Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

126 Die Gesetzgebung. (8. 118.) 
klärung ab, „daß die Staatsregierung in keiner Weise die Rechte der Kammern in 
bezug auf die Feststellung des Etats durch den Staatsministerialbeschluß v. 16. Dez. 
1850 habe in Frage stellen, und durch denselben über ein Prinzip der Kammer gegen— 
über nicht habe entscheiden wollen“. Mit Rücksicht hierauf nahm die Zweite Kammer 
eine motivierte Tagesordnung dahin an, „daß durch diese Erklärung des Ministeriums 
jede Besorgnis gegen eine die Rechte der Kammern beeinträchtigende Interpretation des 
Art. 99 der Verfassungsurkunde beseitigt und demnach der Antrag des Abgeordneten 
Simson in seinem wesentlichen Zwecke als erledigt zu betrachten sei“.! Die Staats- 
regierung hielt aber dessenungeachtet an den Grundsätzen des Staatsministerialbeschlusses 
v. 16. Dez. 1850 fest. In der Sitzungsperiode des Jahres 1860 wurde sodann auf 
den Antrag des Abgeordneten Reichensperger von dem Abgeordnetenhaus der Staats- 
regierung gegenüber in einer Resolution die Erwartung ausgesprochen, „daß dieselbe 
das Erforderliche veranlassen werde, damit künftighin die Einnahmen und Ausgaben 
des Staates nur auf Grund eines durch die Landesvertretung für das betreffende Etats- 
jahr bereits verfassungsmäßig bewilligten Staatshaushaltsetats bewirkt werden“. Bei 
der Beratung hierüber hatte aber der Finanzminister v. Patow erklärt, „daß die 
Staatsregierung zwar anerkenne, daß sich die Angelegenheit der Form nach nicht in 
korrekter Lage befinde, daß jedoch ein materieller Nachteil bei dem bisherigen Verfahren 
nicht vorhanden sei; genehmigte dauernde Ausgaben würden fortgeleistet, außerordentliche 
Ausgaben dagegen nicht geleistet, bevor sie genehmigt seien; es bestehe also nur das 
allerdings gewichtige Bedenken, daß dieser Zustand mit der Verfassungsurkunde sich nicht 
im Einklang befinde“. : Im Verlaufe des Jahres 1862 führten indes die Differenzen 
des Abgeordnetenhauses mit der Staatsregierung über den Etat der Militärverwaltung 
zu einem vollständigen Konflikte über die Frage. Die Veranlassung hierzu gab die Be- 
ratung des Berichtes der Budgetkommission des Abgeordnetenhauses über den gedachten 
Etat." Es war dabei zunächst ein die Rechte des Abgeordnetenhauses verwahrender 
Antrag der beiden Abgeordneten Reichensperger gestellt worden 5, welcher indes nicht 
die Zustimmung des Hauses gefunden hatte8 In der Budgetkommission des Abgeord- 
  
1 Vgl. a. a. O., S. 360 —361. stimmung der Landesvertretung, bzw. ohne nach- 
* Vgl. Stenogr. Ber. des A. H. über die Sitz. trägliche Einholung einer Indemnitätserklärung 
v. 29. März 1860, Bd. II, S. 675—676, und der letzteren in dem nächstfolgenden Etatsjahre 
Bd. IV, S. 532, Nr. 72, desgl. Drucks. 1860, (1862) weiter anzuweisen, bzw. zu realisieren, 
Nr. 42. und daß daher die Staatsregierung zur Bean- 
3 Vgl. den Bericht der Budgetkomm. des A. H. tragung dieser Indemnitätserklärung oder doch 
v. 22. März 1860, Stenogr. Ber. des A. H. 1860, zur Anerkennung ihrer desfallsigen Verpflichtung 
Bd. IV, S. 533, Nr. 73, und Drucks. dess. 1860, zu veranlassen“. 
Nr. 151. — Über die ergebnislosen Versuche zur 6 Vgl. die Verhandl. darüber in der Sitz. des 
Herbeiführung einer Abänderung des Art. 99 der A. H. v. 16. Sept. 1862 in den Stenogr. Ber. 
Verf. Urk. zur Beseitigung des in Rede stehenden 1862, Bd. III, S. 1717—1723. Sowohl in den 
verfassungswidrigen Zustandes vgl. 8. 118, oben Motiven des Antrages, als bei der Plenarbe- 
S. 109. ratung wurde von dem Antragsteller auch dar- 
* Vgl. den Bericht der Budgetkomm. v. 2. Sept. auf hingewiesen, daß die Staatsregierung den 
1862 in den Drucks. des A. H. 1862, VII. Legisl. Grundsatz, daß sie aus früheren Budgetbewil- 
Per., 2. Session, Bd. IV, Nr. 138, und Ste= ligungen wenigstens kein Recht auf fernere Lei- 
nogr. Ber. dess. 1862, Bd. VII, S. 1173 ff., stung von Ausgaben, die bisher nur im Extra- 
Anl. Nr. 126. ordinarium bewilligt worden, herleiten könne, 
* Vgl. den in der Sitz. v. 12. Sept. 1862 schon in dem im Jahre 1861 von ihr einge- 
(Stenogr. Ber. des A. H. 1862, Bd. III, S. 1612) brachten Gesetzentwurfe anerkannt habe, der einen 
eingebrachten Antrag der beiden Abgeordneten Zusatz zum Art. 99 der Verf. Urk. dahin bean- 
Reichensperger in den Drucks. des A. H. 1862, tragte, „daß im Falle der Verzögerung der Fest- 
VII. Legisl. Per., 2. Session, Bd. V. Nr. 147, setzung des Staatshaushaltsetats über den An- 
und Stenogr. Ber. dess. 1862, Bd. VII, S. 1351, fang der Etatsperiode der frühere Etat hinsicht- 
Nr. 118, welcher dahin ging, „daß die Staats= lich der Einnahmen und der fortlaufenden 
regierung aus dem Staatshaushaltsetat des Vor= ordentlichen Ausgaben bis zu dieser Fest- 
jahres (1861) nicht die Berechtigung habe ent= setzung — jedoch höchstens 6 Monate — in Kraft 
nehmen können, die in diesem Etat als einmalige bleiben solle“ (vgl. den labgelehnten]) Gesetzentwurf 
und außerordentliche Ausgaben zur Aufrechthal= nebst Motiven in den Drucks. des A. H. 1861, 
tung der Kriegsbereitschaft des Heeres ausge- Nur. 124, und in den Stenogr. Ber. dess. 1861, 
worfenen Ausgabenbeträge ohne vorherige Zu- Bd. V, S. 627). 
 
	        
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