Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

130 Die Gesetzgebung. (8. 118.) 
nehmung seiner verfassungsmäßigen Stellung der Verlängerung verfassungswidriger Zu— 
stände, soviel an ihm liege, vorbeugen müsse und daher in die Beratung des Etats- 
entwurfes für das Jahr 1863 eintrete“. Das Abgeordnetenhaus erhob in der Sitzung 
v. 17. Febr. 1863 die vorgeschlagene Resolution zu Beschluß.! Infolge der Schließung?, 
später Auflösung des Abgeordnetenhauses s kam indes die Budgetberatung auch im 
Jahre 1863 zu keinem Abschlusse. In der Sitzungsperiode von 1863 bis 1864 
brachte die Staatsregierung den „Entwurf eines Gesetzes betreffend die Ergänzung des 
Art. 99 der Verfassungsurkunde“ ein.“ Dieser schlug vor, dem Art. 99 folgenden Zu- 
satz hinzuzufügen: 
„Wenn die zur gesetzlichen Feststellung des Staatshaushaltsetats erforderliche Übereinstimmung 
des Königs und beider Häuser des Landtages nicht erreicht werden kann, so bleibt der zuletzt gesetz- 
lich festgestellte Etat bis zur Vereinbarung eines neuen Etats in Kraft. 
Außerordentliche Ausgaben, insoweit sie nicht auf einer Verpflichtung des Staates beruhen, 
dürfen jedoch in dieser Zwischenzeit nur dann geleistet werden, wenn sie zu solchen Zwecken bestimmt 
sind, welchen durch eine in dem zuletzt gesetzlich festgestellten Etat erfolgte Bewilligung vorgesehen 
ist, und nur in Höhe des durch diesen Etat bewilligten Betrages. 
Ebendiese Bestimmungen gelten für den Fall, daß die Feststellung des Staatshaushaltsetats 
für die nächste Etatsperiode über den Anfang derselben sich verzögert.“5 
Die diesem Gesetzentwurfe beigefügte Begründung geht davon aus, daß die gesetz- 
liche Feststellung des Staatshaushaltsetats wie jedes Gesetz nur zustande kommen 
könne, wenn der König und beide Häuser des Landtages über dessen Inhalt vollständig 
übereinstimmen, und bemerkt sodann, „daß diese Übereinstimmung nur das Ergebnis 
einer allseitig freien Zustimmung sein könne. Es könne aber der Etat aus den Be- 
ratungen des Abgeordnetenhauses so verändert hervorgehen, daß die Staatsregierung 
ihn nicht zu genehmigen vermöge; auch stehe dem Herrenhause das Recht der Ablehnung 
zu. Eine Nötigung zum Nachgeben bestehe für keinen der drei Faktoren. Die Ver- 
fassungsurkunde enthalte indes keine Bestimmung über die Folgen, welche eintreten 
sollten, wenn die Übereinstimmung nicht erreicht werden könne; die Möglichkeit eines 
budgetlosen Zustandes gehe unmittelbar aus ihr hervor; sie lasse aber dessen Regelung 
vermissen. Daher sei es ein Bedürfnis, eine gesetzliche Regel für die Zeit, in welcher 
es an einem nach Art. 99 der Verfassungsurkunde festgestellten Etat fehle, aufzustellen, 
also die in dieser Beziehung unvollständige Bestimmung der Verfassung zu ergänzen. 
Der Weg der Zerlegung des Ausgabeetats in einen ordentlichen und außerordentlichen 
sei unzweckmäßig; dagegen empfehle sich das Auskunftsmittel einer Verlängerung des 
zuletzt festgestellten Etats, und zwar auch im Extraordinarium, insoweit als die Zweck- 
bestimmung und der Betrag außerordentlicher Verwendungen bereits unter beschließender 
Mitwirkung des Landtages festgestellt seien.“ — Die mit der Vorberatung des Gesetz- 
entwurfes beauftragte Kommission beantragte indes einstimmig seine Ablehnung 5; diese 
wurde auch von dem Abgeordnetenhause beschlossen und zugleich eine von der Kommission 
vorgeschlagene Resolution angenommen, „daß der vorgelegte Gesetzentwurf keine Ergän- 
zung, sondern eine direkte und vollständige Aufhebung des Art. 99 der Verfassungsurkunde 
enthalte und daß derselbe weder durch ein bestehendes Bedürfnis veranlaßt noch mit 
dem verfassungsmäßigen Rechte des Hauses der Abgeordneten bei Feststellung des Staats- 
.— 
1 Vgl. die Stenogr. Ber. des A. H. 1863, wurde in der Sitz. v. 18. Dez. 1863 (a. a. O., 
Bd. 1, S. 243 ff. Die Annahme der Resolution 
wurde mit 264 gegen 45 Stimmen beschlossen; 
sämtliche dazu gestellte Amendements wurden ab- 
gelehnt. 
2 Die Schließung des Landtages erfolgte ge- 
mäß der königl. Botschaft v. 26. Mai 1863 (vol. 
Stenogr. Ber. des A. H. 1863, Bd. II, S. 1323) 
am 27. Mai 1863 (val. ebenda S. 1325— 13206). 
3 Durch die Verordn. v. 2. Sept. 1863 (G. S. 
1863, S. 533) wurde das A. H. aufgelöst. 
" Bal. diesen Gesetzentwurs nebst Motiven in 
den Stenogr. Ber. des A. H. 1863—64, Anl. 
Bd. III, Nr. 55, S. 290 ff. Dieser Entwurf 
  
Bd. J, S. 477) eingebracht. 
5 Uber Verfassungsvorschriften dieser Art, die 
in anderen deutschen Staaten gelten, s. Meyer- 
Anschütz, Lehrb., S. 751, Note 16; dazu kom- 
men jetzt noch die besonders interessanten Vor- 
schriften der neuen elsaß-lothring. Bersasfung 
6. G. v. 31. Mai 1911, R. G. Bl., S. 225, 
§ 5); s. hierzu Laband, St. N. d. D. R.8, II, 
S. 263 
s Vgl. den Komm. Ber. v. 9. Jan. 1864 in 
den Stenogr. Ber. des A. H. 1863—64, Bd. IV, 
Anl. Nr. 75, S. 478 ff., und Drucks. dess. 1863 
—64, Nr. 80.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.