Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

62 Die Gesetzgebung. (8. 116.) 
der Polizeiverordnung etwa angegebene Motiv der Verordnung richtig sei oder nicht!, 
denn eine solche Prüfung würde mit der den Gerichten untersagten Erwägung der 
Notwendigkeit oder Zweckmäßigkeit der Verordnung unvereinbar sein. Auch haben die 
Gerichte nicht zu prüfen, ob ein Grund zum Erlasse der Polizeiverordnung ersichtlich 
sei?2, ebensowenig, ob die Einreichung einer ortspolizeilichen Verordnung (nach §. 8 des 
Gesetzes v. 11. März 1850 und der Verordnung v. 20. Sept. 1867 und §. 9 des 
Gesetzes v. 7. Jan. 1870) an die zunächst vorgesetzte Polizeibehörde 3 erfolgt sei."“ Wohl 
aber hat sich die Prüfung auch auf die Frage zu richten, ob die Zustimmung der Ge- 
meindevertretung (bzw. der Kreis-, Bezirks= oder Provinzialvertretung, wo solche gesetz- 
lich vorgeschrieben ist) im Einzelfalle erfolgt sei. 
III. Obgleich die verbindliche Kraft der Gesetze sich, wie die Wirksamkeit der 
Staatsgewalt überhaupt, auf die Grenzen des Staatsgebietes beschränkt 5, so wird doch 
hierdurch für die Gesetzgebung nicht ausgeschlossen, auch den im Auslande sich auf- 
haltenden preußischen Staatsangehörigen die Erfüllung gewisser Pflichten vorzuschreiben; 
ebensowenig können die im Auslande begründeten Rechte im Widerspruche mit den 
preußischen absolut gebietenden Gesetzen verfolgt werden; vielmehr wird die persönliche 
Verpflichtung eines Preußen zur Befolgung solcher Gesetze nicht durch die vorübergehende 
Ortsveränderung aufgehoben. 
IV. Jedes Gesetz bleibt so lange in Kraft, als es nicht von dem Gesetzgeber aus- 
drücklich wieder aufgehoben worden ist.¾ Indes kann ein Gesetz auch ohne ausdrückliche 
  
1 Vgl. das Erk. des Ob. Trib. v. 5. Nov. 1857 
(in Hartmanns neben dem Strafgesetzb. gelten- 
den Strafgesetzen, S. 423, Anm. 2). Dieses 
Erk. spricht nicht (wie Th. F. Oppenhoff, Die 
preuß. Gesetze über die Ressortverhältnisse, S. 511, 
Note 25 angibt) von dem Verbote der Prüfung, 
ob die Polizeiverordnung sich auf eine dem polizei- 
lichen Verordnungsrechte entzogene Materie 
bezieht, sondern erklärt es nur für unstatthaft, 
die Motive, aus welchen die Verordnung erlassen 
worden ist, zum Gegenstande der richterlichen 
Prüfung zu machen. 
2 Vgl. Erk. des Ob. Trib. v. 13. Febr. 1863 
(Oppenhoffs Rechtspr., Bd. III, S. 290). 
* Vgl. oben §. 114. 
4 Vgl. Erk. des Ob. Trib. v. 19. Sept. 1866 
(Just. M. Bl. 1866, S. 303, Goltdammers 
Arch., Bd. XIV, S. 775, Oppenhoffs Rechtspr., 
Bd. VII, S. 410). 
5 Vgl. den Plenarbeschluß des Ob. Trib. v. 
8. Mai 1865 (Entsch., Bd. LIV, Abt. 2, S. 1, 
Goltdammers Arch., Bd. XIII, S. 642, Oppen- 
hoffs Rechtspr., Bd. VI, S. 91). 
6 Vgl. oben Bd. I, §. 11, zu II. 
7 Auf diesem Grunde beruhen auch die Vor- 
schriften des §. 4 des Reichsstrafgesetzb. über die 
Bestrafung der im Auslande von preuß. Staats- 
angehörigen begangenen Verbrechen oder Vergehen. 
8 A. L. R., Einl., §. 59: „Gesetze behalten so 
lange ihre Kraft, bis sie von dem Gesetzgeber 
ausdrücklich wieder aufgehoben werden.“ 8. 60: 
„Sowenig durch Gewohnheiten, Meinungen der 
Rechtslehrer, Erkenntnisse der Richter, oder durch 
die in einzelnen Fällen ergangenen Verordnungen 
(nämlich durch die in 8. 5 der Einl. zum A. L. R. 
erwähnten) neue Gesetze eingeführt werden können, 
ebensowenig können schon vorhandene Gesetze auf 
dergleichen Art wieder aufgehoben werden.“ Es 
können mithin insbesondere durch Gewohn- 
heiten schon vorhandene Gesetze nicht aufgehoben 
werden, ebensowenig durch bloße Nichtanwen- 
  
