Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (§. 118.) 145
keit der Belege festzustellen, um Defekte, Unterschleife, gesetzwidrige Ausgaben und
Einnahmen zu verhüten, ferner die Feststellung, daß jede einzelne Ausgabe aus dem da—
für bestimmten Fonds geleistet und dieser Fonds nicht überschritten sei, endlich aber die
Verpflichtung, auf Mängel in der Verwaltung aufmerksam zu machen, welche bei Prü—
fung der Rechnungen bemerkbar geworden sind, um Maßregeln zu ihrer Abhilfe ver—
anlassen zu können. In allen diesen Beziehungen handelte die Oberrechnungskammer
lediglich als Organ des Königs, und es lag in der Natur der Verfassung des abso—
luten Staates, daß die Entlastung der verwaltenden Behörden durch die Oberrechnungs-
kammer nur im Namen und alleinigen Auftrage des Königs erfolgen konnte, sowie daß
die schließliche Entscheidung über alle dabei hervortretenden Fragen, welche durch Ver-
handlungen der obersten Verwaltungsbehörden mit der Oberrechnungskammer nicht zu
erledigen waren, dem Könige allein zustand. Auf diesen Gedanken beruhte das in der
Weltgeschichte einzig dastehende altpreußische Finanzsystem Friedrich Wilhelms I., das die
feste und sichere Grundlage der Großmachtstellung Preußens wurde. Als dann aber
mit Einführung der konstitutionellen Verfassung durch die Bestimmungen der Art. 99 und
104 der Verfassungsurkunde den Kammern eine mitentscheidende Stimme bei der Auf-
stellung des Staatshaushaltsetats eingeräumt und ihnen die nachträgliche Kontrolle der
gesamten Finanzverwaltung übertragen worden war, bedurften auch sie notwendig eines
ihre Prüfung und Beschlüsse vorbereitenden Organs, wenn sie imstande sein sollten, von
ihren verfassungsmäßigen Rechten wirksamen Gebrauch zu machen. Seitdem erhielt die
Oberrechnungskammer die Aufgabe, sowohl fitr die Zwecke der Staatsregierung als für
die der Volksvertretung wirksam zu sein. Ihre Aufgabe ist in beiden Beziehungen die
Revision der Staatsrechnungen zum Zwecke der Feststellung, ob die Verwaltung des
Staatsvermögens und der Staatseinkünfte ordnungsmäßig geführt oder eine Haftung
daraus begründet sei. Die Oberrechnungskammer soll also die aus der Verwaltung sich
ergebende Verantwortlichkeit, wie diese einerseits im Innern des Verwaltungsorganismus,
in höchster Instanz gegenüber dem Könige, andererseits gegenüber der Landesvertretung
besteht, zur tatsächlichen Erscheinung und dadurch zur Geltung bringen. Aus dieser
doppelten Richtung, in welcher sich die Oberrechnungskammer zu betätigen hat, folgte
die Notwendigkeit des Gesetzes, welches in dem Art. 104 der Verfassungsurkunde
über ihre Einrichtung und ihre Befugnisse vorbehalten blieb. Denn die Organisation
derjenigen Behörde, welche durch ihre Prüfung und ihre Bemerkungen zu der den Häusern
des Landtages vorzulegenden Rechnung über den Staatshaushaltsetat jedes Jahres die
Grundlagen zur Beschlußfassung über die Entlastung der Staatsregierung zu gewähren
hat, sowie die von dieser Behörde in Anspruch zu nehmenden Berechtigungen, durch welche
sie zur Erfüllung ihrer Obliegenheit in den Stand gesetzt werden soll, bedurften im
Zusammenhange der konstitutionellen Staatsentwicklung einer Neuregelung, auch wenn
man nicht beabsichtigte, an den von Friedrich Wilhelm I. geschaffenen Grundlagen prin-
zipielle Anderungen vorzunehmen. Das in Art. 104 vorgesehene Gesetz hat die Aufgabe,
die Erreichung des Endzieles der Tätigkeit, welche die Oberrechnungskammer zu üben
berufen ist, nämlich die Klarstellung der den verwaltenden Staatsbehörden obliegenden
Verantwortlichkeit, nach allen Seiten zu sichern, also eine solche Einrichtung der Ober-
rechnungskammer zu treffen, welche für deren Unabhängigkeit und Unparteilichkeit volle
Gewähr bietet. Zugleich aber müssen die Befugnisse der Oberrechnungskammer auf
solche Weise bestimmt werden, daß ihr in der Erfüllung ihrer Aufgabe kein Hemmnis
entgegentreten kann. Was die Einrichtung der Oberrechnungskammer betrifft, so bedarf
es der Feststellung ihrer Unabhängigkeit von der Staatsregierung; sie muß selbständig
neben der Staatsverwaltung ihre Stelle finden und von den Ministern unabhängig sein;
ihre Mitglieder müssen die Unabhängigkeit der Richter besitzen; sie darf bei der Verwal-
tung ihres Amtes keiner anderen Autorität als der der Gesetze unterworfen sein; sie be-
darf abgesehen von ihrer und ihrer Mitglieder äußeren Unabhängigkeit einer besonderen
Gewähr der Selbständigkeit und Unparteilichkeit in der vollständigen Durchführung der
kollegialischen Verfassung. Alle diese Gedanken gehören bereits derjenigen Entwicklung
an, die durch die Gesetzgebung und Verwaltungstätigkeit Friedrich Wilhelms I. bestimmt
war. Das Gesetz hatte ferner die Befugnisse der Oberrechnungskammer festzustellen.
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. III. 10