Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

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Staat und Kirche. 
G. 131.) 
v. 11. Mai 1873 begründete Einspruchsrecht der Staatsbehörde bei der Anstellung. 
von Geistlichen, das erstere, indem es deklarierte, daß der Nichtbeachtung des erhobenen. 
Einspruchs gleichstehe a) die Anstellung eines Kandidaten ohne jede Benennung, b) die 
Anstellung mit gleichzeitiger oder nachheriger Benennung, c) die Anstellung vor dem Ab- 
lauf der dreißigtägigen Einspruchsfrist (Art. 1), das zweite Gesetz, indem es das Ein- 
spruchsrecht auf alle Stellungen ausdehnte, welche die interimistische Ausübung der mit 
dem bischöflichen (erzbischöflichen, fürstbischöflichen) Amt verbundenen Rechte und geist- 
lichen Verrichtungen ? — abgesehen von der bloßen Güterverwaltung und abgesehen ferner 
von der Vornahme einzelner Weihehandlungen durch staatlich anerkannte Bischöfe — in 
einem erledigten katholischen Bistum zum Zweck haben, also namentlich auf die Ämter- 
des Kapitular= uud Generalvikars (88. 1, 3).3 2 
Der Erlaß dieser beiden Gesetze hatte abermals eine Verschärfung des bestehenden 
kirchlichen Konfliktes zur Folge. 
Das Verhalten des römisch-katholischen Episkopats 
  
Sitz. des A. H. v. 7. Febr. und 4., 5., 6. und 
9. Mai 1874 (Stenogr. Ber. des A. H. 1873 
— 74, Bd. II, S. 1145 ff., 1399 ff., 1431 ff., 
1463 ff., 1571 ff.); Verhandl. im H. H. in den- 
Sitz. v. 11., 13., 15. Mai 1874 (Stenogr. Ber. 
des H. H. 1873—74, Bd. I, S. 263 ff., 301 ff., 
319 ff.). Kommentar von Hinschius über das 
Gesetz in dessen Preuß. Kirchengesetzen der Jahre 
1874 und 1875, S. 41 ff.; Hinschius in Hart- 
manns Ztschr. f. Gesetzgebung u. Praxis, Bd. I, 
S. 241 ff. 
1 Ges. v. 20. Mai 1874, s. 20, Abf. 1. 
2 Darunter sind sowohl die in dem bischöf- 
lichen Amte als solchem enthaltenen, als auch 
die auf Delegation beruhenden Rechte und Ver- 
richtungen begriffen (Gesetz, §. 29, Abs. 2). 
2 §. 2 des Ges. v. 20. Mai 1874 bestimmt, 
daß derjenige, welcher solche bischöfliche Rechte 
oder Verrichtungen ausüben will, hiervon dem 
Oberpräsidenten der Provinz, in welcher sich der 
erledigte Bischofssitz befindet, unter Angabe des 
Umfanges der ausznübenden Rechte schriftliche 
Mitteilung zu machen, dabei den ihm erteilten 
kirchlichen Auftrag darzutun, sowie den Nach- 
weis zu führen hat, daß er die persönlichen 
Eigenschaften besitzt, von denen das Ges. v. 
11. Mai 1873 die Ubertragung eines geistlichen 
Amtes abhängig macht, daß er zugleich zu er- 
klären hat, daß er bereit sei, sich eidlich zu ver- 
pflichten, dem König treu und gehorsam zu sein 
und die Gesetze des Staates zu befolgen. Das 
Staatsministerium ist ermächtigt, durch Beschluß 
von dieser eidlichen Verpflichtung und von dem 
Nachweis der erforderlichen persönlichen Eigen- 
schaften, mit Ausnahme des Erfordernisses der 
deutschen Staatsangehörigkeit, zu dispensieren 
(Ges. v. 14. Juli 1880, Art. 2; Ges. v. 31. Mai 
1882, Art. 1; Ges. v. 21. Mai 1886, Art. 11). 
Andernfalls erfolgt die eidliche Verpflichtung (Ges. 
v. 20. Mai 1874, §. 3) vor dem Oberpräsidenten 
oder vor einem von ihm ernannten Kommissar. 
4 Anßerdem regelte das Ges. v. 20. Mai 1874 
noch die Verhältnisse der erledigten Bistümer in 
mehrfachen Beziehungen, indem es dem Dom- 
kapitel im Falle der staatlichen Absetzung eines 
Bischofs die Verpflichtung auferlegte, nach erhal- 
tener Aufforderung einen Bistumsverweser (Ka- 
pitelsvikar) zu wählen (§. 6), und vorschrieb, daß 
jeder, gleichviel auf welche Weise erledigte Bischofs- 
sitz binnen Jahresfrist wieder mit einem staatlich 
  
