Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Staatshaushaltsetat und Kontrolle der Finanzverwaltung. (S. 118.) 153 
Solange nun das verheißene Oberrechnungskammergesetz nicht ergangen war, mußte 
diese Bestimmung der Instruktion als maßgebend betrachtet werden für dasjenige, was 
die Volksvertretung in Anspruch zu nehmen berechtigt ist. Daher war diese berechtigt, 
nicht bloß eine Übersicht von dem Zustande der Rechnungen, sondern auch einen Bericht 
über die bei Prüfung der Rechnungen entdeckten erheblichen Mängel in der Verwaltung 
zu fordern, und zwar nicht bloß aus rechtlichen, sondern auch aus sachlichen Gründen, 
weil sie sonst außerstande wäre, die ihr obliegende Prüfung der allgemeinen Rechnung 
und die ihr zustehende Entlastung der Staatsregierung in sachgemäßer Art und Weise 
zu bewirken. Was aber die besonderen Bemerkungen der Oberrechnungskammer betrifft, 
so sind diese zwar in der Instruktion v. 18. Dez. 1824 nicht ausdrücklich vorgezeichnet; 
es bestimmt aber der §. 49, Abs. 1 a. a. O., daß nach erfolgter Berichtigung der Rech- 
nungen die Entlastungen darüber zu erteilen und solche in den dazu geeigneten Fällen 
zur Vollziehung des Königs einzureichen seien. Die Oberrechnungskammer mußte daher 
in diesen Fällen die Bemerkungen, welche den Grund zur Beanstandung der Entlastung 
enthalten, im einzelnen begründen. Da nun aber durch die Verfassung das Recht der 
Entlastung der Staatsregierung auf die Volksvertretung übergegangen ist und fortan 
weder durch die Krone noch in ihrem Auftrage durch irgendeine Behörde geübt werden 
kann, so ergibt sich von selbst, daß alle nicht erledigten Erinnerungen über Spezial= 
rechnungen auch der Volksvertretung vorgelegt werden müssen. Die Instruktion v. 18. Dez. 
1824 verweist außerdem mehrfach auf besondere Verfügungen des Königs, durch welche 
schon vor der Rechnungsrevision bestimmte, durch die allgemeinen Gesetze und Ver- 
ordnungen nicht vorgezeichnete Ausgaben angeordnet, Etatsüberschreitungen, Tantiemen 
und Remunerationen für außerordentliche Geschäfte, Pensionen für Witwen und Unter- 
stützungen für Waisen, welche als Ausnahme von der Regel aus nicht dazu verpflichteten 
Staatskassen erfolgen, Gratifikationen und Unterstützungen an Beamte aus Ersparungen, 
Überschreitungen von Bauanschlägen, Verkäufe von Staatsgütern usw. genehmigt werden.7 
Auch die Niederschlagung von Kassendefekten und die Deklaration streitiger Gesetze wird 
unter gewissen Verhältnissen dem Könige vorbehalten.? Alle diese Anordnungen stehen 
nicht mehr im Einklang mit der Verfassung, welche sowohl die Feststellung des Staats- 
haushaltsetats als auch die Genehmigung der Etatsüberschreitungen und der außeretats- 
mäßigen Ausgaben, sowie die Entlastung der Staatsregierung in betreff der Rechnung 
an die Mitwirkung der Volksvertretung gebunden (Art. 104) und die Prüfung der 
Rechtsgültigkeit auch gehörig verkündeter königlicher Verordnungen allein den Kammern 
übertragen hat (Art. 106). Von diesen Grundsätzen ausgehend erachtete das Haus der 
Abgeordneten die von der Oberrechnungskammer in Gemäßheit des Allerh. Erlasses v. 
24. Juni 1862 aufgestellten und den Kammern mitgeteilten Bemerkungen nicht für aus- 
reichend, sondern beschloß wiederholt, die Staatsregierung aufzufordern, „die Instruktion 
der Oberrechnungskammer v. 24. Juni 1862 dahin zu erweitern, daß auch die Bemer- 
kungen der Oberrechnungskammer über diejenigen erheblichen Mängel der Verwaltung, 
welche aus Veranlassung der Prüfung der Rechnungen entdeckt worden sind, sowie die- 
jenigen Abweichungen von den gesetzlich festgestellten Staatshaushaltsetats und von den- 
selben zugrunde liegenden Etats und Nachweisungen, welche etwa durch königliche Orders 
schon vor der Rechnungsrevision justifiziert worden sind, der Landesvertretung mitzuteilen 
seien“. 3 Die Staatsregierung leistete indes dieser Aufforderung keine Folge, sondern 
erklärte stets und zu wiederholten Malen, daß über die Bestimmungen des Erlasses 
  
1 Vgl. §8§. 11, 12, 14, 15, 18, 22, 31 der 
Instruktion v. 18. Dez. 1824. 
2 Vgl. S§. 30 u. 52 a. a. O. 
Vgl. den Bericht der Budgetkomm. des A. H. 
v. 14. Jan. 1864 (Stenogr. Ber. des A. H. 1864, 
Anl. Bd. IV, Nr. 77, und Drucks. dess. 1864, 
Nr. 87) und Sitz. des A. H. v. 23. Jan. 1864 
(Stenogr. Ber. 1864, Bd. II, S. 889—896); 
ferner den Bericht der Budgetkomm. des A. H. 
  
v. 9. Mai 1865 (Stenogr. Ber. des A. H. 1865, 
Anl. Bd. VIII, Nr. 191, S. 1968, u. Drucks. 
dess. 1865, Nr. 185) und Sitz. des A. H. v. 
24. Mai 1865 (Stenogr. Ber. dess. 1865, Bd. III, 
S. 1674—1681); desgl. den Bericht der Budget- 
komm. des A. H. v. 21. Jan. 1867 (Stenogr. 
Ber. des A. H. 1866—67, Anl. Bd. III, Nr. 178, 
S. 780—781), und Sib. des A. H. v. 28. u. 
2. Jan. 1867 (Stenogr. Ber. 1866— 67, Bd. III, 
1757—1771).
	        
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