186
Staat und Kirche.
E. 126.)
gleich die später (durch Ges. v. 18. Juni 1875) erfolgte Aufhebung des Art. 15 diese
verfassungsmäßige Garantie beseitigt hat, so ist hierdurch doch die Geltung des Grund-
satzes unberührt geblieben. 7
beruhen, welcher der Staat sich nicht entziehen
könne, ohne das Prinzip seines eigenen Lebens
zu verletzen. Es heißt dann weiter: „Um dies
zunächst für die katholische Kirche darzutun, ist
an die Schicksale des Kirchengutes in den ver-
schiedenen Landesteilen zu erinnern. Im J. 1772
wurden in Westpreußen die geistl. Güter infolge
der Kab. O. v. 1. Nov. 1772 von den Kammern
mit der Bedingung übernommen, daß 50 % des
Reinertrages den Grundherrschaften, sie seien Bi-
schöfe, Prälaten, Abte oder andere Vorgesetzte
geistlicher Orden, gezahlt werden sollten. In ähn-
licher Weise verfuhr man bei der Einziehung der
geistl. Güter in Südpreußen. Hier wurde durch
die Dekl. v. 28. Juli 1796 bestimmt, daß der nach
Abzug der Kosten, der auf gewisse (50) Prozente
bestimmten Steuern und andern öffentl. und ge-
meinen Lasten übrig bleibende Ertrag der Geist-
lichkeit zu ihrem Unterhalte, zur Besorgung des
Gottesdienstes und zur Erfüllung anderer nütz-
licher Zwecke ausgezahlt werden solle, und ein
Publik. v. 16. Sept. 1796 erteilte ferner die Zu-
sicherung, daß auf die Konservation der niedern
Geistlichkeit, der Kirchen und Schulen und auf
die Verbesserung ihres Zustandes möglichst Rück-
sicht genommen werden würde. Als ferner durch
den Reichsdeputationshauptschluß v. 25. Febr. 1803
die geistl. Güter säkularisiert wurden, geschah es
mit der ausdrücklichen Bedingung der festen und
bleibenden Ausstattung der Domkirchen, welche
beibehalten wurden, und hauptsächlich nur zum
Behufe des Aufwandes für Gottesdienst, Unter-
richts= und andere gemeinnützige Anstalten. Die
Verpflichtung, welche sich hieraus ergab, ist später
bei der Säkularisation in Preußen wiederholt
ausdrücklich anerkannt worden. So in dem Edikt
v. 27. Okt. 1810 über die Finanzen des Staates
(G. S. 1810, S. 25) und in dem Edikt v. 30. Okt.
1810 über die Einziehung sämtlicher geistl. Güter,
§§. 1, 2 (G. S. 1810, S. 32). Endlich wurde
für die neugewonnenen oder mit dem Staate
wiedervereinigten Gebiete eine feierliche gesetzliche
Zusage in betreff der Fürsorge für die kirchl. An-
gestellten erteilt, wie aus dem Aufrufe an die
Rheinländer v. 5. April 1815 und an die Be-
wohner des Großherzogtums Posen v. 15. Mai
1815 (G. S. 1815, S. 25. 47) hervorgeht. Des-
halb war es, als über die Wiederherstellung der
Kirchenverfassung mit dem römischen Stuhle ver-
handelt wurde, nicht eine Gnade, sondern die
Erfüllung einer wohlbegründeten Verpflichtung,
wenn der Staat die Dotation der Bistümer und
der zu ihnen gehörigen Institute übernahm, wie
denn dies auch ausdrücklich sowohl während der
Verhandlungen selbst als später bei der Verkündi-
gung des Resultates derselben, der Bulle de salute
animarum vom Jahre 1821, anerkannt worden
ist. Es ist bekannt, daß aus finanziellen Grün-
den die Radizierung der Dotationen der Bis-
tümer und Kapitel auf die Staatswaldungen,
bzw. die Ausstattung dieser Institute mit Grund-
besitz nicht hat erfolgen können. Um so mehr aber
ist der Staat zu fortgesetzter Leistung in der bis-
herigen Weise durch das Recht und seine Ehre
verpflichtet. Den Dotationen der Bistümer und
Kapitel der kathol. Kirche stehen für die evangel.