dung. Was insbesondere die Polizeiverord- 
nungen betrifft, so hat §. 19 des Ges. über die 
Polizeiverwaltung v. 11. März 1850, §. 17 der 
Verordn. v. 20. Sept. 1870 und §. 19 des lauenburg. 
Ges. v. 7. Jan. 1880 vorgeschrieben, daß die bis- 
her erlassenen polizeilichen Vorschriften so lange in 
Kraft bleiben, bis sie in Gemäßheit des Ges. 
v. 11. März 1850 bzw. der Verordn. v. 20. Sept. 
1867 und des Ges. v. 7. Jan. 1870 aufgehoben. 
werden. — Altere (vor Erlaß des Ges. v. 11. März 
1850 bzw. der Verordn. v. 20. Sept. 1867 und des 
Ges. v. 7. Jan. 1870) ergangene und verkündete 
Polizeiverordnungen sind, sofern sie nicht Materien 
betreffen, welche das preuß. Strafgesetzbuch vom 
4. April 1851 bzw. das Reichsstrafgesetzb. vor- 
gesehen hat, in Kraft verblieben (vgl. Golt- 
dammers Material. des Strafgesetzb., Bd. II, 
S. 714, Nr. 1c). Auch bedürfen sie nicht einer 
nochmaligen, gemäß den Vorschriften des Polizei- 
ges. v. 11. März 1850 (bzw. der Verordn. v. 20. Sept. 
1867 und des Ges. v. 7. Jan. 1870) zu bewirken- 
den Verkündigung (Erk. des Rhein. Rev.= und 
Kass.-Hofes v. 10. April 1852, Rhein. Arch. für 
Zivil= u. Krim.-R., Bd. XIVII, Abt. 2, S. 47). 
— Die Ortspolizeibehörden sind befugt, ältere von 
ihnen erlassene Ortspolizeiverordnungen wieder 
aufzuheben (Erk. des Rhein. Rev.= u. Kass.-Hofes 
v. 27. Jan. und 10. Juli 1849, Rhein. Arch., 
Bd. XIIV, Abt. 2, S. 33 u. 36). Dies ist auch 
in betreff der gemäß §. 5 des Polizeiges. v. 
11. März 1850 bzw. der Verordn. v. 20. Sept. 1867 
und des Ges. v. 7. Jan. 1870 erlassenen Polizei- 
verordnungen anzunehmen, es sei denn, daß zur 
Gültigkeit der Verordnungen eine höhere Ge- 
nehmigung oder die Zustimmung der Gemeinde- 
vertretung, bzw. der Kreis-, Bezirks= oder Pro- 
vinzialvertretung erforderlich und erteilt ist, 
welchen Fällen auch die Zurücknahme durch eine 
entsprechende Genehmigung bzw. Zustimmung 
bedingt wird (Oppenhoff, Die preuß. Gesetze 
über die Ressarkodrhältvehe, S. 513, Note 45). 
 
	        
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