Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Evangelische Kirche. (8. 127.) 193 
gelische Kirche sich über eine selbständige Verfassung vereinigt habe, mithin Art. 12 der 
Verfassungsurkunde v. 5. Dez. 1848 in Vollziehung zu setzen sei, die inneren evangelischen 
Kirchensachen, d. h. die nach der Instruktion v. 23. Okt. 1817, der Order v. 21. Dez. 
1825 und der Verordnung v. 27. Juni 1845 zum Ressort der Konsistorien gehörigen 
Angelegenheiten in höherer Instanz von der evangelischen Abteilung des Ministeriums der 
geistlichen Angelegenheiten unter dem Vorsitze eines Direktors selbständig und kollegial 
bearbeitet werden sollten. Zugleich wird angeordnet, daß diese Behörde sich unverzüglich 
mit der Beratung der zur Vollziehung des Art. 12 der Verfassungsurkunde erforderlichen 
Maßregeln beschäftigen und darüber zusammen mit dem Minister der geistlichen Ange- 
legenheiten dem König Vortrag erstatten solle. Eine Ausführungsverfügung des Ministers 
der geistlichen Angelegenheiten v. 7. Febr. 1849 an die Konsistorien und Regierungen, 
welche die Zuständigkeit zwischen dem Minister und der neuen Abteilung abgrenzte 1, und 
ein Erlaß der neuen Abteilung an die Konsistorien v. 13. Febr. 18492 äußerten sich 
über die Motive der Neuordnung dahin, daß Art. 12 der Verfassungsurkunde noch nicht 
vollzogen, die evangelische Kirche noch nicht selbständig sei und noch keine selbständige 
Verfassung habe, daß eine solche aber die notwendige Voraussetzung ihrer Auseinander- 
setzung mit dem Staate bilde; daß die Kirche sich selber darüber einigen und die Ver- 
fassung durch eigene Tat erzeugen müsse, daß die „Abteilung“ lediglich eine provisorische 
oberste Verwaltungsbehörde bis zu jenem Zeitpunkt darstelle, die zugleich die Maßregeln 
zur Vollziehung des Art. 12 zu beraten habe. Dagegen ist von der Berufung der 
Generalsynode nicht mehr die Rede.3 Die inzwischen eingegangenen amtlichen Gut- 
achten der „gesetzlichen“ Organe hielten in der großen Mehrzahl daran fest, daß zur 
Vollziehung des Art. 12 eine neue Verfassung der evangelischen Kirche nötig sei, daß 
diese aber rechtlich nur durch eine konstituierende Generalsynode zustande kommen könne; 
doch erklärte sich die Mehrzahl nicht für die sofortige Berufung dieser Synode, sondern 
zunächst für eine provisorische Organisation der unteren Stufen, aus welchen dann als 
Schluß die Generalsynode hervorgehen müsse, welche endgültig über die Kirchenverfassung 
zu beschließen habe.? Darauf erging am 29. Juni 1850“ der Allerh. Erlaß „betreffend 
die Grundzüge einer Gemeindeordnung für die evangelischen Kirchengemeinden der östlichen 
Provinzen und die Einsetzung des Evangelischen Oberkirchenrats.“! Die Gemeinde- 
ordnung fand jedoch keine weite Verbreitung, da ihre Annahme in das Belieben der Ge- 
meinden gestellt war.8 Von ungleich größerer Bedeutung war dagegen die Errichtung 
des Evangelischen Oberkirchenrats, welche in der Weise vorgenommen wurde, daß die „Ab- 
teilung für die inneren evangelischen Kirchensachen“““ unter Beibehaltung ihrer bisherigen, 
  
1 M. Bl. d.i. Verw. 1849, S. 14; Aktenst. aus der 
Verw. der Abt. des Min. d. geistl. Ang. für die 
inneren evangel. Kirchens., Berlin 1850, S. 2 ff. 
Danach sind die bisher dem Min. d. geistl. Ang. 
überwiesenen Interna der evangel. Kirche vor- 
behaltlich der Mitwirkung des Min. d. geistl. Ang. 
bei gewissen Angelegenheiten auf die Abt. für die 
inn. Kirchensachen übertragen, die Externa der 
evangel. Kirche dagegen dem Min. d. geistl. Ang. 
verblieben. 
2 M. Bl. d. i. Verw. 1849, S. 13; Aktenst. aus 
der Verw. der Abt., S. 8. 
3 Auch sollen die Maßregeln zur Vollziehung 
des Art. 12 (jetzt Art. 15) von neuem beraten 
werden, und zwar unter Mitwirkung der „ge- 
setzlichen“ Organe; der Rechtspunkt wird jetzt 
als „zweifelhaft“ bezeichnet. 
4 S. 192, Anm. 2. 
5 Aus diesen Gutachten wurde der Rat, die 
Angelegenheit allmählich zu ordnen, ange- 
nommen; dagegen blieb die Generalsynode 
auf sich beruhen; in späteren Erlassen wurde 
sogar darauf Bezug genommen, daß die amt- 
v. Rönne-Zorn, Preuß. Staatsrecht. 5. Aufl. III. 
  
lichen Gutachten eine konstituierende General- 
synode abgelehnt hätten. 
6 G. S. 1850, S. 343. Die Motive finden 
sich in der Denkschrift: Allerh. Erlaß v. 29. Juni 
1850, betr. die Grundzüge einer Gemeindeord- 
nung für die evangelischen Kirchengemeinden der 
östlichen Provinzen und die Einsetzung des evan- 
gelischen Oberkirchenrats nebst Ressortreglement 
für die evangelische Kirchenverwaltung, nebst den 
dazu gehörigen Aktenstücken, Berlin 1850. Der 
Erlaß v. 29. Juni 1850 ist von dem Min. 
v. Ladenberg gegengezeichnet; daraus ergibt sich, 
daß dieser nunmehr einen von dem früher aus- 
gesprochenen durchaus abweichenden Standpunkt 
in dieser Frage eingenommen hatte. 
7 Schoen, Bd. 1, S. 78, 84 f. Titulatur der 
Mitglieder des Ev. O. K. R.: Allerh. Erlaß v. 
31. Juli 1911 (G. S. 1629. 
8 Jakobson, Kirchenrecht, S. 221 f.; Heppe, 
Die Presb.-Synodalverfassung der evangel. Kirche 
in Norddeutschland, S. 108 f.; Schoen, Bd. 1, 
S. 85. 
*Diese Abteilung war mehrfach so aufgetreten, 
als wäre sie bereits das unabhängige Regiment 
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