Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

42 Die Gesetzgebung. (. 115.) 
Vorgang bis dahin, wo sie durch den Akt der Veröffentlichung (Publikation) nach 
außenhin erkennbar gemacht wird. Auch die Anordnung der Verkündigung des sank- 
tionierten Gesetzes ist ein ausschließlich dem Könige zustehendes Recht. Indem die Ver- 
fassungsurkunde in Art. 62, Abs. 2 bestimmt, „daß die Ubereinstimmung des Königs 
und beider Kammern zu jedem Gesetze erforderlich ist“, spricht sie hiermit aus, daß die 
Vereinbarung beider Kammern unter sich und mit dem Könige die Vorbedingung der Er- 
teilung der Sanktion des Königs ist, und indem der dritte Satz des Art. 45 bestimmt, 
„daß der König die Verkündigung der Gesetze befiehlt“, ist hierdurch die ausschließliche 
Befugnis des Königs zur Anordnung der Publikation des von ihm sanktionierten Gesetz- 
entwurfes als verbindliches Gesetz ausgesprochen.! 
Der König ist bezüglich der Frage, ob er einem Gesetzentwurfe die Sanktion er- 
teilen oder diese versagen will, völlig frei, und so wie er zu jeder Zeit berechtigt ist, 
jeden auf seine eigene Anordnung den Kammern zur Beschlußnahme vorgelegten Gesetz- 
entwurf zurückzuziehen, besteht auch für ihn keinerlei Verpflichtung zur Sanktion, sondern 
er ist berechtigt, diese selbst in dem Falle zu versagen, wenn beide Kammern einen mit 
seiner Ermächtigung ihnen vorgelegten Gesetzentwurf unverändert angenommen haben. 
Es ist auch keine Form für die Ablehnung der Sanktion vorgeschrieben; es kann 
daher das Recht der Verweigerung der Sanktion auch stillschweigend dadurch ausgeübt 
werden, daß der Gesetzentwurf beiseite gelegt wird, ohne daß eine ausdrückliche Ver- 
weigerung der Sanktion ausgesprochen zu werden braucht. Sowenig der König nach 
den Grundsätzen der Verfassung verpflichtet ist, einem Gesetzentwurfe seine Sanktion 
zu erteilen, sowenig besteht für ihn die Verbindlichkeit, binnen einer bestimmten Zeit- 
frist die Publikation des von ihm genehmigten Gesetzes zu befehlen. Denn beides 
— Sanktion wie Publikation — ist sein alleiniges Recht, letztere wird nur als eine 
weitere Folge der erteilten Genehmigung des Gesetzes ausgeübt und erst durch die wirk- 
lich erfolgte Genehmigung des Gesetzes tritt die erteilte Sanktion in die äußere recht- 
liche Erscheinung. Deshalb ist der König selbst dann nicht verpflichtet, ein Gesetz 
publizieren zu lassen, wenn dasselbe zwischen der Staatsregierung und den Kammern 
vollständig vereinbart ist, sondern er ist vielmehr berechtigt, selbst noch nach Erteilung 
seiner Genehmigung des Gesetzes dessen Verkündigung nicht anzuordnen oder auch den 
hierzu etwa bereits erteilten Befehl wieder zurückzunehmen. Wenn indes von dem 
  
1 Der Ausdruck: „Publikation" wird so- 
wohl in vielen Verfassungsurkunden (vgl. dieselben 
bei Zöpfl, Grundsätze des gem. D. St. R., 
5. Aufl., Bd. II, S. 324, N. 1) als auch von 
deutschen Staatsrechtslehrern (vgl. Zöpfl, a. a. O., 
S. 323 ff.; G. Meyer-Anschütz, Lehrbuch des 
D. St. N., S. 566, N. 8) für gleichbedeutend mit 
„Promulgation" gebraucht. Andererseits be- 
zeichnet man jedoch mit dem Ausdrucke „Promul- 
gation“ die staatsrechtliche Feststellung des ver- 
fassungsmäßigen Zustandekommens eines Gesetzes, 
im Gegensatze von dessen Verkündigung oder 
Publikation, so also, daß die Publikation die 
Promulgation voraussetzt, indem ohne die Fest- 
stellung der verfassungsmäßigen Zustandebringung 
eines Gesetzes auch keine Publikation desselben 
stattfinden kann (vgl. v. Held, System des Verf. 
R., Bd. II, S. 93; Grotefend, D. St. R. der 
Gegenwart, S. 534, N. 1; v. Schulze, Pr. 
St. R., Bd. II, S. 23). Andere verstehen unter 
Promulgation"“ den „Befehl, das Gesetz zu be- 
folgen“ (vgl. Jordan, Versuche über Staatsr., 
S. 538 ff.; Linde im Zivil.-Arch., Bd. XVI, 
S. 331; Weiß, System des St. R., S. 658). 
Einige endlich erklären Promulgation für gleich- 
bedentend mit Sanktion (vgl. Puchta, Vor- 
lesungen, §. 14; Reyscher, Württemb. Privatr., 
Bd. I, §. 67, S. 107); die beiden letzteren, im 
  
Resultat übereinstimmenden Theorien, dürfen heute 
als überwunden erachtet werden. Laband 
(St. R. s, II, §. 54, S. 13 ff.) führt aus, daß 
zwischen der Sanktion und Publikation ein be- 
sonderer Akt — nämlich die Promulgation — 
stehe, deren staatsrechtliche Bedeutung darin 
bestehe, daß sie das verfassungsmäßige Zu- 
standekommen des Gesetzes in formell unzweifel- 
hafter Weise konstatiere. Die „Promulgation“ 
stehe in den monarchischen deutschen Einzelstaaten 
dem Monarchen, im Reiche dem Kaiser zu und 
werde durch die Unterzeichnung der Gesetzes- 
urkunde vollzogen. Gegen Laband erklärt sich 
G. Meyer-Anschütz, S. 469, N. 8 (hier auch 
weitere Lit. Ang. für u. wider) und in Hirths 
Annalen, Jahrg. 1878, S. 372 f. Das, was 
Laband Promulgation nenne, sei nichts weiter 
als die Anordnung der Publikation. Gegen die 
Unterscheidung Labands vgl. auch Binding in 
der Krit. Vierteljahrsschr., N. F. II, S. 550. 
2 Vgl. Zöpfl, Grundsätze des gem. D. St. R., 
5. Aufl., Bd. II, S. 324; Zachariä, D. St. u. 
B. R., 3. Aufl., Bd. II, S. 165; v. Held, System 
des Verf. R., Bd. II, S. 490; v. Gerber, 
Grundzüge, 3. Aufl., S. 151; G. Meyer-An- 
schütz, D. St. R., §. 158; v. Schulze, Pr. 
St. R., Bd. II, S. 22; v. Mohl, Württemb. 
St. R., 2. Ausg., Bd. I, S. 619 zu 1.
	        
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