Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

124 Die Gesetzgebung. (§. 118.) 
werden dürfen. Diese Bestimmungen nahm der Verfassungsentwurf der Kommission der 
Nationalversammlung (Art. 96 und 97) wörtlich auf; es wurde anerkannt, daß in der 
alljährlichen öffentlichen Feststellung des Budgets durch ein Gesetz als einzige Richtschnur 
der Finanzverwaltung und in der Bewilligung der Steuern und Abgaben durch Gesetze 
die Grundsätze beachtet seien, auf welchen die konstitutionelle Ordnung der Finanz- 
verwaltung beruhen müsse.1 Ebenso nahm die oktroyierte Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 
1848 (Art. 98 und 99)2 jene beiden Artikel unverändert auf. Unter den später fol- 
genden „allgemeinen Bestimmungen“ war jedoch (Art. 108) noch der Satz hinzugefügt, 
daß „die bestehenden Steuern und Abgaben forterhoben werden, bis sie durch ein Gesetz 
abgeändert werden“. Das Verhältnis dieses Zusatzes zu jenen Artikeln bildete bei der 
Revision der Verfassung die Hauptschwierigkeit. Von der einen Seite wurde jener Zu- 
satz als eine rein vorübergehende Bestimmung angesehen, wie er auch in dem Entwurfe 
der Kommission der Nationalversammlung unter den Übergangsbestimmungen gestanden 
hatte, um dem Zweifel vorzubeugen, als ob bis zur vollendeten Revision der Steuer- 
gesetzgebung die bisherigen Steuern fortzuentrichten seien. Von anderer Seite wurde der 
Art. 108 dahin verstanden, daß der Steuermodus bis zur Anderung im Wege der Ge- 
setzgebung feststehe, dagegen die Frage, ob nach diesem Steuermodus in einem bestimmten 
Jahre die Steuern wirklich zu erheben seien, alljährlich bei der Feststellung des Budgets 
entschieden werden müsse. Von noch anderer Seite wurde der Art. 108 wörtlich dahin 
verstanden, daß alle bisherigen oder auch die zurzeit bestehenden Steuern so lange fort- 
zuerheben seien, bis sie durch ein Gesetz geändert würden. Die Zweite Kammer beschloß 
in den Sitzungen vom 25. und 26. Sept. 1849 3, den Zusatzartikel 108 zu streichen, 
die beiden Hauptartikel dagegen mit einigen Fassungsänderungen beizubehalten und 
namentlich mit folgenden Zusätzen: „a) Wenn sich die Festsetzung des Staatshaushalts- 
etats für die nächste Etatsperiode über den Anfang derselben verzögern sollte, so bleibt 
der zuletzt vollzogene Etat bis zu dieser Festsetzung — jedoch höchstens vier Mo- 
nate — in Kraft. D) Tritt diese Verzögerung dadurch ein, daß sich beide Kammern 
über den Etat nicht vereinigen können, so werden die bisher bewilligten Steuern so 
lange forterhoben, bis die Einigung erfolgt ist.“ Die Erste Kammer beschloß dagegen 
in den Sitzungen vom 19. und 20. Okt. 1849 die Beibehaltung des Art. 108 in 
unveränderter Stellung; auch ergaben sich über die zusätzlichen Bestimmungen mehrfache 
Meinungsverschiedenheiten; insbesondere machte sich die Ansicht geltend, daß im Falle 
einer verzögerten Etatsfestsetzung eine Verlängerung des früheren Etats auf nur vier 
Monate für zu kurz zu erachten sei, um die Regierung gegen Lähmung zu schützen. 
Deshalb wurde der Zusatz angenommen, daß, „wenn sich die Feststellung des Etats für 
die nächste Etatsperiode über den Anfang derselben verzögern sollte, der zuletzt voll- 
zogene Etat bis zu dieser Festsetzung — jedoch höchstens zwölf Monate — in Kraft 
bleiben solle“. Da eine Einigung beider Kammern nicht herbeizuführen war, blieb es 
schließlich bei den Bestimmungen der Art. 98, 99 und 108 der oktroyierten Verfassungs- 
urkunde v. 5. Dez. 1848, welche in unveränderter Wortfassung und Reihenfolge in die 
Verfassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 übergegangen sind, in welcher sie gegenwärtig die 
Art. 99, 100 und 109 bilden. Als nun bereits im ersten Jahre nach Erlaß der Ver- 
fassungsurkunde v. 31. Jan. 1850 der (seitdem chronisch gewordene) Übelstand der Ver- 
spätung des Zustandekommens des Staatshaushaltsetats eintrat, hatte das Staatsmini- 
sterium zur Beseitigung der Zweifel, ob und wieweit es verfassungsmäßig statthaft sei, 
vor erfolgter gesetzlicher Feststellung des Staatshaushaltsetats über die in denselben vor- 
läufig zusgenommenen Ausgabefonds zu verfügen, am 16. Dez. 1850 folgenden Beschluß * 
gefaßt: „a) daß diejenigen Ausgaben der laufenden Verwaltung (Ordinarium), welche aus 
  
1 Vgl. v. Rönne, Verf. Urk., S. 187, Anm. 1 “ Vgl. Stenogr. Ber. der 1. K. 1849 —50, 
(zu Art. 99 u. 100 der Verf. Urk.). Bd. III, S. 1147 ff. 
. 5 Vgl. diesen Beschl. in den Drucks. des A. H. 
2 
G. S. 1848, S. 388. 1851, Nr. 124, und in den Stenogr. Ber. dess. 
3 Vgl. Stenogr. Ber. der 2. K. 1849 —50, 1850—51, Bd. 2 S.330—331 und 1861, Bd. V, 
Bd. 1, S. 399 ff. S. 630.
	        
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