anerkannten Bischof besetzt werden müsse (6 8). 
Zur Durchführung dieser Vorschriften diente die 
staatliche Verwahrung und Verwaltung des dem 
Bistum gehörigen und der Verwaltung des bischöf- 
lichen Stuhles oder des jemaligen Bischofs unter- 
liegenden Vermögens. Die staatliche Verwahrung. 
und Verwaltung dauerte so lange, bis ein Bis- 
tumsverweser gesetzlich angestellt war oder die 
Einsetzung eines staatlich anerkannten Bischofs- 
stattgefunden hatte. Dieselbe sollte von einem. 
vom Min. d. geistl. Ang. ernannten Kommissar 
auf Kosten des verwalteten Vermögens geführt 
werden. Die Befugnisse dieser Kommissare zur 
Anwendung von Zwangsmitteln regelte das. 
Ges. v. 13. Febr. 1878 (G. S. 1878, S. 87). 
Der Kommissar war für seine Amtstätigkeit nur 
dem Oberpräsidenten und dem Min. d. geistl. 
Ang. verantwortlich. Seine Bestellung, sowie 
Beginn und Ende seiner Amtstätigkeit sollten 
vom Oberpräsidenten öffentlich bekannt gemacht 
werden (§§. 6, 9—11). — Die beiden Ges. v. 
21. Mai 1874 und v. 20. Mai 1874 hatten 
ferner eine neue Art der Besetzung geistlicher 
Amter, bzw. der Errichtung einer Stellvertretung. 
in diesen eingeführt. In gewissen Fällen war 
den Kirchengemeinden, deren Zwecken das in 
Frage stehende Amt diente, ein Wahlrecht ein- 
geräumt, wenn nach Erledigung eines geistlichen 
Amtes durch Richterspruch der auf Grund des 
Patronats oder eines sonstigen Rechtstitels Be- 
rechtigte von seinem Präsentations= oder Nomi- 
nationsrechte binnen bestimmter Frist keinen Ge- 
brauch machte oder wenn derartige Rechte über- 
haupt nicht vorhanden waren. Die Gemeinde 
war zur Ausübung ihrer Befugnisse auf Antrag 
von zehn großjährigen, im Besitze der Ehren- 
rechte befindlichen, einem mitwählenden Familien- 
haupte nicht untergeordneten, männlichen Mit- 
gliedern durch den Landrat bzw. Amtmann oder 
Bürgermeister zusammenzurufen, und ein gülti- 
ger Beschluß galt als gefaßt, wenn mehr als die 
Hälfte der Erschienenen demselben zugestimmt hatte 
(§§. 8—10 des Ges. v. 21. Mai 1874; §§. 15 
—17 des Ges. v. 20. Mai 1874). Alle diese 
Vorschriften sind durch die späteren Novellen zu 
den kirchenpolitischen Gesetzen aufgehoben worden 
(Ges. v. 31. Mai 1882, Art. 4; Ges. v. 29. April 
1887, Art. 6). · · 
s Hinschius, Die preuß. Kirchengesetze 1874 
und 1875, Einl. «
	        
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