis gewisser ritterschaftlicher Geschlechter in
dem von ihnen gezeichneten und behaupteten Um-
fange in den Rheinlanden zu keiner Zeit dage-
wesen sei, daß also die königliche Bestätigung
des Statuts gleichsam durch Erschleichung er-
langt sei, weshalb des Königs Majestät zu
bitten, eine Durchsicht der betr. Verordnungen,
eine nähere Prüfung der behaupteten früheren
autonomischen Befugnisse und die Suspension der
legislatorischen Bestimmungen v. 16. Jan. 1836
und v. 31. Jan. 1837, sowie des Statuts v. 28.
Febr. 1837 zu verordnen“. Diese Anträge lehnte
indes der Landtagsabschied v. 26. März 1839
(sub B, Nr. 16) mit dem Bemerken ab, „daß
durch die gedachten Verordnungen die Rechte
dritter Personen in keiner Weise verletzt würden
und daß dieselben keine Bevorzugung eines Stan-
des auf Kosten eines anderen enthielten“. Agl.
Bergius, Ergänz. zur Gesetzsamml., S. 650,
ferner die Streitschrift von E. M. Arndt, die
rheinischen ritterbürtigen Autonomen (Leipzig,
1844). Vgl. auch: Das Schiedsgericht der rhei-
nischen Autonomie und die Lizitation von Schlen-
derhan (Köln, 1871).
2 Nur denjenigen Familienhäuptern ist diese
Befugnis beigelegt worden, welche bis zum 1. Mai
1837 der Stiftung für die rheinische ritterbürtige
Ritterschaft beigetreten sind (Kab. O. v. 29. Dez.
1836, v. Kamptz, Jahrb., Bd. XLVIII, S. 527).
5 Die Gesetzgebung über die Fideikommisse in
den Landesteilen, wo die französische Gesetzgebung
eingeführt worden ist und teilweise noch gilt, hat
die betreffenden Bestimmungen der französischen
Geseugebung teilweise wieder beseitigt: a) In den
Landesteilen, welche zum vormaligen Königreiche
Westfalen gehört haben, veranlaßte der Art. 396
des (ode Jap. eine Rechtsunsicherheit, indem
derselbe die fidcikomm. Substitutionen verbietet.
Die Dekrete des Königs von Westfalen v. 9. Jan.