Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

198 Staat und Kirche. (8. 127.) 
einverstanden, bestätigte indes vorläufig nicht den ganzen von der Staatsregierung vor- 
gelegten Gesetzentwurf, sondern nur die Gemeindeordnung, wogegen die Bestätigung der- 
Kreis= und Provinzialsynodalordnung bis zur Verständigung über die Generalsynodal- 
ordnung verschoben wurde. 1 Nachdem das Herrenhaus den Beschlüssen des Abgeordneten- 
hauses beigetreten war 2, erfolgte die Publikation des Staatsgesetzes betreffend die evan- 
gelische Kirchengemeinde= und Synodalordnung für die Provinzen Preußen, Brandenburg, 
Pommern, Posen, Schlesien und Sachsen am 25. Mai 1874.3 Art. 1 des Gesetzes 
bestimmte, daß die Vertretung der evangelischen Kirchengemeinden sowie die Verwaltung 
des Kirchenvermögens nach Maßgabe der Bestimmungen der Art. 2 ff. auf die in §. 1 
der Kirchengemeinde= und Synodalordnung v. 10. Sept. 1873 bestimmten Organe, die 
Gemeindekirchenräte und die Gemeindevertretungen, übergehe. Die staatsgesetzliche Regelung. 
wegen der den Kreis= und Provinzialsynoden und deren Vorständen in der Kirchengemeinde- 
und Synodalordnung zugewiesenen Rechte blieb gemäß Art. 7 vorbehalten. 
Das Kirchenregiment schritt inzwischen im Ausbau der Kirchenverfassung weiter 
vor." Durch den Allerh. Erlaß v. 1. Juni 1874 5 wurde die Bildung der Wahlkreise 
für die Provinzialsynoden der östlichen Provinzen verordnet. Im Herbst 1874 fanden 
die Wahlen zu den Provinzialsynoden statt. Im Herbste 1875 traten diese Sy- 
noden in sämtlichen acht älteren Provinzen zusammen und vollzogen die Wahlen. 
zur ersten außerordentlichen Generalsynode. Nachdem auch die vom Könige zu ernennen- 
den 30 Mitglieder bestellt waren, wurde die außerordentliche Generalsynode am 24. Nov. 
1875 in Berlin eröffnet und ihr der „Entwurf einer Generalsynodalordnung“ (nebst 
Motiven) s zur Beratung vorgelegt. Nachdem die Versammlung? diesen Entwurf ohne 
wesentliche Veränderungen genehmigt hatte, erteilte der König durch Allerh. Erlaß v. 
20. Jan. 1876 „tbetreffend die Einführung einer Generalsynodalordnung für die acht 
  
(nach Art. 15 der Verf. Urk.) ihre gewiesene Grenze 
in dem Kreise des inneren kirchlichen Gebietes; 
sie ende, wo das Rechtsgebiet des Staates be- 
ginne. Soweit daher die neue Ordnung das 
letztere berühre, bedürfe sie der staatlichen Aner- 
kennung bzw. einer Sanktion, welche die betref- 
fenden Vorschriften mit staatsgesetzlicher Wirk- 
samkeit bekleide und dadurch zu einem Teile des 
öffentlichen Rechtes gestalte. Eine solche Berüh- 
rung finde bei der neuen Ordnung in vier Rich- 
tungen statt, nämlich bei den Vorschriften, welche 
a) die Vertretung der Gemeinde nach außen und 
in vermögensrechtlicher Beziehung, b) die Ver- 
waltung des Kirchenvermögens, ch die Rechtsver- 
hältnisse des Patronats, d) das kirchliche Be- 
steuerungsrecht bzw. die Pflicht der Gemeinden 
und Kirchenkassen zur Aufbringung der für kirch- 
liche Zwecke erforderlichen Mittel regeln. Die 
Mitwirkung des Staates bei Ausführung der 
K. G. u. S. O. habe sich demnach teils nega- 
tiv, teils positiv zu äußern, nämlich negativ, 
insofern es gelte, der kirchlichen Autonomie auf 
dem ihr eigentümlichen Gebiete durch Hinweg- 
räumung der älteren landesgesetzlichen Vorschrif- 
ten durch deren generelle Kassation freie Bahn 
zu schaffen, positiv bezüglich derjenigen Bestim- 
mungen, welche, weil sie nicht auf ausschließlich 
kirchlichem Gebiete belegen seien, nicht allein von 
der Kirche in rechtliche Wirksamkeit gesetzt wer- 
den könnten; hier bedürfe es einer ausdrücklichen, 
die betreffenden Vorschriften der neuen Ordnung 
im einzelnen genehmigenden Sanktion durch die 
Staatsgesetzgebung. 
1 Bericht der Komm. des A. H. in den Ste- 
nogr. Ber. 1873—74, Anl. Bd. IV, Nr. 303, 
S. 1867 ff.; Verhandl. in den Stenogr. Ber. des 
  
A. H. 1873—74, Bd. II, S. 1163 ff., 1350 ff., 
1381 ff. 
2 Die Komm. des H. H. hatte zwar in ihrem 
Berichte (Stenogr. Ber. 1873—74, Bd. II, Nr. 102, 
S. 540 ff.) wesentliche Anderungen der Beschlüsse 
des A. H. beantragt, allein das Plenum des H. H. 
lehnte sämtliche Abänderungsanträge ab und er- 
teilte dem von dem A. H. beschlossenen Gesetzentwurfe- 
seine Zustimmung (Verhandl. in den Stenogr. Ber. 
des H. H. 1873—74, Bd. I, S. 341—368). 
3 G. S. 1874, S. 147 ff.; Wach, Das Ge- 
setz v. 25. Mai 1874 in den Synodalfragen, 1875. 
Einige Ergänzungen brachten die Ges. v. 7. April 
1891 (G. S. 43), 3. Juli 1893 (G. S. 191) und. 
28. Mai 1894 (G. S. 87). 
4 Auf Grund des §. 59 (Schlußabsatz) der 
K. G. u. S. O. wurde durch den Allerh. Er- 
laß v. 30. Dez. 1874 (G. S. 1875, S. 2) die 
Einfügung der Kreissynoden Stolberg-Wernige- 
rode, Stolberg und Roßla in den Synodalver- 
band der Provinz Sachsen angeordnet. Auf Grund: 
des §. 32, Nr. 2 der K. G. u. S. O. erging 
der Allerh. Erlaß v. 2. Dez. 1874 zur Ausfüh- 
rung der Bestimmungen des §. 32, a. a. O., über 
das Pfarrerwahlrecht. 
5 G. S. 1874, S. 213. 
* Turch Allerh. Erlaß v. 31. Okt. 1875. 
wurden der Min. d. geistl. Ang. und der Ev. 
O. K. R. ermächtigt, diesen Entwurf nebst Mo- 
tiven der zu versammelnden außerordentlichen 
Generalsynode zur Beratung vorzulegen (Erl. v. 
31. Okt. 1875 und Entw. der G. S. O. nebst 
Motiven im Deutschen Reichs= u. Königl. Preuß. 
Staatsanzeiger 1875, Nr. 268). 
!* Über die Verhandl. vgl. die bei Schoen, 
Bd. I., S. 911 angeführte Literatur.
	        
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