Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Zweiter Band. (2)

Grundpflichten und Grundrechte. (8. 53.) 83 
territorialen Voraussetzung dieser Pflicht, andererseits weil an ihre Stelle die Gehorsams- 
pflicht gegenüber der Gesetzgebung eines anderen Staates tritt!; einzelne Gesetze aber 
wirken auch auf den Inländer im Auslande fort, so besonders diejenigen, die auf der 
besonderen Treuepflicht beruhen, wie die Militärgesetze, gewisse Vorschriften des Staats- 
angehörigkeitsgesetzes (8§§. 20 u. 22)2 und gewisse Vorschriften des Strafgesetzbuches. 
III. Der Gehorsam gegen die Gesetze: sowie gegen die Verfügungen der Staats- 
regierung und der von ihr eingesetzten Behörden ist gleichfalls Untertanenpflicht.“ Allein 
nur die Despotie?" fordert den unbedingten Gehorsam. Im Rechtsstaate" dagegen beherrscht 
zwar der Grundsatz des unbedingten Gehorsams aus zwingenden Gründen allerdings 
auch das gesamte militärische Leben, für das bürgerliche Leben dagegen ist die Pflicht 
des Gehorsams der Staatsbürger bedingt durch die Verfassung, an die alle An- 
ordnungen der Staatsgewalt gebunden sind. Selbstverständlich steht auch das militärische 
Leben des Staates im Rahmen der Verfassung und unter der Verfassung; trotzdem ist 
  
1 Laband, BZd. I, S. 128; die entgegenge- 
setzte Auffassung von Bornhak a. a. O. wider- 
spricht doch einfach den tatsächlichen Verhältnissen. 
1 S. hierher Bd. I. S. 626. 
3 Die Literatur über den verfassungsmäßigen 
Gehorsam ist am vollständigsten mitgeteilt und 
beleuchtet in R. v. Mohl, Geschichte der Literatur 
der Staatswissenschaften, Bd. I, S. 320—334. 
Vgll. Feuerbach, Anti-Hobbes, oder über die 
Grenzen der höchsten Gewalt (Erfurt, 1798, 
1803); (Buchholz), Antileviathan, oder über 
das Verhältnis der Moral zum äußeren Rechte 
und der Politik (Göttingen, 1807); F. Mur- 
hard, Über Widerstand, Empörung und Zwangs- 
übung der Staatsbürger gegen die bestehende 
Staatsgewalt (Braunschweig, 1832); Venedey, 
John Hampden und die Lehre vom gesetzlichen 
Widerstande (Duisburg, 1865); vgl. auch R. v. 
Mohl, Württemberg. St. R., 2. Aufl., Bd. I, 
S. 323 ff.; Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl., 
Bd. l. S. 472—476; Maurenbrecher, Grund- 
sätze des d. St. R., S. 77 ff.; Held, System 
des Verf. R., Bd. II, S. 592 ff.; Zöpfl, 
Grunds. des gem. d. St. R., 5. Aufl., Bd. II, 
S. 3 ff.; Bluntschli, Allgem. St. R., 2. Aufl., 
Bd. II, S. 528 ff., und dessen Staatswörterbuch, 
Bd. IV, S. 81—93; Stahl, Philosophie des 
Rechts, 3. Aufl., Bd. II, Abt. 2, S. 541 ff.; 
G. Meyer, Lehrb. des d. St. R., S. 739 ff.; 
H. Schulze, Preuß. St. R., Bd. I. S. 357 ff.; 
L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, 2. Aufll., 
Teil I. S. 330 ff.; H. A. Zachariä, im Staats- 
lerikon, 3. Aufl., den Art.: „Gehorsam u. Wider- 
stand“ in Bd. VI, S. 209 ff.; L. Reyscher, 
Publizist. Versuche, S. 284 ff. — Bezüglich 
Englands vgl. Gneist, Das englische Verwal- 
tungsrecht, 2. Aufl., Bd. II, S. 701 (Der 
Grundsatz des verfassungsmäßigen Gehorsams). 
* Die Untertanenpflichten erhielten 
Territorien des vormaligen Deutschen Reiches eine 
besondere Bekräftigung durch die Ableistung des 
Huldigungseides (homagium plenum s. uni- 
versale), welcher dem Landesherrn beim Antritte 
seiner Regierung von allen Untertanen geleistet, 
außerdem aber von den in den Staatsverband 
eintretenden Personen bei erfolgter Aufnahme 
oder Niederlassung und von den im Staate Ge- 
borenen bei erlangter Volljährigkeit geleistet wurde. 
Ein solcher Eid wurde häufig auch von solchen 
Personen gefordert, welche innerhalb des betr. 
in den 
  