Kirche die Kosten für die Organe der Verwaltung
gegenüber. Auch diese sind nicht ein Geschenk
des Staates, das beliebig widerrufen werden kann,
sondern ihre Leistung beruht nicht minder auf
einer Verpflichtung. Das Domanialgut des
Staates ist zum größten Teil nach der Refor-
mation aus geistl. Gütern entstanden, und noch
in diesem Jahrhundert hat dasselbe auf der Grund-
lage des angeführten Edikts durch die Säkulari-
sation einer Anzahl evangelischer Stifter einen
sehr beträchtlichen Zuwachs erhalten, mit welchem
zugleich die entsprechende Verpflichtung auf den
Staat übergegangen ist. Endlich sind die bereits
erwähnten Aufrufe auch an die evangel. Bewohner
der gedachten Landesteile erlassen worden. Für
eine andere Klasse der Leistungen, die Zuschüsse
an die am geringsten besoldeten Pfarrer und zur
Erhaltung der Pfarrsysteme, ist der rechtliche
Grund zum Teil im Vorstehenden schon nachge-
wiesen. Zum Teil beruhen dieselben aber auf
einem speziellen rechtlichen Titel, insofern sie aus
dem Patronate hervorgehen. Vgl. zum ganzen
Anschütz, Verf. Urk., Bd. I, S. 330 ff., 336 ff.
b) Diese Bestimmung des Art. 15 der Verf.
Urk. hat mehrfach Veranlassung gegeben, in den
Kammern — teils bei der Beratung über den
Staatshaushaltsetat, teils auf Grund besonderer
Anträge — die Frage der Dotation der evangel.
Kirche zur Erörterung zu bringen. Vgl. darüber
insbesondere die dem Staatshaushaltsetat für
1853 beigefügte Denkschrift im Anl. Bd. III, S.
256—260, und den Ber. der Komm. zur Prüfung
des Staatshaushaltsetats für 1853 über die Ein-
nahmen und Ausgaben des Min. d. geistl. Ang.
v. 1. Mai 1853 (Drucks. der 2. K. 1852—53,
Bd. VII, Nr. 312) und die Verhandl. im Plenum
der 2. K. (Stenogr. Ber. der 2. K. 1852—53,
Bd. III, S. 1364 ff.), sodann den (unerledigt ge-
bliebenen) Antrag der Abgeordn. Nöldechen und
Gen. auf Verbesserung der Dotation der evangel.
Kirche in den Drucks. der 2. K. 1852—53, Bd. II,
Nr. 115. Vgl. ferner die Denkschriften des Ev.
O. K. R. betr. die Vermehrung der Dotation der
evangel. Kirche in Preußen (Aktenst. aus der
Verwalt. des O. K. R., Bd. L, Heft 4, Berlin 1852),
Denkschr. der Rheinischen Provinzialsynode, die
Dotation der evangel. Kirche seitens des Staates
betreffend (Aachen 1849). — Bezüglich der kathol.
Stiftungsfondspgl. den Antrag der Abgeordn.
Otto und Gen. v. 16. Febr. 1854 (Drucks. der
2. K. 1853—54, Bd. III, Nr. 136), den Komm.
Ber. v. 21. April 1854 (Drucks. a. a. O., Bd. V,
Nr. 280), sowie die Plenarverhandl. in den
Stenogr. Ber. der 2. K. 1853—54|, Bd. II, S.
958—983.
1 Schoen im Verw. Arch., Bd. VI, S. 184 f.;
Anschütz, Verf. Urk., Bd. I, S. 338 f.