Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (8. 118.) 121
zur Erörterung. Die Kommission zur Vorberatung dieses Gesetzentwurfs schied die
eigentlichen Etatsüberschreitungen von den außerordentlichen Ausgaben, für welche der
Etat keine Deckungsmittel enthält. In Beziehung auf die ersteren entschied sich die
Kommission dahin, die Nachweisung derselben zur Beschlußnahme der Häuser des Land—
tages zugleich mit der allgemeinen Rechnung des betreffenden Jahres zu verlangen; da—
gegen solle die Nachweisung der außeretatsmäßigen Ausgaben spätestens im nächsten
Jahre, nachdem sie entstanden sind, gefordert, und zwar solle dieselbe zur Erteilung
der nachträglichen Genehmigung des Landtages dem Staatshaushaltsetat beigefügt wer—
den. Der erwähnte Gesetzentwurf kam indes infolge der Auflösung des Abgeordneten—
hauses nicht zur Beratung im Plenum und die Frage blieb abermals ungelöst. Die
Budgetkommission des im Jahre 1862 neugewählten Abgeordnetenhauses hat dieselbe er—
neuert zum Gegenstande der Beratung gemacht und in ihrem darüber erstatteten Berichte
v. 25. Juni 18622 dahin angetragen, „die Staatsregierung aufzufordern: a) die Nach-
weisung der etwaigen Etatsüberschreitungen, b) die Nachweisung sonstiger außerordentlicher
Ausgaben, welche in dem Staatshaushaltsetat gar nicht vorgesehen sind, alljährlich nach
erfolgtem Rechnungsschlusse in der nächsten ordentlichen Session des Landtages zur nach-
träglichen Genehmigung vorzulegen". Diesen Antrag hat das Abgeordnetenhaus in der
Sitzung v. 5. Juli 1862 genehmigt 3 und die Staatsregierung hat sich damit einver-
standen erklärt. Dabei war man jedoch allerseits darüber einig, daß mit der „nach-
träglichen Genehmigung“ nicht zugleich die Entlastung der Staatsregierung in Beziehung
auf die Rechnungslegung ausgesprochen sei, sondern nur eine vorläufige Zustimmung,
welche die Ausgabe an sich billige, und daß in jedem Falle die Etatsüberschreitungen
und außeretatsmäßigen Ausgaben, nachdem die Rechnungen darüber der Oberrechnungs-
kammer vorgelegen haben, später noch einmal in der allgemeinen Rechnung nachgewiesen
und zur endgültigen Entlastung der Staatsregierung dem Landtag vorgelegt werden müssen.5
Das Gesetz v. 27. März 1872 betreffend die Einrichtung und die Befugnisse der Ober-
rechnungskammer hat dementsprechend in §. 19, Abs. 3 bestimmt, daß den Häusern
des Landtages eine Nachweisung der Etatsüberschreitungen und der außeretatsmäßigen
Ausgaben jedesmal im nächsten Jahre, nachdem sie entstanden sind, zur nachträglichen
Genehmigung vorzulegen, daß jedoch die Erinnerungen der Rechnungslegung durch diese
Genehmigung nicht berührt werden.?
b) Die früher streitige Frage über den Umfang des Begriffes der „Etatsüber--
schreitungen“ im Sinne des Abs. 1 des Art. 104 der Verfassungsurkundes
ist jetzt
1 Vgl. den Komm. Ber. v. 7. März 1862 in
den Stenogr. Ber. des A. H. 1862, Bd. II, Anl.
Nr. 77, S. 494— 495, und Drucks. des A. H.
1862, Nr. 87, S. 29 u. 40.
: Vgl. Drucks. des A. H. 1862, VII. Legisl.
Per., 1. Session, Bd. II, Nr. 63, und Stenogr.
Ber. des (neugewählten) A. H. 1862, Bd. V,
Anl. Nr. 55, S. 402 ff.
3 Vgl. Stenogr. Ber. des (neugewählten) A. H.
1862, Bd. I, S. 493ff.
4 Den in der Budgetkomm. gestellten, jedoch
von dieser abgelehnten Antrag, „daß die frag-
liche Nachweisung unmittelbar nach dem
Jahresabschlusse vorzulegen“, bezeichnete die
Staatsregierung als unausführbar, weil nach
den bestehenden Einrichtungen im Kassenwesen
und wegen der Abrechnungen mit den Zollvereins-
staaten der Abschluß der Bücher der Gen.-Staats-
kasse erst am 15. März erfolgen könne und dem-
nächst die Aufstellung des Abschlusses noch längere
Zeit (bis Ende März) erfordere, so daß die Vor-
legung der Nachweisung nicht vor dem Monat
Mai erfolgen könne, zu welcher Zeit der Schluß
des Landtages entweder schon erfolgt sei, oder
doch nahe bevorstehen werde. Ebenso widersprach
die Staatsregierung dem gleichfalls gestellten,
jedoch ebenfalls von der Budgetkomm. abgelehnten
Verlangen, über die Etatsüberschreitungen und
die außeretatsmäßigen außerordentlichen Aus-
gaben einen Nachtragsetat aufzustellen. Denn
ein Etat sei ein Voranschlag, wogegen die
Überschreitungen desselben Ausgaben zum Gegen-
stande hätten, welche über einen festgestellten Etat
hinaus geleistet worden und sich auf eine bereits
gelegte Rechnung gründeten. Eines Etats über
diese Ausgaben bedürfe es daher nicht, sondern
es komme nach Art. 104 der Verf. Urk. nur auf
die nachträgliche Genehmigung derselben an,
welche auf Grund einer besonderen Nachweisung
erteilt werden könne.
5 Vgl. den Komm. Ber. v. 25. Juni 1862 in
den Stenogr. Ber. des A. H. 1862, Bd. V, Anl.
Nr. 55, S. 104.
5 G. S. 1872, S. 278 ff.
* V9gl. hierüber den Ber. der XI. Komm, des
A. H. v. 30. Jan. 1872 in den Stenogr. Ber. des
A. H. 1871— 72, Anl. Bd. II, Aktenst. Nr. 148,
S. 839 u. 857 ff.
* Über die früher hierüber zwischen der Staats-
regierung und der Landesvertretung bestandene