Die besonderen Garantien der Verfassung.
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stellt 1, erkennt dasselbe zugleich die Notwendigkeit, Einrichtungen zu treffen, um die
Regierungsgewalt, die ihrem Begriffe nach die materielle Macht in der Hand hat, in
dem Falle, wo sie ungesetzlich ihre Grenzen überschreitet, zu verfassungsmäßiger Ver-
antwortung zu ziehen.
lichkeit.2
Dieser Aufgabe dient das Institut der Ministerverantwort-
Die Minister des Königs, deren freie Wahl ihm nach preußisch-deutschem
R. v. Mohl, Die Verantwortlichkeit der Minister
in Einherrschaften mit Volksvertretung, rechtlich,
politisch und geschichtlich entwickelt, 1837; des-
selben St. R. des Königr. Württemberg, Bd. 1,
S. 761—821; desselben Geschichte und Litera-
tur der Staatswissenschaften, Bd. I, S. 311—
312; H. Bischof, Ministerverantwortlichkeit
und Staatsgerichtshöfc in Deutschland, 1859;
ogl. auch im Archiv für das öfftl. R. des D.
Bundes von Linde, Bd. III, Heft 2; A. Cny-
rim, Die Verantwortlichkeitsfrage, 1848;
Samuely, Das Prinzip der Ministerverantwort-
lichkeit in der konstit. Monarchie, 1869; IJ. H.
Beschorner, Die Ministerverantwortlichkeit und
der Staatsgerichtshof im Königreiche Sachsen,
nebst einer vergleichenden Darstellung der bezüg-
lichen Gesetzgebung einiger anderer Länder, 1877.
C. Nößler, Die Verantwortlichkeit der Minister
(in dessen Studien zur Fortbild. der preuß. Verf.,
Abt. II, S. 36 ff.); (Geffken), Die Reform der
preuß. Verfassung S. 230 ff.; C. F. Scheuer-
len, Der Staatsgerichtshof im Königr. Württem-
berg, mit Hinweisung auf die analogen Einrich-
tungen in andern deutschen Bundesstaaten, 1835;
v. Aretin und v. Rotteck, St. N. der konstit.
Monarchie, Bd. III, S. 201—221; Dahl-
mann, Politik (2. Aufl.), S. 103—115; Klüber,
Offtl. R. des D. B., S. 534ff.; Zöpfl, Grund-
sätze des gem. D. St. R., 5. Aufl., Bd. II,
S. 409 ff.; Zachariä, D. St. u. B. R., 3. Aufl.,
Bd. I, S. 306 ff.; Grotefend, Das D. St. R.
der Gegenwart, S. 718 ff.; K. S. Zachariä,
Vierzig Bücher vom Staate, 1839, Bd. III,
S. 268 ff.; Stahl, Philosophie des Rechts, 3. Aufl.,
Bd. II, Abt. 2, S. 393 ff.; Bluntschli, Allgem.
St. R., 2. Aufl., Bd. II, S. 80—82; Held,
System des Verf. R., Bd. II, S. 363 ff.; G.
Meyer-Anschütz, St. R., S. 683 ff.; v. Gerber,
Grundzüge, 3. Aufl., S. 193 ff.; Hoffmann,
Die staatsbürgerlichen Garantien, Teil I, 1828,
S. 180 ff., 359 ff.; v. Kaltenborn, Einleit. in
das konstit. Verf. R., 1863, S. 89, 102 ff., 110;
L. v. Stein, Die Verwaltungslehre, Teil I
(2. Aufl. 1869), S. 339 ff., 344 ff.; Welcker,
in dem Artikel: „Verantwortlichkeit der Fürsten
und der Minister“ im Staatslexikon, 3. Aufl.,
Bd. XIV, S. 339 ff.; Held, in dem Artikel:
„Staatsgerichtshof“ a. a. O., Bd. XIII, S.590 ff.;
Fr. Oetker, Rechtsstaat und Ministerverantwort-
lichkeit (in der Augsburger Allgem. Zeit. 1872,
Beilage Nr. 33); v. Schulze, Pr. St. N.,
Bd. II, S.32 ff.; Schwartz, Verf. Urk., S. 125 ff.;
Arndt, Verf. Urk., S. 181; Bornhak:2, I, S.
