Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (8. 118.) 123.
13. Verträge für Rechnung des Staates sind nur abzuschließen nach vorheriger
öffentlicher Ausbietung; Ausnahmen sind nur zulässig nach der Natur des Geschäftes
oder durch ministerielle Anordnung für einen einzelnen oder bestimmte Kategorien von
Fällen. Die Abänderung oder Aufhebung abgeschlossener Verträge zum Nachteil des
Staates ist nur mit königlicher Genehmigung, und wenn der Vertrag der Zustimmung
des Landtages bedurfte, mit dessen Zustimmung zulässig (§. 37).
C) Nichtzustandekommen des Staatshaushaltsgesetzes. !7
Indem Art. 99 der Verfassungsurkunde bestimmt, daß „alle Einnahmen und Aus-
gaben des Staates für jedes Jahr im voraus veranschlagt und auf den Staatshaus-
haltsetat gebracht werden müssen“, und daß „letzterer jährlich durch ein Gesetz fest-
gestellt wird“, geht er von der Voraussetzung aus, daß eine Vereinbarung zwischen der
Staatsregierung und den beiden Häusern des Landtages zustande kommen muß; dagegen
schweigt die Verfassungsurkunde ganz über den möglichen Fall, daß eine solche Verein-
barung vor dem Beginn des neuen Finanzjahres nicht zustande kommt. Die Frage,
welche Wirkungen dies hat, bildet einen der wichtigsten Streitpunkte des preußischen Ver-
fassungsrechtes.?
1.·e Obgleich der Konflikt der Staatsgewalten über diese Frage erst dadurch zu
einem brennenden geworden ist, daß das Haus der Abgeordneten in dem von der Staats-
regierung vorgelegten Staatshaushaltsetat für das Jahr 1862 die von der Regierung
geforderten Kosten für die Reorganisation des Heeres abgesetzt hatte, findet doch der
Streit schon in der früheren Zeit seinen Ursprung, und das Verständnis der Streitfrage
ist mit durch die Kenntnis der geschichtlichen Entwicklung bedingt. Diese Darstellung
ist daher vorauszuschicken.
Nachdem das Gesetz v. 6. April 1848 über einige Grundlagen der preußischen
Verfassung 3 (§. 6) die Zustimmung erteilt hatte, daß den künftigen Vertretern des
preußischen Volkes jedenfalls die Zustimmung zu allen Gesetzen sowie zur Feststel-
lung des Staatshaushaltsetats und das Steuerbewilligungsrecht zustehen solle,
enthielt zur Ausführung dieser Zusage der von der Staatsregierung vorgelegte Ver-
fassungsentwurf v. 20. Mai 1848 in den §§. 70 und 71 die Bestimmungen: a) daß
alle Einnahmen und Ausgaben des Staates für jedes Jahr im voraus zu veranschlagen
und auf den Staatshaushaltsetat zu bringen sind, welcher jährlich durch ein Gesetz fest-
zustellen ist, b) daß Steuern und Abgaben für die Staatskasse nur, soweit sie in den
Staatshaushaltsetat aufgenommen oder durch besondere Gesetze angeordnet sind, erhoben
S. 162 ff.; Der preuß. Landtag von 1865, in
1 Vgl. hierüber Lasker, „Was geschieht, wenn
das Etatsgesetz nicht zur Vereinbarung gelangt?“
in Oppenheims Deutschen Jahrb. für Politik
u. Lit., Bd. IV, S. 41 ff. und in der Schrift:
„Zur Verfassungsgeschichte Preußens“, S. 355 ff.;
Unser Finanzrecht 1866, bei A. Paul u. Komp.;
Laband, Das Budgetrecht nach den Bestim-
mungen der preuß. Verf. Urk. unter Berück-
sichtigung der Verf. des Nordd. Bundes, 1871
(Sonderabdruck aus Behrends Zeitschr. für Ge-
setzgeb. u. Rechtspflege in Preußen, Bd. IV, S.
625 ff.); dazu Rezens. von Zachariä, in den
Götting. gelehrten Anzeigen, Jahrg. 1871, Stück
10, S. 361 ff.; Laband, Das Finanzrecht des
D. Reiches, in Hirths Annal., Jahrg. 1873,
S. 405 ff., in dem Abschn. von den Wirkungen
des Etatsgesetzes, S. 548 ff.; derselbe, Staats-
recht", IV, S. 481 ff., 507 ff.; Gneist, Budget
u. Gesetz nach dem konstit. Staatsrecht Englands,
1867; derselbe, Gesetz u. Budget, 1879; Das
englische Budgetrecht, in Grenzboten, Jahrg.
XXVI, Nr. 15, S. 41 ff.; Sieben Worte der
Verfassung, in Hayms Preuß. Jahrb., Bd. Xl,
der Deutschen Vierteljahrsschrift, Jahrg. 1866,
S. 21 ff.; Das Finanzgesetz nach der preuß. Ver-
fassung, in Glasers Jahrb. für Gesellschafts= u.
Staatswissenschaften, Jahrg. I, Bd. 1, S. 199 ff.
v. Schulze, Pr. St. R., Bd. II, S. 41 ff.
G. Meyer-Anschütz, Lehrb., §. 207, S. 751 ff.,
bes. 763 f.; Zorn, Staatsrecht 2, 1, S. 436 ff.,
bes. 453 ff.; Fricker, Gesetz u. Budget, in Tü-
binger Zeitschr., S. 405 ff. Weitere Literatur bei
Meyer-Anschütz a. a. O., S. 763 f. in den Anm.
2 v. Rönne, auf dessen Ansicht über die
Streitfrage der Abgeordn. v. Forckenbeck (als
Berichterstatter der Budgetkomm. des A. H.) in
seinem mündlichen Berichte v. 6. Okt. 1862 (vgl.
Stenogr. Ber. des A. H. 1862, Bd. IV, S. 2095)
Bezug genommen, hatte sich bereits vor dem Ein-
tritte des Verfassungskonfliktes (in der 1. Ausg.
dieses Werkes, Bd. I, S. 245 ff.) über die hier
in Rede stehende Frage in derselben Weise aus-
gesprochen wie jetzt.
G. S. 1848, S. 87.