Landeskirchen der neueren Provinzen. (§S. 129.) 215
holsteinschen Kirchenverfassung brachten das Kirchengesetz v. 25. Juni 1898 betreffend die
Bildung von Parochialverbänden in der Provinz Schleswig-Holstein nebst dem zugehörigen
Staatsgesetz vom gleichen Tage 1, das Kirchengesetz betreffend die Vertretung der Propstei-
(Kreis= Synodalverbände und des Gesamtsynodalverbandes der evangelisch-lutherischen
Kirche der Provinz Schleswig-Holstein in vermögensrechtlichen Angelegenheiten v. 8. Juni
1898 nebst Staatsgesetz v. 9. Juni 18982, endlich das Kirchengesetz betreffend die Erhebung
von Kirchensteuern in den Kirchengemeinden und Parochialverbänden der evangelisch-luthe-
rischen Kirche der Provinz Schleswig-Holstein v. 10. März 1906 nebst Staatsgesetz v.
22. März 1906.3
III. Provinz Hessen-Nassau.
1. Landeskirche des Konsistorialbezirks Kassel. Im vormaligen Kurfürstentum
Hessen" wurde durch das Organisationsedikt v. 29. Juni 1821 betreffend die Um-
bildung der bisherigen Staatsverwaltung 5 (§. 65) bestimmt, daß ein evangelisches
Konsistorium in jeder Provinz bestehen solle, mit Ausnahme jedoch der wesentlich
katholischen Provinz Fulda, deren protestantische Gemeinden Schmalkalden und Hers-
feld dem Konsistorialbezirk Kassel verblieben bzw. nach Hanan gewiesen wurden.
Der Geschäftskreis der Konsistorien wurde durch das Edikt (§. 66) dahin festgestellt,
daß dazu gehören sollten: a) die Aufsicht auf den evangelischen Gottesdienst in dog-
matischer wie in liturgischer Beziehung und der ganze Religionsunterricht sowie die
besonderen Veranstaltungen bei außerordentlichen kirchlichen Feiern; b) die Aufrecht-
haltung der Kirchenzucht sowie die Aufsicht über Amtsführung und Lebenswandel
der Geistlichen und andern Kirchendiener; c) die Prüfung der Bewerber um geistliche
Amter, der Vorschlag zu deren Besetzung, die Ordination und Einführung der Pre-
diger, die Anstellung der unteren Kirchendiener, soweit diese nicht den Gemeinden, Kirchen-
patronen usw. zusteht; d) die Erteilung der Dispensationen in den gesetzlich dazu
geeigneten Fällen oder die Berichterstattung hierüber an das Ministerium des Innern;
e) die Leitung der Verwaltung des Vermögens der Kirchen, Pfarreien und der der Auf-
sicht der Konsistorien untergebenen frommen Stiftungen; f) die Visitation der Kirchen und
Schulen auf dem Lande mit Rücksicht auf Neligion durch die betreffenden Superinten-
denten und Inspektoren. Die Konsistorien wurden dem Ministerium des Innern unter-
geordnet (§. 24). Die Verfassungsurkunde v. 5. Jan. 18317 bestimmte in §. 132, daß
die Sachen des Glaubens und der Liturgie den verfassungsmäßigen Beschlüssen der im
Staate anerkannten Kirchen überlassen bleiben, in §. 133, daß die Staatsregierung die
unveräußerlichen hoheitlichen Rechte der Oberaufsicht über die Kirchen in ihrem vollen
Umfange ausüben solle. §. 134 setzte sodann fest, daß die unmittelbare und mittelbare
Ausübung der Kirchengewalt über die evangelischen Glaubensparteien wie bisher dem
unter Zustimmung der Komm., daß zurzeit der
Kultusminister die zweite Instanz sei in allen die
Verhältnisse der evangel. Kirche in den Bezirken
der Konsistorien Kiel und Wiesbaden betreffenden
Angelegenheiten, auch in betreff der Pfarrerwahl,
und daß an dieser zweiten Instanz durch die
Synodalordnung nichts geändert sei (Stenogr.
Ber. des A. H. 1877—/78, Anl. Bd. II, Nr. 221,
S. 1583, Sp. 2).
1 G. S. 1898, S. 133; Novelle v. 3. Juni
1907 (Kirchengesetz), bzw. 4. Juni 1907 (Staats-
gesetz), G. S. 1907, S. 116; dazu königl. Ver-
ordn. v. 29. Aug. 1898, G. S. 307.
2 G. S. 1898, S. 117.
2 G. S. 1906, S. 41; Verordn. v. 23. März
1906 (G. S. 54); Kommentierte Ausgabe von
Lampe, 1906.
x Über die dortige Kirchenverfassung: Ledder-
hose, Versuch einer Anleitung zum Hessen-Kas-
selschen Kirchenrecht, 1785; Pfeiffer, Kurhessi-
sches Kirchenrecht, 1821; Hassenkamp, Hessische
Kirchengeschichte, 1855; Heppe, Kirchengeschichte
beider Hessen, 1876; Bach, Kurze Geschichte der
kurhessischen Kirchenverfassung, 1832; Büff, Kur-
hessisches Kirchenrecht, 1861; Ebert, Die Ge-
schichte der Kirche in Kurhessen. 1860; Fried-
berg, Die evangel. und kathol. Kirche der neu
einverleibten Länder, S. 21 ff.; Köhler, Kirchen-
recht der evangel. Kirche des Großherzogtums
Hessen, 1884; Schoen, Bd. I, S. 111 ff., bes.
S. 119 ff
5 G. S. für Kurhessen 1821, S. 28.
* Die nach §. 67 der Verordn. v. 29. Juni
1821 aufrechterhaltene Konsistorialdeputation in
Rinteln für die lutherische Grafschaft Schaum-
burg ist durch Ministerialverordn. v. 17. März
1838 aufgehoben worden; ihre Geschäfte sind auf
das für das fast ganz reformierte Niederhessen
bestimmte Konsistorium in Kassel übergegangen
(Büff, Kurhess. Kirchenrecht, §. 160, S. 356).
7 G. S. für Kurhessen 1831, S. 1 ff.