190 Staat und Kirche. (8. 127.)
1845 ergangene Verordnung betreffend die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für
das evangelische Kirchenwesen! stellt an die Spitze den Grundsatz, daß die Gesamtheit
der kirchlichen Verwaltung auf die Konsistorien übergehen soll, ausgenommen allein die
Gegenstände, welche den Regierungen fernerhin ausdrücklich vorbehalten bleiben, nämlich
diejenigen, bei denen die Hilfe des weltlichen Armes erfordert wird oder ein besonderes
öffentliches Interesse obwaltet oder endlich die Mitwirkung der bürgerlichen Obrigkeit mit
ihren Mitteln und Kräften der Kirche selbst zum Vorteile zu gereichen scheint.“ Dadurch
war die bis zum Jahre 1808 bestandene Konsistorialverfassung, wenngleich nicht in dem
ganzen ehemaligen Umfange ihres Ressorts?, so doch in dem Wesen ihrer Einrichtung
wiederhergestellt." Allein schon früher war die Uberzeugung durchgedrungen, daß die
Konsistorialverfassung in ihrer isolierten Stellung dem Verfall und dem Aufgehen
in ein weltliches Regiment ausgesetzt bleibe, und daß es einer lebendigen Gemeinde-
und Synodalverfassung bedürfe, um die Kirche und das in ihr waltende Kirchen-
regiment zu stärken und zu beleben; doch hatten die bis dahin hierzu eingeschlagenen
Wege kein praktisches Ergebnis erzielt.
1 G. S. 1845, S. 440 ff. Qiuellen des Preuß. Kirchenrechts, Tl. I, Bd. II,
2 Zirk.-Erlaß v. 1. Okt. 1847, betr. die Fest-S. 28ff.; Nicolovius, Die bischöfliche Würde in
stellung der Ressortverhältnisse der Konsistorien Preußens evangel. Kirche, 1834; Jakobson,
und Regierungen in den evangel. Kirchenangelegen= Evangel. Kirchenrecht, 88. 42—44, S. 183 ff.;
heiten (M. Bl. d. i. Verw. 1847, S. 278 ff.; Hin= Schoen, Rd. I, S. 75.
schius, Preuß. Kirchenrecht, S. 144 ff.; Mitteilun- 6 Über die ersten Versuche zur Einführung syno-
gen aus der Verw. d. geistl. Ang., Bd. I, Heft 4, daler Einrichtungen v. Mühler, Gesch. der evangel.
S. 316 ff.). Kirchenverf. in der Mark Brandenburg, S. 302ff.;
3 Abgesehen von den Funktionen, welche den! Jakobson, Evangel. Kirchenrecht, 88. 53, 54;
Regierungen in kirchlichen Angelegenheiten noch Schoen, Kirchenrecht, Bd. I, S. 52, 70, 78ff.
belassen wurden, verblieb ihnen das evangelische — Bei den Beratungen, welche seit Ende 1813
Schulwesen, welches bis zum J. 1808 den über die Verfassung der evangel. Kirche stattfanden,
Konsistorien anvertraut war; die Gerichtsbar= wurde vielfach die Einführung synodaler Insti-
keit in Ehesachen und kirchlichen Rechtsstreitig= tutionen als Bedürfnis der Landeskirche bezeichnet;
keiten, welche bis zum J. 1748 ebenfalls von den insbesondere wurde in einer von drei märkischen
Konsistorien geübt wurde, verblieb den ordentlichen Superintendenten ausgegangenen Schrift (Grund-
Gerichten. linien einer künftigen Verfassung der protestant.
Die unterste Stufedeslandesherrlichen Kirchen= Kirche im preuß. Staate, von Küster, Neumann
regiments bildet das Amt der Superinten= und Tiebel, Berlin 1815) ein Regiment empfohlen,
denten. L. A. R., II, 11, §. 150: „Super= welches, gegründet auf die Presbyterien in den
intendenten, Inspektoren und Erzpriester sind unter= Gemeinden, sich von Distriktssynoden unter dem
geordnete Aufseher einzelner Diözesen oder Kreise.“, Probste zu Provinzialsynoden unter dem Bischofe
Die Kab. O. v. 4. Aug. 1806 (Rabes Sammlung entwickeln und in der Landessynode unter dem
Bd. XIII, S. 725) schreibt vor, „daß sie nur den Oberbischofe abschließen sollte. Von diesem Vor-
Titel: „Superintendent“ führen sollen. Sie schlage ging indes in das Gutachten der auf
stehen nach §. 151 a. a. O. unter der Direktion Grund der Kab. O. v. 14. Sept. 1814 niederge-
der Konsistorien und werden von diesen unter setzten geistlichen Kommission, welche gewöhnlich
Genehmigung des Staates ausgewählt und be= mit dem Namen „liturgische Kommission“ be-
stellt. — Im Jahre 1828 wurde die Wiederher= zeichnet wird, nur ein Teil über, indem die Er-
stellung der Generalsuperintendenten für richtung von Kreis= und Provinzialsynoden der
alle Provinzen angeordnet. Kab. O. v. 7. Febr.] Geistlichen mit wesentlich nur beratendem Cha-
1828, Bekanntmachung des Min. d. geistl. Ang. rakter beantragt wurde. Allein der König hielt
v. 2. Jan. 1829 (v. Kamptz, Ann., Bd. XIII, den Gedanken einer allgemeinen Synode fest.
S. 67), Instr. für dieselben v. 14. Mai 1829 Nachdem die Order v. 27. Mai 1816 (v. Kamptz,
(v. Kamptz, Ann., Bd. XIII, S. 279). Es Ann., Bd. I, H. 1, S. 127) die Vereinigung der
wurde bezweckt, durch diese höher gestellten Geist= Geistlichen unter dem Suoperintendenten zur
lichen als Organe der Konsistorien einen festeren Diözesan= und der Superintendenten unter den
Zusammenhang der evangel. Kirche in jeder Pro= Generalsuperintendenten zur Provinzialsynode ge-
vinz zu fördern und die Konsistorien in leben= nehmigt hatte, kündigte der Erlaß v. 10. Nov.
digerem Verkehr mit den Superintendenten und 1816 die Absicht an, die Vorschläge der Kreis-
Pfarrern, sowie mit dem kirchlichen Leben zu und Provinzialsynoden zur Verbesserung des
erhalten. In den Jahren 1816—1831 ist ein= evangel. Kirchenwesens von einer General synode
zelnen Generalsuperintendenten in Anerken= beraten zu lassen. Die Synoden der Dihzesen
nung ausgezeichneter Verdienste im geistlichen und Provinzen wurden nun zwar abgehalten;
Stande das Prädikat eines „evangel. Bischofs“ indes ging daraus, abgesehen von den Kreis-
unter Gleichstellung im Range mit den kathol. synoden, welche sich hin und wieder erhielten, keine
Bischöfen gewährt worden. Kab. O. v. 18. Jan. lebendige Frucht hervor und es wurde dadurch
1816, 19. April 1829; Jakobson, Gesch, der eine Grundlage weiterer Entwicklung der Kirche