Full text: Das Staatsrecht der Preußischen Monarchie. Dritter Band. Erste Abteilung. (3_1)

Die besonderen Garantien der Verfassung. (8. 117.) 69 
eine Vereidigung des Heeres auf die Verfassung nicht stattfinde. 1 
Die hiernach vor- 
geschriebene Vereidigung der Mitglieder beider Kammern und aller Staatsbeamten, mit 
Ausnahme des Heeres, ist (gemäß den Bestimmungen des Art. 119 der Verfassungs- 
urkunde) nach Vollendung der Revision der Verfassung bewirkt worden? und findet seit- 
dem auch fernerhin statt. 
Uber die Art und Weise, wie hiernach hinsichtlich der Ver- 
eidigung der Staatsbeamten zu verfahren ist, sind die näheren Anordnungen durch den 
Beschluß des Staatsministeriums v. 12. Febr. 1850 3 und bezüglich der Beamten in 
den im Jahre 1866 neu erworbenen und mit der preußischen Monarchie vereinigten 
  
der jetzigen, von der Krone vorgeschlagenen, oben 
im Texte angegebenen Fassung des Art. 108 
beigetreten, indem sie die Abänderung für keine 
wesentliche erachteten. Die Rev. Komm. der 
2. K. bemerkte dabei noch: „Die Verbindung, in 
welche, nach dem Regierungsvorschlage, der dem 
Könige zu leistende Eid mit der Beschwörung der 
Verfassung durch das Wort „und“ gesetzt 
worden, reiche aus, um den untrennbaren 
Zusammenhang beider Eide deutlich zu 
machen, während die vorgeschlagene Fassung eben- 
mäßig die Selbständigkeit beider Eide 
wahre und das Mißverständnis unmöglich mache, 
als ob die eidliche Verpflichtung, die Verfassung 
gewissenhaft zu beobachten, nur dem Könige gegen- 
über eingegangen würde, der König also be- 
rechtigt wäre, von der eidlichen Verpflichtung auf 
die Verfassung zu dispensieren“ (vgl. v. Nönnes 
Bearbeit. der Verf. Urk., Art. 108, S. 210—2129). 
1 Die Vereidigung des Heeres auf die Ver- 
fassung wurde von dem Könige zuerst in dem 
Bescheide v. 22. März 1848 an die städtischen 
Behörden zu Breslau und Liegnitz (M. Bl. d. i. 
Verw. 1848, S. 84) verheißen. Die Verheißung 
fand dann ihre Aufnahme in den §. 78 des Verf. 
Entw. der Staatsregierung v. 20. Mai 1848, 
wurde indes in dem daraus entnommenen Art. 
107 der Verf. Urk. v. 5. Dez. 1848 nicht aus- 
drücklich wiederholt; aber noch das Patent von 
demselben Tage, betr. die Zusammenberufung der 
Volksvertreter (G. S. 1848, S. 392) ergibt, daß 
es damals noch die Absicht der Regierung war, 
die versprochene Beeidigung des Heeres auf die 
Verfassung zu veranlassen. In dem erwähnten 
Patente heißt es nämlich in dieser Beziehung: 
„Unmittelbar nach erfolgter Revision der Ver- 
fassung werden wir die von Uns verheißene 
Vereidigung des Heeres auf die Verfassung ver- 
anlassen.“ Inzwischen hatten die Kammern bei 
der Revision der Verfassung beschlossen, in den 
Art. 107 (jetzt Art. 108) den Zusatz aufzunehmen: 
„Eine Vereidigung des Heeres auf die Verfassung 
findet nicht statt.“ Indem die Krone sich hier- 
mit einverstanden erklärte, wurde solchergestalt 
die frühere entgegengesetzte Verheißung des Königs 
beseitigt. Die Kammern waren nämlich der 
Ansicht, „daß die Vereidigung des Heeres auf 
die Verfassung keinen Schutz gegen Verfassungs- 
übertretungen gewähren könne, solcher vielmehr 
dem Heere gegenüber in der Verantwortlichkeit 
des Kriegsministers und derjenigen Zivilbeamten 
gefunden werden müsse, auf deren Requisition 
die Armee zu handeln habe"“". Der Bericht der 
Rev. Komm. der 2. K. bemerkte in dieser Be- 
ziehung noch: „Wenn die Armee selbst prüfen solle, 
inwieweit durch Ausführung eines bestimmten 
  
