220 Staat und Kirche. (8. 129.)
zur alten Stadtverfassung v. 19. Juli 18161 schrieb (Art. 35) vor, daß alle kirchlichen
Gemeinden der Oberaufsicht des Staates unterstehen, daß allgemeine, von den vor-
gesetzten kirchlichen Behörden verfaßte Verordnungen der Sanktion des Staates bedürfen,
daß die Oberaufsicht dem gesamten Senat übertragen, dem gesetzgebenden Körper aber die
Sanktion organischer Einrichtungen und die Genehmigung allgemeiner Verordnungen vor-
behalten bleibt, endlich daß jede Gemeinde der drei christlichen Konfessionen abgesondert unter
der Oberaufsicht des Senates und der Sanktion des Staates ihre religiösen, kirchlichen,
Schul= und Erziehungsangelegenheiten besorgt. Den beiden reformierten Gemeinden, welche
jede ein eigenes Presbyterium, eigene Diakonie und uneingeschränkte Freiheit der Pfarrer-
wahl besaßen, blieb gemäß Art. 37 der Konstitutionser gän zungsakte die Errichtung eines
reformierten Konsistoriums überlassen. Im Jahre 1820 2 wurde dieses Konsistorium er-
richtet. Es bestand aus zwei reformierten Senatoren, den beiden ältesten Pfarrern der
beiden Gemeinden und zwei von den Gemeinden vorzuschlagenden Assessoren. Es hatte
einen bloß beschränkten Wirkungskreis, indem es nur den Zwecken des Schulwesens ge-
widmet war und im Verein mit dem lutherischen Konsistorium die Rechte einer oberen
Schulbehörde ausübte. Für die religiösen, kirchlichen, Schul= und Erziehungsangelegen-
heiten der protestantisch -lutherischen Gemeinden verordnete Art. 36 der Konstitutions-
ergänzungsakte die Wiederherstellung des schon früher bestandenen, 1728 begründeten
evangelisch--lutherischen Konsistoriums. Dieses bestand nach dem organischen Gesetz v.
5. Febr. 1857 3 aus zwei lutherischen Senatoren, je einem auf Lebenszeit gewählten
geistlichen und rechtsgelehrten und je zwei auf drei Jahre gewählten geistlichen und welt-
lichen Konsistorialräten. Die lutherischen Gemeinden erhielten durch das Gesetz v. 5. Febr.
1857 über die Zusammensetzung und den Geschäftskreis des evangelisch-lutherischen Ge-
meindevorstandes" einen Gemeindevorstand, welcher aus den Pfarrern, achtzehn Altesten
und ebensoviel Diakonen bestand.
Nach der Vereinigung der ehemals freien Stadt Frankfurt mit der preußischen
Monarchie verblieben nach der Verordnung v. 22. Sept. 1867° (§. 3) die im Gebiete
der Stadt bestehenden Konsistorien zunächst bis auf weiteres in Wirksamkeit; die bisher
vom Senat ausgeübten Rechte der Kirchengewalt aber gingen auf den König von Preußen als
neuen Landesherrn über." In der Folgezeit? wurde dann die Gemeindeverfassung weiter
ausgebaut durch die Gemeindeordnung für die evangelisch -lutherische Gemeinde von
Frankfurt und Sachsenhausen (1872)8 und durch die Gemeindeordnung für die zum
Frankfurter Landbezirk gehörigen evangelisch-lutherischen Gemeinden Bornheim, Oberrad,
Niederrad, Bonames, Niederursel und Hausen v. 11. März 1889.7 Erst in nerester
Zeit sind diese einzelnen Ordnungen ersetzt worden durch die umfassende „Kirchengemeinde-
und Synodalordnung für die evangelischen Kirchengemeinschaften des Konsistorialbezirks
Frankfurt a. M.“ v. 27. Sept. 1899 10, bestätigt durch Staatsgesetz v. 28. Sept. 1899.11
Die Konsistorialverfassung erfuhr eine Neuordnung durch Verschmelzung der beiden Kon-
sistorien zu einer einheitlichen Behörde. 12 Das geltende Kirchensteuerrecht beruht auf dem
Kirchengesetz v. 10. März 1906 und dem Staatsgesetz v. 22. März 1906.13
1 Gesetz= und Statutensamml. für Frankfurt, G. S. 1889, S. 81; jetzt Kirchengemeinde-
Bd. I, S. 51 ff. ordn. v. 2. Juni 1890 und Staatsgesetz vom
2 Verordn. v. 8. Febr. 1820 über die Bildung gleichen Tage.
des reform. Konsistoriums (Gesetz= und Statuten- 16 G. S. 1899, S. 425; dazu Foerster in
samml. für Frankfurt, Bd. II, S. 183 ff.. . . W % Da I
»zGesetz-undStamtenspmmLfür Frankfurt, Deutsche Ztschr.f. Kirchenrecht, Bd. XXXI(S. Folge,
B. XIV, S. 39—42. Bd. IX), S. 268 ff.
* Ebenda S. 49—56. 11 G. S. 1899, S. 457; dazu die Ausführungs-
5 G. S. 1867, S. 1569. verordn. v. 6. Nov. 1899 (G. S. 1899, S. 517).
6 Friedberg, a. a. O., S. 33. 112 Gce-
! Schoen, Bo. 1. S. 125 Ges. v. 28. Sept. 1899, Art. 20.
* Friedberg, Verfassungsgesetze, Bd. I, 18 G. S. 1906, S. 46; dazu Verordn. v. 23. März
266.
S. 1906 (G. S. 55).