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des Budgetgesetzes, gehöre die Übereinstimmung der Krone und der beiden Kammern.
Zwar habe man nach Analogie anderer Länder, deren Verfassungen und Gesetze aber
in Preußen nicht gälten, behauptet, daß in solchem Falle die beiden anderen Faktoren
der Gesetzgebung sich dem Abgeordnetenhause zu fügen hätten, und auf diese Weise
würde allerdings die souveräne Alleinherrschaft des Abgeordnetenhauses hergestellt werden;
aber eine solche Alleinherrschaft sei nicht verfassungsmäßiges Recht in Preußen. Keiner
der drei gesetzgebenden Faktoren könne die anderen zum Nachgeben zwingen; die Ver-
fassung verweise daher auf den Weg der Kompromisse. Werde dies dadurch vereitelt,
daß eine der beteiligten Gewalten ihre eigene Ansicht mit doktrinärem Absolutismus
durchführen wolle, so werde die Reihe der Kompromisse unterbrochen; an ihre Stelle
träten Konflikte, und Konflikte würden zu Machtfragen 1; wer die Macht in Händen habe,
gehe dann in seinem Sinne vor, weil das Staatsleben auch nicht einen Augenblick
stilstehen könne. Es sei an dieser Stelle unzweifelhaft eine Lücke in der Verfassung.
Die Möglichkeit eines solchen Falles sei schon bei der Revision der Verfassung erwogen
und jetzt zum ersten Male zur Wirklichkeit geworden. Ob in solchem Falle das Budget
des Vorjahres fortdauere, oder ob in Preußen die Machtvollkommenheit des absoluten
Regiments wieder einzutreten habe, möge dahingestellt bleiben?; für das Ministerium
sei die Notwendigkeit allein maßgebend, daß der Staat existieren müsse, und daß man
es nicht darauf ankommen lassen könne, was daraus werde, wenn man die Kassen
schließe.“ — Die königliche Antwort auf die vom Abgeordnetenhause in der Sitzung
v. 29. Jan. 1863 beschlossene Adresse erfolgte unterm 3. Febr. 1863. Sie sprach unter
Ablehnung der Beschwerden des Hauses das Einverständnis des Königs mit den An-
ordnungen des Staatsministeriums aus. 3 Fast gleichzeitig kam die Frage in der Budget-
kommission des Abgeordnetenhauses bei der Vorberatung über die Behandlung des rück-
ständigen Staatshaushaltsetats für das Jahr 1862 zur Erörterung. Der Finanzminister
gab hierbei" die Erklärung ab, „daß die Regierung nicht habe unterlassen dürfen, alle
diejenigen Ausgaben zu leisten, welche zur ordnungsmäßigen Fortführung der Verwaltung,
sowie zur Erhaltung und Förderung der bestehenden Staatseinrichtungen und der Landes-
wohlfahrt notwendig gewesen“. Die Budgetkommission sprach jedoch in ihrem Berichte
v. 11. Febr. 1863 5 einstimmig die Ansicht aus, „daß nach dem klaren Wortlaute der
Art. 99 und 104 der Verfassungsurkunde, nach dem von allen Faktoren der Gesetz-
gebung seit zwölf Jahren wiederholt und ausdrücklich bis zum September 1862 an-
erkannten Verfassungsrechte des Landes grundsätzlich nur das alljährlich im voraus zu
vereinbarende Gesetz über den Staatshaushaltsetat für die Staatsregierung das Recht zur
Leistung der Staatsausgaben schaffe; daß dieses Etatsgesetz zugleich für den Landtag
die Rechtsnorm zur Entlastung der Staatsregierung enthalte, und daß nur ausnahms-
weise durch besondere Gesetze das Recht zu einzelnen Ausgaben der Staatsregierung ge-
geben werden könne“. Demgemäß beantragte die Budgetkommission eine Resolution dahin:
„à) daß es der Beratung des (von der Staatsregierung eingebrachten) Gesetzentwurfes
über die Einnahmen und Ausgaben des Jahres 1862 vorbehalten werde, die Summe
derjenigen Ausgaben des Jahres 1862 festzustellen, für welche, als verfassungswidrige,
die Minister mit ihrer Person und ihrem Vermögen verhaftet bleiben, b) daß jedoch die
Verfassungsverletzung seitens der Minister die Beratung des Etats für das Jahr 1863
weder rechtlich noch tatsächlich zur Unmöglichkeit mache, das Haus vielmehr durch Wahr-
Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung.
1 Vgl. die Entgegnung des Abgeordn. Grafen
v. Schwerin hierauf in den Stenogr. Ber. des
A. H. a. a. O., S. 60.
2 Der Ministerpräsident v. Bismarck ver-
wies hierbei ausdrücklich auch auf seine früheren,
bei der Revision der Verfassung ausgesprochenen
(oben S. 127, Note 2 mitgeteilten) Ansichten.
* Vgl. die königl. Antwort in den Stenogr.
Ber. des A. H. 1863, Bd. J, S. 159. Dieselbe
ist ohne Gegenzeichnung eines verantwortlichen
5. Aufl. III.
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht.
Ministers (Art. 44 der Verf. Urk.) erlassen wor-
den, nachdem vorher der Empfang der zur Uber-
reichung der Adresse erwählten Deputation abge-
lehnt worden war (vgl. hierüber die Mitteil. des
Präsid. des A. H. in der Sitz. v. 31. Jan. 1863,
in den Stenogr. Ber. a. a. O., S. 146—147).
“ Vgl. den Stenogr. Ber. der Budgetkomm.
des A. H. v. 11. Febr. 1863 in den Stenogr.
Ber. dess. 1863, Bd. III, Anl. Nr. 20, S. 59
5 Vgl. die vorige Note.