Territoriums mit Grundbesitz angesessen waren 
(homagium minus plenum s. particulare). 
Im preuß. Staate hat seit Erlaß der Verfassung 
eine allgemeine Huldigung beim Regierungsan- 
tritte des Königs nicht mehr stattgefunden. Durch 
G. v. 18. Mai 1874 (6. S. S. 195) ist jede 
Verpflichtung zur Ableistung des Homagialeides 
aufgehoben worden. Nicht auf ihrem Untertans- 
verhältnisse, sondern ihrer speziellen Rechtsstellung 
beruht der Eid der Staatsbeamten und Landtags- 
mitglieder, Art. 108, Verf. Urk. 
5 In welcher der Herrscher zu allem, der 
Untertan als solcher zu nichts berechtigt ist. 
* Es finden sich bereits im A. L. R. Be- 
stimmungen, welche zeigen, daß die Staatsgewalt 
nicht einmal von den Beamten einen blinden 
Gehorsam fordert. So bestimmt das A. L. 
R. im Teil I, Tit. 6, §. 45: Wer den Befehl 
dessen, dem er zu gehorchen schuldig ist, vollzieht, 
kann in der Regel zu keinem Schadenersatz an- 
gehalten werden. §. 46: Er muß aber dafür 
haften, wenn die befohlene Handlung in den Ge- 
setzen ausdrücklich verboten ist. 8. 47: Wer 
vermöge seines Standes oder Amtes die Befehle 
seiner Vorgesetzten ohne Einschränkung zu befolgen 
verpflichtet ist, von dem kann nicht gefordert 
werden, daß er einen in Dienstgeschäften ihm ge- 
schehenen Auftrag seiner Oberen prüfe. §. 43: 
Dem, der aus Unwissenheit einen gesetzwidrigen 
Befehl ausgerichtet hat, bleibt der Regreß gegen 
den Befehlenden vorbehalten. §. 49: Wer die 
Grenzen des erhaltenen Befehles üÜberschreitet, 
macht sich allemal zum Ersatz des dadurch ent- 
standenen Schadens verantwortlich. — Bei der 
Bestimmung im S§. 47 ist, wie die Materialien 
ergeben, nur an den Soldatenstand gedacht 
worden (vgl. die Motive der Gesetzrevision zum 
A. L. R., I, 6, §. 166). Zivilbeamte sind 
also zum Schadenersatze verpflichtet, wenn sie 
einen Befehl vollzogen haben, der eine in den Ge- 
setzen ausdrücklich verbotene Handlung anordnet, 
und sie haben (nach §. 48) nur dann den Re- 
greß gegen den Befehlenden, wenn sie aus Un- 
wissenheit den gesetzwidrigen Befehl ausgerichtet 
haben. Allemal aber sind sie zum Schadenersatz 
verpflichtet, wenn sie die Grenzen des Befehls 
überschritten haben (F. 49). S. hierüber Bd. 1, 
S. 460 f. Jetzt Bürg. G. B. §. B339 und die 
hierzu bereits erwachsene umfangreiche Literatur. 
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