138 ff., 144 ff. leugnet rundweg undschroff jede Ver-
antwortlichkeit der Minister gegenüber dem Land-
tag; man kann diese Ausführungen nur mit Ver-
wunderung lesen! — Eine Ubersicht des Inhaltes
der deutschen und fremden Gesetze über die
Ministerverantwortlichkeitenthält der (von Mitter-
maier) erstattete Ausschußbericht über den Gesetz-
entwurf, die Verantwortlichkeit der Reichsminister
betr., Beil. 1 zum Protokoll der 62. Sitz. der
D. Nat. Vers. zu Frankfurt a. M. von 1848. —
Von fremdländischen Schriften vgl.: B. de Con-
stant, De la responsabilite des ministres,
Par. 1814; Marchais de Migneaux, De la
respons. des min. 1818; O. de Kerkhovede
Deuterghem, De la responsabilite des
ministres dans le droit public Belge, 1867;
J. Ludwigh, Des lois sur la responsabilité
du pouvoir exécutif en Hongrie, 1865; M. G.
Lagemans, De leer der ministeriöle verant-
woordelijikkheid en hare toepassing in het
Nederlandsche staatsregt, 1855. — Neuere
Literatur: v. Seydel-Piloty, Bayer. St. R., I,
S. 342 ff.; v. Frisch, Verantwortlichkeit der
Monarchen (1904); Nehm, Allgem. Staatslehre,
S. 325 ff., 344 ff.; Hauke, Die Lehre von der
Ministerverantw., 1880; Pistorius, Die Staats-
gerichtshöfe und die Ministerverantw., 1891;
Lucz, Ministerverantw. und Staatsgerichtshöfe,
1893; Passow, Das Wesen der Ministerverantw.
in Deutschland, 1904.
1 Verf. Urk., Art. 44X, und Bd. I, S. 206 f. —
Um das politische Postulat: „Der König ist unver-
antwortlich"“ neben der Verpflichtung des Mon-
archen auf die Verfassung und die Gesetze zu
rechtfertigen, haben zuerst die englischen Publi-
zisten die politische (oder staatsrechtliche) Fiktion
aufgestellt: „der König kann nicht Unrecht tun“.
Was also Unrechtes in der Monarchie geschieht —
denn die gedachte Fiktion vermag dies nicht zu
hindern —, das hat nicht der König, sondern
haben andere getan, und zwar gilt das ge-
schehene Unrecht als die Folge der schlechten
Beratung des Königs, daher der (positiven oder
negativen) Pflichtverletzung seiner Minister
(überhaupt der obersten Ratgeber oder der Autoren
des Beschlusses). Vgl. hierüber: Dahlmann,
Politik, S. 104 ff.; v. Arctin, St. N. der
konstitutionellen Monarchie, Bd. III, S. 202 ff.;
Bluntschli, Allgem. St. R., 2. Aufl., Bd. II,
S. 78 ff. — Vgl. über die richtige Auffassung des
(vielfach mißverstandenen) Satzes des englischen
Staatsrechts „the King can do no vrong“;
A. Samuely, Das Prinzip der Ministerverant-
wortlichkeit, S. 14 ff., 25 ff., 56 ff.
2 Zur Zeit des vormaligen Deutschen Reiches
fanden die Landesverfassungen und die Rechte
der einzelnen ihre Garantie in dem Schutze
durch die Reich gerichte; dagegen war dem vor-
maligen deutschen Staatsrechte der Satz, auf
welchen die neuere Theorie die Ministerverant-
wortlichkeit gründet: „der Fürst kann nicht Un-
recht tun“ unbekannt, obgleich es keineswegs an
Beispielen in den deutschen Landesgeschichten
fehlt, daß selbst solche fürstliche Diener auf An-
trag der Stände zur Verantwortung und Strafe
gezogen wurden, die dem Willen ihres Fürsten
gemäß gehandelt hatten (vgl. die Beispiele bei