Befehls eine Vorschrift der Verfassung verletzt 
werden könne, so müsse dieselbe berechtigt sein, 
zu beratschlagen, während dies nach Art. 37 
(jetzt Art. 38) verboten sei und zur Auflösung aller 
Disziplin führen könne, auch gerade in den be- 
denklichsten Krisen am ersten Zweifel über die 
verfassungsmäßige Zulässigkeit der erteilten Be- 
fehle entstehen und gerade in den Momenten 
Schwanken und Zaudern entstehen könne, wo es 
vor allem auf entschlossenes Handeln ankomme.“ 
Stenogr. Ber. der 2. K. 1849—50, S. 547.) 
In gleichem Sinne sprach sich der Bericht des 
Zentralaussch, der 1. K. aus (Stenogr. Ber. der 
1. K. 1849—50, S. 1329 ff.). Vgl. v. Rönnes 
Bearbeitung der Verf. Urk., Art. 108, S. 211. Aus 
denselben und ähnlichen Gründen hat auch der 
Staatsmin. a. D. Graf v. Arnim-Boitzenburg, 
von welchem der königl. Bescheid v. 22. März 1848 
mitunterzeichnet ist, sich für die Zurücknahme der 
darin erteilten Verheißung ausgesprochen. Vgl. 
dessen Schrift: Über die Vereidigung des Heeres 
auf die Verfassung (Berlin, 1849). — Uber die 
Gründe gegen die Vereidigung des Heeres auf 
die Verfassung vgl. auch: Bluntschli, Allgem. 
St. R., 2. Aufl., Bd. II, S. 93 ff., und Stahl, 
Philosophie des Rechts, 3. Aufl., Bd. II, Abt. 2, 
S. 572 ff., wogegen es von anderer Seite für 
ein Vorurteil erklärt wird, daß der Verfassungseid 
der Soldaten und Offiziere der Disziplin oder 
auch der wahren Autorität und Sicherheit des 
Regenten schade (vgl. Welcker in dem Artikel 
„Garantien“ im Staatslexikon, 3. Aufl., Bd. IV, 
S. 108 ff.). Zachariä (D. St. u. B. R., 3. Aufl., 
Bd. I, S. 304 ff.) bemerkt darüber, daß sich kein 
Rechtsgrund gegen die Beeidigung des Militärs 
auf die Verfassung geltend machen lasse, wogegen 
dem politischen Grunde, daß der militärische 
Gehorsam nicht durch eine solche Beeidigung in 
Frage gestellt werden dürfe, ein gewisser Schein 
nicht abgesprochen werden könne; allein schlimm 
sei es auch, wenn bei sonst allgemeiner Anwen- 
dung des Verfassungseides durch die Befreiung 
des Militärs die falsche Idee Nahrung erhalte, 
daß die Militärmacht außerhalb oder über der 
Verfassung stehe, was besonders dann zu fürchten 
sei, wenn eine Verfassung — wie die preußische 
in Art. 108 — neben der eidlichen Verpflichtung 
der Kammermitglieder und Staatsbeamten die 
Vereidigung geradezu für unstatthaft erklärt. 
2 Vgl. auch Bd. I, S. 70, 435 f. 
3 Vgl. Just. M. Bl. 1850, S. 42, M. Bl. d. i. 
Verw. 1850, S. 26. — Das Zirk. Reskr. des 
Just. Min. v. 13. Febr. 1850 (Just. M. Bl. 
1850, S. 43) erteilt (für die Justizbehörden) 
spezielle Anordnungen über das Verfahren bei 
der Ableistung des Eides.
	        
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