Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (§. 118.) 97
Ansicht des Abgeordnetenhauses entspricht dem unzweifelhaften, aus dem Wortlaute des
Abs. 3 des Art. 62 der Verfassungsurkunde sich ergebenden Sinne desselben. Da das
Herrenhaus über das Budget nur im ganzen (en bloc) beschließen kann, so ist ihm
das Recht, zu amendieren, entzogen; das Abgeordnetenhaus allein ist berechtigt, den
von der Staatsregierung vorgelegten Etatsgesetzentwurf in seinen einzelnen Positionen
zu amendieren. Diese Amendierung erfolgt der Staatsregierung gegenüber, welche ihre
Positionen zu verteidigen und festzuhalten sucht. Ist über alle einzelnen Positionen
nach den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses entschieden, so kann nur allein dieser
aus den Beschlüssen des Abgeordnetenhauses hervorgegangene Etatsgesetzentwurf noch
Gegenstand der weiteren Beschlußnahme sein. Infolge der Verhandlungen zwischen
der Staatsregierung und dem Abgeordnetenhause wird der von jener vorgelegte Gesetz-
entwurf teils durch Zugeständnisse der Staatsregierung, teils durch die Beschlüsse des
Abgeordnetenhauses so verändert, daß das daraus hervorgehende neue Etatsgesetz voll-
ständig an die Stelle des vorgelegten Gesetzentwurfes getreten ist und über die ursprüng-
liche Vorlage der Staatsregierung eine Ubereinstimmung der drei Faktoren der Gesetz-
gebung nicht mehr erreicht werden kann. Es können nicht zwei Budgetentwürfe für das-
selbe Jahr nebeneinander bestehen; sie können nicht gleichzeitig zum Gesetze erhoben wer-
den, weil der eine den anderen ausschließt. Der eine kann daher nur als Amendement
des anderen gelten; das Herrenhaus aber darf nicht über beide abstimmen, weil es sonst
über ein Amendement abstimmen würde. Das Herrenhaus kann überhaupt nur über
ein Budget Beschluß zu fassen berechtigt sein, wenn die Herbeiführung einer Uber-
einstimmung hinsichtlich desselben möglich bleiben soll. In dieser einen Abstimmung,
die ihm der Abs. 3 des Art. 62 überhaupt nur gestattet, stimmt dasselbe auch über
die ursprüngliche Vorlage der Staatsregierung ab, insoweit letztere nämlich auch noch
in dem amendierten Etatsgesetzentwurfe enthalten ist; es kann dagegen über den unver-
änderten Entwurf der Staatsregierung nicht mehr abstimmen, weil dieser eben nicht
mehr unverändert besteht, sondern in verfassungsmäßig berechtigter Weise von dem einen
Faktor sowohl als von dem anderen bereits verändert worden ist. Dem Herrenhause
gebührt nur das Recht, zu erwägen, ob es die Annahme des solchergestalt amendierten
Budgets mit dem Staatswohle vereinbar hält, und danach die Annahme oder Ablehnung
desselben im ganzen zu beschließen. Ersterenfalls bleibt dann dem Staatsministerium
zu erwägen übrig, ob es der Krone die Sanktion und Publikation desselben empfehlen
könne. Die Abstimmung des Herrenhauses aber über ein anderes als das vom
Abgeordnetenhause amendierte Budget ist in der Verfassung nicht vorgesehen, an sich
zwecklos und daher unzulässig. Die Frage, ob das Herrenhaus der Vorlage der Staats-
regierung auch allenfalls zugestimmt haben würde, wenn diese unverändert geblieben wäre,
ist völlig unerheblich. Durch eine hierüber erfolgende und an das Abgeordnetenhaus
zurückgelangende Abstimmung würde letzteres, welchem das Budget zuerst vorgelegt werden
muß, in die Lage kommen, über das vorgelegte Budget zuletzt abzustimmen, nachdem
es seine Beschlüsse über dasselbe bereits festgestellt hat. Hierzu ist es aber eben nicht
verpflichtet und deshalb ist ein solcher Beschluß des Herrenhauses mit der Verfassung
nicht vereinbar, sondern verletzt das verfassungsmäßige Budgetrecht des Abgeordneten-
hauses. Es kann hiergegen auch nicht eingewendet werden, daß das Herrenhaus, wenn
es das von dem Abgeordnetenhause amendierte Budget verworfen hat, aus dem Grunde
auf das ursprünglich vorgelegte Budget zurückgehen dürfe, weil es bei anderen Gesetzes-
vorlagen diese Befugnis habe. Bei anderen Gesetzesvorlagen ist diese Befugnis allerdings
insofern vorhanden, als bei der Beratung und Beschlußnahme über jeden einzelnen
Paragraphen von den Amendements des anderen Hauses auf die einzelnen Paragraphen
der ursprünglichen Vorlage, aber auch nur in dieser Weise auf die ganze ursprüng-
— 329 u. Ber. der Budgetkomm. des H. H. v. erforderlich erachtet, sich weiter mit dem Gegen-
14. Juni 1865, a. a. O., Bd. II, Anl. Nr. 47, stande zu beschäftigen. Vgl. die Bemerk. des Ab-
S. 471—475). Das A. H., welchem amtlich geordn. v. Forckenbeck hierüber in der Sitz. des
seitens des H. H. nur der zu a gedachte Teil des A. H. v. 17. Juni 1865 in den Stenogr. Ber.
Beschlusses mitgeteilt worden ist, hat nicht für 1865, Bd. III, S. 2223 ff.
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. III. 7