Das Polizeiverordnungsrecht. (§. 114.) 37
Verordnung muß sofort eine Abschrift an die zunächst vorgesetzte Staatsbehörde ein-
gereicht werden 1; dies gilt auch für die Abänderung oder Aufhebung ortspolizeilicher
Vorschriften. Außer den im Gesetz v. 11. März 1850 enthaltenen Delegations-
vorschriften finden sich noch zahlreiche spezielle Vorschriften gleicher Art in Landes= und
Reichsgesetzen über einzelne Materien.
5. Nach §. 11 des Gesetzes v. 11. März 1850 bzw. 8§. 11 der Verord-
nung v. 20. Sept. 1867 und nach §. 12 des Gesetzes für Lauenburg v. 7. Jan.
1870 waren die Bezirksregierungen befugt, für mehrere Gemeinden ihres Verwal-
tungsbezirkes oder für seinen ganzen Umfang gültige Polizeivorschriften zu erlassen und
gegen die Nichtbefolgung derselben Geldstrafen bis zu dem Betrage von dreißig Mark
anzudrohen.“
Diese Bestimmung ward zuerst für die Provinzen des Geltungsbereiches der Pro-
vinzialordnung v. 29. Juni 1875 und ist jetzt für die ganze Monarchie abgeändert
worden. Der §. 81 der Provinzialordnung hatte die Befugnis der Regierungen zum
Erlaß von Polizeivorschriften von dem Zeitpunkte ab, wo die Bildung der Provinzial-
und Bezirksräte erfolgt sein würde, für aufgehoben erklärt, und es waren in den
§§. 76—80 der Provinzialordnung bzw. in dem §. 115, Abs. 2 bis 4 des Kom-
petenzgesetzes v. 26. Juli 1876 anderweitige Bestimmungen getroffen, welche an die
Stelle derjenigen des §. 11 des Gesetzes v. 11. März 1850 getreten sind. Allein auch
diese Vorschriften sind wiederum abgeändert worden durch die §§. 73—75 des Gesetzes
v. 26. Juli 1880, welches nach dessen §. 88 mit dem 1. April 1881 für die Pro-
vinzen des Geltungsbereiches der Provinzialordnung v. 29. Juni 1875 in Kraft trat,
und ihre endgültige Regelung hat die Materie durch die Vorschriften des L. V. G. v.
30. Juli 1883 für die ganze Monarchie gefunden. Danach ist — L. V. G., §. 137,
Abs. 2 — der Regierungspräsident, nicht die Regierung, befugt, Polizeiverord-
nungen nach Maßgabe der §§. 6, 12, 13 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung v.
11. März 1850 bzw. der §§. 6, 12, 13 der Verordnung v. 20. Sept. 1867
S. 2 ff. sucht zu zeigen, daß in §. 6, i nur solche
Gegenstände gemeint seien, deren Regelung im
besonderen Interesse der Gemeinde als solcher
geboten ist, und daß daher auch nur Gemeinde-
und Bezirksangelegenheiten zu den in der
Schlußwendung des §. 12 erwähnten Gegen-
ständen gezählt werden können. In den durch
die 88. 5 ff. des Ges. v. 11. März 1850 vorge-
schriebenen Formen sind auch diejenigen Orts-
polizeiverordnungen zu erlassen, auf welche die
Feldpolizeiordn. v. 1. Nov. 1847 (setzt also das
Feld= und Forstpolizeiges. v. 1. April 1880) hin-
weist. Den Fällen des §. 6 des Ges. v. 11. März
1850 treten diejenigen Gegenstände hinzu, für
welche durch Spezialgesetze der Erlaß von Polizei-
verordnungen gestattet ist, also z. B. die Ver-
ordnungen zum Zwecke der Sonntagsheiligung,
desgl. der §. 13 des Ges. v. 1. Juli 1861 (G.
S. 1861, S. 719), welcher die Regierungen zum
Erlasse von Polizeiverordnungen über die Ent-
fernung der durch Wind bewegten Triebwerke
von benachbarten fremden Grundstücken und öffentl.
Wegen ermächtigt, usw.
1 Ges. v. 11. März 1850, §.8, Verordn. v. 20. Sept.
1867, §. 8. lauenburg. Ges., §. 9, s. dazu Rosin,
S. 279. Dieser Vorschrift ist genügt, wenn eine
polizeiliche Verordnung der zunächst vorgesetzten.
Behörde eingereicht ist; es ist dann gleichgültig,
zu welchem Zwecke diese Einreichung erfolgte.
(Erk. des Ob. Trib. v. 19. Sept. 1866, Just.
M. Bl. 1866, S. 303; Goltdammers Arch.,
Bd. XIV, S. 775; Oppenhoffs Rechtspr.,
Bd. VII, S. 490.)
2 Ges. v. 11. März 1850, §. 10, Verordn. vom
20. Sept. 1867, §. 10, lauenburg. Ges., §. 11.
3 Vgl. hierzu Rosin, S. 82 ff., über das
Verhältnis von Reichs= und Landesrecht ebenda
S. 67 ff., sowie unten im Verwaltungsrecht, Ab-
schnitt Polizeirecht.
4 Obgleich der §. 11 des Ges. v. 11. März
1850 nur davon redet, daß die Regierungen „für
mehrere Gemeinden ihres Verwaltungsbezirkes
oder für den ganzen Umfang desselben“ gültige
Polizeivorschriften erlassen dürfen, lassen doch die
Vorschriften des Ges. v. 11. März 1850 keine
andere Deutung zu als die, daß die Regierungen
überall da einzutreten haben, wo die den Orts-
polizeibehörden eingeräumte Befugnis zum Erlaß
polizeilicher Verordnungen nicht ausreicht, und
daß es bezüglich der Regierungsverordnungen nur
darauf ankommt, die geographische Begrenzung
ihrer Gültigkeit zu sichern. Für einen bestimmten
See oder Forst kann eine solche Verordnung er-
lassen werden. (Beschl. des Ob. Trib. v. 26. Sept.
1860. Just. M. Bl. 1860, S. 410, M. Bl. d. i. Verw.
1860, S. 239, Goltdammers Arch., Bd. VIII,
S. 818.) Wenn die Regierung eine Polizeiver-
ordnung erlassen und sich dabei vorbehalten hat,
diese später auf andere, zunächst nicht davon be-
troffene Gegenstände auszudehnen, so steht es der
Ortspolizeibehörde nicht zu, diese Ausdehnung
auf Grund des Ges. v. 11. März 1850 auszu-
sprechen. (Erk. des Ob. Trib. v. 5. März 1857;
Oppenhoffs Komm. zum Preuß. Strafgesetzb.,
§. 332, Note 31.)